Sidney [2]

[428] Sidney (spr. ßiddni), 1) Sir Philip, einer der ersten engl. Dichter der Renaissancezeit, geb. 29. Nov. 1554 zu Penshurst in Kent, gest. 19. Okt. 1586 vor Zutphen, studierte in Oxford und Cambridge und reiste dann drei Jahre lang bis Wien und Italien. 1575 zurückgekehrt, gewann er die Gunst der Königin Elisabeth, zog sich aber 1578 nach Wilton in Wiltshire, dem Landsitz seines Schwagers, des Grafen von Pembroke, zurück, wo er eine Reihe »Sonnets« (besonders den Zyklus »Astrophel and Stella«, hrsg. von Pollard, 1888) in Nachahmung Petrarcas verfaßte, sowie den Schäferroman »Arcadia« (Faksimile der 1. Ausg. von Sommer, Lond. 1893), der freilich erst nach seinem Tode erschien. S. verpflanzte hiermit den spätgriechischen Roman in der Art des Heliodor nach England, mischte Sturm, Liebe, Krieg und Schäferidyll, königliche und bäuerliche Gestalten, Wundersames und Reales durcheinander und machte damit großen Eindruck, auch auf Shakespeare. Berühmt ist ferner seine »Apology for poesie« (1595), ein Versuch, zu zeigen, daß der Poet nicht ein Lügner, sondern im Gegenteil der beste Geschichtschreiber und Philosoph sei; allerdings[428] nur der echte, in der Kunst der Klassiker gebildete Poet (neue Ausg. von Arber in »English Reprints«; von Cook, Boston 1890, und E. Stuckburgh, Cambr. 1891). S. wurde als das Ideal eines Hofmannes, Soldaten und Gelehrten angesehen und erwies sich zugleich als freigebiger, einsichtiger Beförderer von Kunst und Wissenschaft. 1582 kehrte er an den Hof zurück und ward zum Gouverneur von Vlissingen ernannt. Unter seinem Oheim, dem Grafen von Leicester, gegen die Spanier fechtend, wurde er im Gefecht bei Zutphen (im September 1586) tödlich verwundet. Seine Werke erschienen in London 1725 in 3 Bänden; seine »Miscellaneous works« wurden von Gray (Oxf. 1829, 1893), sein Briefwechsel mit Hubert Languet von Pears (Lond. 1845), eine neue Ausgabe seiner »Complete poems« von Grosart (das. 1877, 3 Bde.) veröffentlicht. E. Flügel gab »Astrophel and Stella« und »Defence of poesie« mit biographischer Einleitung heraus (Halle 1889). Vgl. Sir Fulke Greville (Lord Brooke), Life of Sir Philip S. (1652; Neudruck, Lond. 1906, und von N. Smith, Oxf. 1907); Fox Bourne, Memoir of Sir Philip S. (Lond. 1862) und dessen kürzere Biographie (das. 1891); Lloyd, Life of Sir Philip S. (das. 1862); Symonds, Sir Philip S. (das. 1887); Brunhuber, Sir Phil. Sidneys Arcadia und ihre Nachläufer (Leipz. 1903).

2) Algernon, engl. Politiker, geb. 1622 in London als der zweite Sohn des Grafen Robert von Leicester, gest. 7. Dez. 1683, tat sich im Aufstand der Irländer 1641 hervor und trat beim Ausbruch der Revolution gegen Karl I. auf die Seite des Parlaments. Er diente in der Parlamentsarmee unter Fairfax und zeichnete sich namentlich in Irland aus. Dem zur Aburteilung Karls I. eingesetzten Gerichtshof gehörte er an, wohnte zwar den Verhandlungen bei, erschien aber nicht an dem Tage der Abstimmung und unterschrieb das Urteil nicht. Unter Cromwells Protektorat lebte er zurückgezogen auf seinen Gütern, trat aber nach dessen Tode 1659 in den republikanischen Staatsrat. Nach der Restauration der Stuarts verweilte er 1660–77 im Ausland, wurde, nachdem ihm die Rückkehr nach England gestattet war, 1678 ins Unterhaus gewählt und machte hier den königlichen Ministern kühne Opposition. Nach der Entdeckung des Rye-House-Plot, das die Ermordung Karls II. und seines Bruders zum Zweck hatte, ward S. mit Lord Russell und dem Herzog von Monmouth der Verschwörung angeklagt. Der berüchtigte Lord-Oberrichter Jeffreys (s. d.) bewirkte seine Verurteilung auf Grund eines unter seinen Papieren gefundenen Manuskripts, in dem S. seine republikanischen Gesinnungen offen ausgesprochen hatte. Ein Revisionsgesuch, das S. nach seiner Verurteilung einreichte, blieb unberücksichtigt; das Todesurteil ward vollstreckt. Wilhelm III. ließ nach seiner Thronbesteigung die Ehre des Hingerichteten herstellen. Sidneys gelehrte Schrift »Discourses concerning government etc.« (Lond. 1698 u. ö.; deutsch, Leipz. 1794; von Hollis nebst andern Stücken hrsg., Lond. 1772) enthält das politische Glaubensbekenntnis des bedeutenden Mannes. Vgl. Meadley, Memoirs of Algernon S. (Lond. 1813); Ewald, Life and times of A. S. (das. 1872, 2 Bde); Blackburne, Algernon S. (das. 1885).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 428-429.
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