Perrault

[603] Perrault (spr. perro), 1) Claude, franz. Baumeister. geb. 1613 in Paris, gest. daselbst 9. Okt. 1688, war Arzt und wurde durch die Werke des Vitruv, die er auf Wunsch Colberts übersetzte, zur Architektur geführt. Als es sich darum handelte, den Louvrepalast durch eine würdige Ostfassade abzuschließen, wozu auch Bernini aus Rom herangezogen wurde, entschied man sich für seinen Entwurf einer gewaltigen Kolonnade gekuppelter Säulen. 1667–1672 erbaute er die Pariser Sternwarte. Er schrieb auch naturwissenschaftliche Bücher und eine Abhandlung über die antiken Säulenordnungen.

2) Charles, franz. Dichter, Bruder des vorigen, geb. 12. Jan. 1628 in Paris, gest. daselbst 16. Mai 1703, wurde Advokat, darauf Kommis bei einem Bruder, der Generalsteuereinnehmer war, dann 1664 von Colbert mit der Oberaufsicht über die königlichen Bauten betraut und gehörte der Kommission an, die für die königlichen Gebäude Aufschriften zu machen hatte, aus der später die Académie des inscriptions et belles lettres entstand. Seit 1671 Mitglied der Akademie, las er 1687 in einer Sitzung derselben sein höchst mittelmäßiges Gedicht »Le siècle de Louis le Grand« vor, das den Anlaß gab zu dem berühmten Streit über die Alten und Modernen, in dem Boileau sein unerbittlicher Gegner war. Gegen die blinde Nachahmung der Alten trat er auf in »Le parallèle des anciens et des modernes« (1688–98, 4 Bde.), schießt jedoch oft über sein Ziel hinaus. Es fehlt ihm an Geschmack und Stil; Quinault steht ihm höher als Racine, der Maler Le Brun höher als Raffael; sein Hauptzweck ist der Ruhm seines Königs. Unsterbliches Verdienst aber erwarb sich P. durch sein Werk »Contes de ma mère l'Oye« (1697; in zahlreichen neuen Ausgaben, z. B. von Lacroix 1877, von Du laye 1880; mit Illustrationen von Doré, 1861, von andern Künstlern 1897), in dem die Märchen von Dornröschen, Rotkäppchen, Blaubart, dem gestiefelten Kater, Aschenbrödel, Däumling etc. in liebenswürdiger und einfacher Prosa erzählt werden. Eine Redaktion in Versen ist ihm weniger gelungen. Eine Auswahl aus seinen Werken veranstalteten de Plancy (1826) und P. Lacroix (1842, neue Ausg. 1878). Vgl. Rigault, Histoire de la querelle des anciens et des modernes (Par. 1856); E. Deschanel, Le romantisme des classiques, 4. Teil: Boileau, Charles P. (das. 1888); Pletscher, Die Märchen Ch. Perraults (Berl. 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 603.
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