Seeminen

[265] Seeminen, unter Wasser verankerte Gefäße mit starker Sprengladung, zur Zerstörung von Schiffen. Das Seeminenwesen wird in allen Seestaaten, besonders aber in Deutschland, wo es hoch entwickelt ist, sehr geheim betrieben, daher ist mit Rücksicht auf die Landesverteidigung jede genaue Beschreibung deutscher S. strafbar. Schon 1813 zerstörten die Österreicher auf der Elbe und auf der Donau französische Brücken durch Treibminen. Der Schwede Nobel konstruierte 1843 zuerst S. mit elektrischer Zündung, und 1848 führte Werner Siemens mit Himly eine Minensperre des Kieler Hafens mit elektrisch entzündbaren S. aus. Auch im Krimkrieg wurden ähnliche S. neben Stoß- oder Kontaktminen angewandt, und 1859 sicherten die Österreicher Venedig durch elektrische Beobachtungsminen. Ihre allgemeine Einführung verdanken die S. dem amerikanischen Bürgerkrieg. Man benutzte damals Pfahlminen, die in seichterm Wasser auf eingerammten Pfählen angebracht waren, verankerte Bojenminen, Treib- oder Faßminen, elektrische Beobachtungsminen und Kohlenminen, gußeiserne, äußerlich einem Stück Kohle ähnliche Behälter, die, mit Sprengstoffen gefüllt, unter die Heizkohle eingeschmuggelt wurden; sie zerstörten das Schiff, sobald sie in die Feuerung gelangten. Gegenwärtig benutzt man als Sprengstoff in den S. allgemein Schießbaumwolle und unterscheidet Grundminen, am Grunde der Gewässer verankert, und verankerte Auftriebminen, an der Wasseroberfläche oder etwas unter ihr schwimmend.

Fig. 1. Chemisch-wirkender Zünder einer Kontaktmine. Fig. 2. Herzmine.
Fig. 1. Chemisch-wirkender Zünder einer Kontaktmine. Fig. 2. Herzmine.

Hinsichtlich der Zündung unterscheidet man: mechanische Minen, bei denen durch den Anstoß des Schiffes ein Mechanismus ausgelöst wird, der einen Schlag oder Stoß auf die Sprengkapseln ausübt und dadurch deren und die Sprengung der Schießbaumwolle herbeiführt (Fig. 1); mechanisch-elektrische Minen, bei denen durch den Anstoß des Fahrzeuges automatisch eine elektrische Zündung ausgelöst wird (Fig. 2); elektro-mechanische oder Elektrokontaktminen, die durch Kabel mit einer Beobachtungsstelle am Land in Leitungsverbindung stehen, und in denen der erforderliche Zündstrom automatisch durch den Anstoß des Fahrzeuges eingeleitet wird; elektrische Beobachtungsminen, deren Zündung von der Beobachtungsstelle am Land in dem Moment eingeleitet wird, wo ein feindliches Schiff in ihr Sprenggebiet gelangt. Die drei ersten Gruppen faßt man auch als Stoß- oder Kontaktminen zusammen. Die mechanischen und die mechanisch-elektrischen Minen können unabhängig voneinander und auf beliebige Abstände vom Land verwendet werden, sie sind einfacher, billiger als die andern, Vorräte können zum sofortigen Gebrauch bereit gehalten und ohne sonderlich geschultes Personal ausgelegt werden, bedürfen dann auch keiner weitern Aussicht. Sie sind aber auch für die eignen Schiffe gefährlich, bei ihrer leichten Verankerung werden sie leicht vertrieben, auch kann der Feind bei Opferung einiger kleinen Fahrzeuge eine Lücke in die [265] Minensperre brechen und die Durchfahrt erzwingen. Dabei ist das Auslegen wie das Wiederauffinden und Aufnehmen der Minen oft sehr gefährlich. Bei den Minen der beiden andern Gruppen ist die Sprengung völlig vom Willen des Verteidigers abhängig, so daß die eignen Schiffe beliebig das Minengebiet kreuzen können, auch kann man schwächere Fahrzeuge des Feindes schonen, um nachfolgende stärkere zu zerstören. Die S. können ohne Gefahr ausgelegt werden und erhalten starke Verankerung, sie sind mit Hilfe der Kabel leicht auffindbar, und ihre Zündungsfähigkeit kann stets geprüft werden. Sie erhalten sehr starke Ladung, so daß man mit einer geringern Anzahl ausreicht. Dagegen sind diese S. sehr kostspielig und nur von geübten Leuten auszubringen. Die Beobachtungs- und Zündstellen müssen dem Feinde durchaus unzugänglich, womöglich nicht beschießbar sein, auch muß jede Minensperre sowie auch jede Minenverlegung im Feuerbereich wirksamer Strandbatterien liegen, um den Feind an der Aufsuchung der Kabel zu hindern. Der Hauptnachteil der Beobachtungsminen besteht in ihrer Abhängigkeit von der Beleuchtung und von der Exaktheit der Verankerung, der Instrumente und des Personals. Nachts kann man das Minengebiet elektrisch beleuchten, auch hat Watkins einen Apparat erfunden, der das Herannahen eines Fahrzeuges automatisch anzeigt. Man benutzt die Beobachtungsminen überall, wo die Gezeitenunterschiede und die Rücksichtnahme auf die eignen Schiffahrtsbedingungen die Verwendung von Kontaktminen ausschließen. Sie müssen daher sehr tief gelegt werden und infolgedessen eine sehr viel größere Sprengladung erhalten als seichtere Minen. Ebner beobachtete das Minengebiet im Turm der Zündstelle mit Hilfe einer Camera obscura und erhielt auf einer Glastafel das verkleinerte, aber naturgetreue Abbild. Die Minenlagerungsorte und deren Sprenggebiete waren auf der Glastafel verzeichnet; sobald ein feindliches Fahrzeug in den Wirkungskreis gelangte, genügte ein Druck auf den entsprechenden Taster, um die S. zur Sprengung zu bringen. Einen Fortschritt gegen diese Methode bezeichnet das gleichzeitige Beobachten aus zwei Stellen mit Entfernungsmesser. Jede Drehung des einen wie auch des andern Instruments wird auf einer dritten, elektrisch verbundenen Stelle, der Zündstelle, von einem Zeiger mitgemacht, und beide Zeiger geben auf einer Meßtischplatte, die dem Minenfeld entspricht, den Schiffsort genau an. Zum Verschiffen der S. benutzt man Minenprähme, zum Auslegen Minenleger mit Kränen zum Aufhängen der Minen und Anker. Als Blockademinen benutzt man S., um den Verkehr eines Hafens zu unterbinden und die darin blockierte gegnerische Flotte am Auslaufen zu verhindern; als Konterminen (Gegen-, Quetschminen) zur Zerstörung feindlicher S.; durch ihre Sprengung muß sie so eingerichtet sein, daß sie sich von selbst entzündet, sobald sich das Legungsfahrzeug entfernt hat. Wird ein Schiff von einem Gegner gejagt, so kann es eine im Kielwasser nachgeschleppte Mine (Schleppmine) durch eine geschickte Wendung vor den Bug des Verfolgers bringen oder ihm Streuminen (Stoßminen besonderer Art) in sein Fahrwasser »streuen«.

