Verlagsrecht

[80] Verlagsrecht (engl. Copyright) im weitern Sinn ist das jemand zustehende ausschließliche Recht, ein Geisteswerk, insbes. ein Werk der Literatur oder Tonkunst, zu vervielfältigen und gewerbsmäßig zu verbreiten. Dasselbe bildet von Rechts wegen einen Bestandteil des Urheberrechtes (s. d.). Der häufigste und wichtigste Fall der Übertragung des Verlagsrechtes (des Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechtes) ist der Abschluß des Verlagsvertrages, wodurch sich[80] der Verfasser zur Überlassung des Werkes und zur Verschaffung des Verlagsrechtes, der Verleger sich zur Vervielfältigung und Verbreitung verpflichtet. Dieses V. im engern und gewöhnlichen Sinn entsteht mit der Ablieferung des Werkes an den Verleger und erlischt mit Beendigung des Vertragsverhältnisses. Nicht das ganze V., sondern nur die Forderungs- und Schuldverhältnisse zwischen Verfasser und Verleger aus dem Verlagsvertrag ordnet das Reichsgesetz vom 19. Juni 1901, betreffend das V. Dieses Gesetz wurde im Anschluß an das neue Urheberrechtsgesetz von 1901 (s. Urheberrecht) erlassen, weil der Verlagsvertrag die Übertragung eines Teiles des Urheberrechtes (nicht Aufführungs- und Vertragsrecht) zum Inhalt hat. Bisher fehlte ein einheitliches V. in Deutschland.

Ohne Einwilligung des Urhebers darf der Verleger am Werke keine Änderungen vornehmen; stellt er mehr Abzüge her, als Vertrag oder Gesetz gestattet, so begeht er Nachdruck. Während des Bestehens des Verlagsrechtes kann der Urheber sein Urheberrecht vererben und übertragen, wie auch wegen von dritter Seite begangenen Nachdrucks Strafantrag, Antrag auf Vernichtung widerrechtlich hergestellter oder verbreiteter Exemplare und möglicherweise auch Schadenersatzanspruch erheben. Der Verfasser haftet anderseits dem Verleger nach den allgemeinen Grundsätzen über Gewährleistung wegen eines Mangels im Rechte (Bürgerliches Gesetzbuch, § 320–327,433 ff., 440,445) dafür, daß der Verleger das Werk ungestört durch Rechte Dritter, die Urheber- oder Verlagsrecht behaupten, vervielfältigen und verbreiten kann.

