Shaftesbury [2]

[397] Shaftesbury (spr. scháfftsbĕri), 1) Anthony Ashley Cooper, Graf von, engl. Staatsmann, geb. 22. Juli 1621 in Dorsetshire, gest. 21. Jan. 1683, studierte in Oxford, trat 1640 ins Unterhaus und erlangte hier durch Witz, Beredsamkeit und taktische Gewandtheit bedeutenden Einfluß. Anfangs ein Anhänger Karls I., ging er 1644 zur Parlamentspartei über, entzweite sich aber 1654 mit Cromwell, trat 1659 nach dem Sturz Richard Cromwells in den Staatsrat und hatte neben Monck hervorragenden Anteil an der Restauration der Stuarts. Karl II. ernannte ihn daher 1661 als Lord Ashley zum Peer sowie zum Kanzler der Schatzkammer und 1672 zum Grafen von S. und zum Lord-Kanzler. Er war seit 1669 das einflußreichste Mitglied des Cabal-Ministeriums (s. d.), das den Absolutismus und Katholizismus in England herstellen sollte, wurde aber 1673 von Karl wegen seines Gegensatzes gegen den Herzog von York entlassen und übernahm nun die Führung der parlamentarischen Opposition. Die Vertagung des Parlaments im November 1675 bekämpfte er auf das heftigste, sollte dafür an den Schranken des Hauses knieend Abbitte tun und wurde infolge seiner Weigerung in den Tower gesteckt. Erst 1678 freigelassen, benutzte er das von Oates erfundene papistische Komplott, um den Haß des Volkes gegen die Katholiken zu erregen, wirkte für die Ausschließung des Herzogs von York vom Thron und führte den Sturz des Ministeriums Dan by herbei. Trotz der Abneigung der Kamarilla gegen ihn erhielt er im April 1679 das Präsidium des Staatsrats, wurde aber schon im Oktober wieder entlassen. Um so eifriger wirkte er nun für die Ausschließung des Herzogs von York und suchte dem Herzog von Monmouth die Thronfolge zu verschaffen. Er ward 1681 wegen Hochverrats verhaftet, beteiligte sich nach seiner Freisprechung an der als Ryehouse-plot bekannten Verschwörung und floh nach deren Entdeckung nach Amsterdam, wo er starb. In dem Kampf gegen die absolutistischen Bestrebungen der Stuarts hat er sich, obwohl ein durchaus grundsatzloser Politiker, nichtsdestoweniger hervorragende Verdienste erworben. Sein Leben beschrieben W. D. Christie (Lond. 1871, 2 Bde.), der auch die »Memoirs, letters and speeches« Shaftesburys (das. 1860) veröffentlichte, und Traill (das. 1886).

2) Anthony Ashley Cooper, dritter Graf von, philosoph. Schriftsteller, Enkel des vorigen, geb. 26. Febr. 1671 in London, gest. 1713 in Neapel, war von 1686–89 auf Reisen in Frankreich und Italien, wo ihn die Künste fesselten, und Holland, wo er Bayles Bekanntschaft machte, widmete sich wissenschaftlichen Beschäftigungen und trat dann ins Parlament, 1700 in das Oberhaus, wo er die Maßregeln des Königs Wilhelm unterstützte, kehrte aber, mit der Politik der unter der Königin Anna das Ruder führenden Staatsmänner nicht einverstanden, nach Holland, 1711 nach Italien zurück. S. trat dem Empirismus Lockes (s. d.), der auf seine Erziehung Einfluß gehabt hatte, insofern entgegen, als er im Gegensatz zur Theorie der Selbstsucht das unmittelbare Wohlgefallen am Guten, d. h. an der Harmonie zwischen altruistischen und egoistischen Neigungen, zu wecken suchte, wodurch er der Stifter des sogen. moralischen Sensualismus und der schottischen Moralphilosophenschule wurde. Seine Werke erschienen unter dem Titel: »Characteristics of men, manners, opinions and times« (Lond. 1713, 3 Bde.; 1773, 3 Bde.; neue Ausg. von Hatch, 1869, von J. M. Robertson, 1900, 2 Bde.). Außerdem gab er »Briefe über philosophische und theologische Gegenstände« (1716 u. 1721) heraus. Die deutsche Übersetzung seiner »Philosophischen Werke« unternahmen Hölty und Benzler (Leipz. 1776–79, 3 Bde.). Über die Philosophie Shaftesburys vgl. die Schriften von Spicker (Freiburg 1872), Gizycki (Leipz 1875), FowlerS. and Hutcheson«, Lond. 1882); Rand, Life, unpublished letters and philosophical regimen of A., Earl of S. (das. 1900); Martin, Shaftesburys und Hutchesons Verhältnis zu Hume (Halle 1905).

3) Anthony Ashley Cooper, siebenter Graf von, geb. 28. April 1801, gest. 1. Okt. 1885, machte sich im Unterhaus, dem er seit 1826, und im Oberhaus, dem er seit 1851 angehörte, sowie als Leiter zahlreicher gemeinnütziger Anstalten um die Verbesserung der Lage der Arbeiterklassen sehr verdient und gall auch in kirchlichen Fragen als Autorität. Seine »Speeches on claims and interests of labouring class« erschienen 1868. Vgl. Hodder, Life and work of the seventh Earl of S. (Lond. 1886, 3 Bde.; Ausg. in 1 Bd. 1892) und The seventh Earl of S. as social reformer (das. 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 397.
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