Über die gegen die Minen anzuwendenden Schutzmittel hat man noch wenig Erfahrungen. Die Leitungsdrähte von elektrischen Minen wird man durch Schleppanker und Dreggen aufzufischen suchen und zerschneiden; man wird Ketten und Taue über den Grund ziehen, um die Minen selbst aufzufischen oder zur Sprengung zu bringen, wozu man kleine Boote vorschickt. Diese einfache Minensuchweise mit Stahltrossen, die von zwei Torpedobooten geschleppt wurden, wurde von den Japanern und Russen im Kriege mit Erfolg verwendet. Der Verteidiger wird sich dadurch sichern, daß er die Minensperre in den Bereich des wirksamen Geschützfeuers legt und davor eine Kettensperre oder andre Hafensperre aus Stahltrossen, Schwimmbalken etc. zieht. Hat man von der Lage der S. Kenntnis, so wird man Gegen- oder Quetschminen zwischen diese zu legen suchen oder hineintreiben lassen, um durch deren Sprengung die Entzündung der Sperrminen zu veranlassen. Man glaubt sogar, sich mit schweren Geschossen einen Weg durch die Minen sperre erschießen zu können. Auch will man, wie im Rettungswesen, mit einem Geschoß eine Leine über die Sperre schießen u. beim Zurückziehen Minen zerstören.

Jede Minensperre besteht aus 4–6 Minenreihen hintereinander, die schachbrettartig liegen, so daß die Minen jeder folgenden Reihe die Lücken der vorhergehenden decken. Besteht die Sperre aus Stoßminen, dann muß sie eine Durchfahrtstücke für die eignen Schiffe haben; diese durch besondere Merkmale genau bezeichnete Lücke wird durch elektrische Beobachtungsminen oder durch Torpedobatterien (s. Torpedo) geschützt. – Im japanisch-russischen Seekriege 1904 wurden durch S. sehr viele Schiffe teils völlig zerstört, teils schwer beschädigt. Die S. als Seekriegswaffen haben durch diesen Krieg erhöhte Bedeutung erlangt. Seitdem bauen alle Marinen Streuminenkreuzer (s. d.). In der deutschen Marine bestehen unter der Inspektion der Küstenartillerie und des Minenwesens eine Minenversuchskommission, mehrere Minenschiffe (Delphin, Pelikan und Otter), eine Minenkompanie und eine Minensuchdivision (ältere Torpedoboote). Literatur s. unter »Torpedo«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 265-266.
Lizenz:
Faksimiles:
265 | 266
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon