Wächter [2]

[287] Wächter, 1) Karl Georg von, einer der ausgezeichnetsten deutschen Juristen, geb. 24. Dez. 1797 in Marbach am Neckar, gest. 15. Jan. 1880 in Leipzig, wurde 1819 Oberjustizassessor bei dem Appellationsgericht in Eßlingen und noch in demselben Jahre Professor der Rechte in Tübingen. 1833 folgte er einer Berufung nach Leipzig, kehrte aber schon 1836 nach Tübingen zurück, um hier neben seinem Lehrstuhl zugleich das Kanzleramt der Universität zu übernehmen. Letztere vertrat er auch in der Ständeversammlung, zu deren Präsidenten er 1839 auf sechs Jahre und 1845 auf weitere sechs Jahre gewählt ward. 1851 ging er als Präsident des Oberappellationsgerichts der vier Freien Städte nach Lübeck, folgte jedoch schon im Spätherbst 1852 einem wiederholten Ruf als Professor des Pandektenrechts und Geheimer Hofrat nach Leipzig, wo er 1855 zum Mitglied des sächsischen Staatsrats, 1862 zum Ordinarius der Juristenfakultät, 1872 zum Wirklichen Geheimen Rat mit dem Titel Exzellenz ernannt wurde. 1878 ward ihm vom König von Sachsen der erbliche Adel verliehen. Im Frühjahr 1867 als Vertreter des Leipziger Stadtbezirks in den konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt, beteiligte er sich an den Beratungen über die Verfassung, nahm jedoch eine Wiederwahl zum Reichstag nicht an. Als Juristen charakterisiert ihn die innige Durchdringung theoretischer und praktischer Auffassung. Er hat als Lehrer und Schriftsteller sowohl Privatrecht als Strafrecht und Rechtsgeschichte behandelt und sich auf allen in gleichem Maß als Meister gezeigt. Unter seinen Schriften sind hervorzuheben: »Lehrbuch des römisch-deutschen Strafrechts« (Stuttg. 1825–26, 2 Bde.); »Abhandlungen aus dem Strafrecht« (Leipz. 1845, Bd. 1); »Handbuch des in Württemberg geltenden Privatrechts« (Stuttg. 1839–51, 2 Bde. in 5 Abtlgn.); »Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere gemeines deutsches Strafrecht« (Leipz. 1844); »Beiträge zur deutschen Geschichte, insbesondere zur Geschichte des deutschen Strafrechts« (Tübing. 1845); »Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen« (Leipz. 1853); »Das königlich sächsische und das Thüringische Strafrecht« (Stuttg. 1857–58, unvollendet); »Die bona fides, insbesondere[287] bei der Ersitzung des Eigentums- (Leipz. 1871). Beilagen zu Vorlesungen über das deutsche Strafrecht« (das. 1881); »Pandekten« (das. 1880–81, 2 Tle.) und »Deutsches Strafrecht. Vorlesungen« (das. 1881), beide Werke herausgegeben von seinem Sohn O. v. Wächter, der auch die Biographie seines Vaters schrieb: »Karl Georg v. W., Leben eines deutschen Juristen« (das. 1881). Vgl. auch die Gedächtnisschriften von Windscheid (Leipz. 1880) und Hugo Meyer (das. 1898).

2) Oskar von, Jurist und Publizist, Sohn des vorigen, geb. 29. April 1825 in Tübingen, gest. 15. Juni 1902, ließ sich 1849 als Advokat in Stuttgart nieder, trat 1860 gegen das von der württembergischen Regierung mit dem römischen Stuhl abgeschlossene Konkordat erfolgreich auf und verfocht die Trennung der Kirche vom Staat. 1862 ward er in die württembergische Ständeversammlung gewählt, wo er der deutschen Partei angehörte. Auch gründete er 1868 ein politisch-volkswirtschaftliches Wochenblatt. »Der Landbote«, in dem er seiner deutschnationalen Gesinnung in den ländlichen Kreisen seiner Heimat Verbreitung zu verschaffen suchte. Außer vielen größern Abhandlungen in Zeitschriften, besonders in der »Deutschen Vierteljahrsschrift«, schrieb er: »Das Verlagsrecht mit Einschluß der Lehren von dem Verlagsvertrag und Nachdruck« (Stuttg. 1857--58); »Der 9. November 1861 und die Verlagsrechte« (Leipz. 1861); »Wechsellehre nach den deutschen und ausländischen Gesetzen« (Stuttg. 1864); »Das Handelsrecht nach dem allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuch« (Leipz. 1865, 2 Tle.); »Das Wechselrecht des Norddeutschen Bundes« (das. 1869–70); »Das Autorrecht nach dem gemeinen deutschen Recht« (Stuttg. 1875); »Das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste« (das. 1877); »Enzyklopädie des Wechselrechts« (das. 1879, neue Ausg. 1881); »Das Wechselrecht des Deutschen Reichs« (das. 1883); »J. J. Moser« (das. 1885). Neben publizistischen Broschüren: »Württemberg und Rom vor 300 Jahren« (Stuttg. 1860), »Konkordat und Recht in Württemberg« (das. 1861) und »Bekenntnisgrund, Kirche und Sektenwesen in Württemberg« (das. 1862) veröffentlichte er noch: »Joh. Albr. Bengel. Lebensabriß, Charakter, Briefe und Aussprüche« (das. 1865) und »Bengel und Ötinger« (Gütersl. 1883); »Vehmgerichte und Hexenprozesse« (Stuttg. 1882); »Altes Gold in deutschen Sprichwörtern« (das. 1883); »Sprichwörter und Sinnsprüche der Deutschen« (Gütersl. 1888) sowie die Biographie seines Vaters (s. oben).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 287-288.
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