Gegenleistung (Honorar, Vergütung) ist dem Verlagsrecht nicht wesentlich. Der Verfasser kann schon genügenden Gegenwert darin finden, daß der Verleger vervielfältigen und verbreiten muß. Eine Vergütungspflicht kann aus den Umständen zu schließen sein. Ist die Höhe nicht bestimmt, so ist angemessene Vergütung in Geld als vereinbart anzusehen. Die Vergütung ist bei Ablieferung des Werkes zu entrichten. Ist die Höhe unbestimmt oder hängt sie vom Umfange der Vervielfältigung (Zahl der Druckbogen) ab, so wird die Vergütung fällig, sobald das Werk vervielfältigt ist. Bestimmt sich die Vergütung nach dem Absatz, so hat der Verleger jährlich dem Verfasser Rechnung zu legen und ihm, soweit es für die Prüfung erforderlich, die Einsicht seiner Geschäftsbücher zu gestatten. Der Verleger ist nicht berechtigt, ein Einzelwerk für eine Gesamtausgabe oder ein Sammelwerk sowie Teile einer Gesamtausgabe oder eines Sammelwerkes für eine Sonderausgabe zu verwerten, außer soweit dies nach dem Urheberrechtsgesetz jedermann frei steht. – Der Verleger ist, wenn der Vertrag nichts andres festsetzt, nur zu einer Auflage in der Höhe von 1000 Abzügen berechtigt. Ist ihm das Recht für mehrere Auflagen eingeräumt, so gelten im Zweifel für jede neue Auflage die gleichen Abreden wie für die vorhergehende. Die üblichen Zuschußexemplare werden in die Zahl der zulässigen Abzüge nicht eingerechnet. Das gleiche gilt von Freiexemplaren, soweit ihre Anzahl den 20. Teil der zulässigen Abzüge nicht übersteigt. – Der Verfasser ist verpflichtet, dem Verleger das Werk in einem für die Vervielfältigung geeigneten Zustand abzuliefern. Die Frist der Ablieferung richtet sich nach dem Zeitraum, innerhalb dessen der Verfasser das Werk bei einer seinen Verhältnissen entsprechenden Arbeitsleistung herstellen kann. Bis zur Beendigung der Vervielfältigung darf der Verfasser Änderungen vornehmen. Vor der Veranstaltung einer neuen Auflage hat der Verleger dem Verfasser zur Vornahme von Änderungen Gelegenheit zu geben. Der Verfasser darf die Änderungen durch einen Dritten vornehmen lassen. Nimmt der Verfasser nach Beginn der Vervielfältigung Änderungen vor, die das übliche Maß übersteigen, so hat er die entstehenden Kosten (Korrekturkosten) zu ersetzen, außer wenn Umstände, die inzwischen eintraten. die Änderung rechtfertigen. Der Verleger muß das Werk in der zweckentsprechenden und üblichen Weise vervielfältigen und verbreiten. Form und Ausstattung wird unter Beobachtung der im Verlagshandel herrschenden Übung sowie mit Rücksicht auf Zweck und Inhalt des Werkes vom Verleger bestimmt. Der Verleger hat mit der Vervielfältigung zu beginnen, sobald ihm das vollständige Werk zuging. Erscheint das Werk in Abteilungen, so ist zu beginnen, sobald der Verfasser eine Abteilung abliefert, die nach ordnungsmäßiger Folge zur Herausgabe bestimmt ist. Der Verleger hat rechtzeitig dafür zu sorgen, daß der Bestand nicht vergriffen wird. Ein Verleger, der das Recht hat, eine neue Auflage zu veranstalten, ist nicht verpflichtet, von diesem Rechte Gebrauch zu machen, jedoch kann ihm zur Ausübung des Rechtes der Verfasser eine angemessene Frist setzen. Nach Ablauf der Frist kann der Verfasser zurücktreten, wenn nicht die Veranstaltung rechtzeitig erfolgte. Fällt der Zweck, dem das Werk dienen sollte, nach Vertragsabschluß weg, so kann der Verleger kündigen; der Anspruch des Verfassers auf Vergütung bleibt unberührt. – Die Bestimmung des Ladenpreises steht für jede Auflage dem Verleger zu. Er darf ihn ermäßigen, soweit nicht berechtigte Interessen des Verfassers verletzt werden; zur Erhöhung dagegen bedarf es stets der Zustimmung des Verfassers. Auch ohne Vereinbarung hat der Verleger Freiexemplare zu liefern, bei Werken der Literatur auf je 100 Abzüge einen, jedoch nicht weniger als 5 und nicht mehr als 15, bei Werken der Tonkunst die übliche Zahl. Bei Werken der Literatur hat der Verleger dem Verfasser auf dessen Verlangen ein Exemplar in Aushängebogen zu überlassen. Von Beiträgen zu Sammelwerken dürfen Sonderabzüge als Freiexemplare geliefert werden. Der Verleger hat dem Verfasser in jeder gewünschten Zahl Exemplare des Werkes zum sogen. Buchhändlerpreis zu überlassen. Für Zeitungsverleger besteht diese Pflicht nicht; wie auch nicht die Pflicht zur Lieferung von Freiexemplaren. Das Werk (Manuskript) ist nach der Vervielfältigung zurückzugeben, sofern der Verfasser vor Beginn der Vervielfältigung dies sich vorbehielt.

Die Rechte des Verlegers sind übertragbar, soweit dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird. Der Verleger kann jedoch durch einen Vertrag, der nur über einzelne Werke (Gegensatz: Übertragung des ganzen Verlagsgeschäftes des Verlegers) geschlossen wird, seine Rechte nicht ohne Zustimmung des Verfassers übertragen. Die Zustimmung kann nur aus gewichtigem Grunde verweigert werden. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Verweigerung nicht binnen zwei Monaten erklärt wird. Der Verleger ist verpflichtet, dem Verfasser auf Verlangen Auskunft darüber zu erteilen, ob die einzelne Auflage oder die bestimmte Zahl von Abzügen vergriffen ist. Wird der Verlagsvertrag für eine bestimmte Zeit geschlossen, so ist nach ihrem Ablauf der Verleger zur Verbreitung der noch vorhandenen Abzüge nicht mehr berechtigt.

Wird das Werk ganz oder zum Teil nichtrechtzeitig geliefert, so kann der Verleger vom Vertrag[81] zurücktreten; er braucht also das Werk nachher nicht mehr anzunehmen. Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn die nicht rechtzeitige Ablieferung für den Verleger nur unerheblichen Nachteil mit sich bringt. Die Vorschriften über nicht rechtzeitige Ablieferung finden entsprechend Anwendung, wenn das Werk nicht die vertragsmäßige Beschaffenheit hat. Beruht der Mangel auf einem Umstand, den der Verfasser zu vertreten hat, so kann der Verleger statt des Rücktrittsrechtes Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung geltend machen. Dasselbe gilt umgekehrt zugunsten des Verfassers, wenn das Werk nicht vertragsmäßig vervielfältigt wird. Geht das Werk nach der Ablieferung an den Verleger durch Zufall unter, so behält der Verfasser den Anspruch auf Vergütung. Im übrigen werden beide Teile frei. Stirbt der Verfasser vor Vollendung des Werkes, so ist, wenn ein Teil dem Verleger bereits abgeliefert wurde, der Verleger berechtigt, in Ansehung des gelieferten Teiles den Vertrag aufrechtzuerhalten. Der Erbe kann ihn zu entsprechender Erklärung veranlassen. Das Recht erlischt, wenn diese unterbleibt. Diese Vorschriften gelten entsprechend, wenn die Vollendung des Werkes infolge eines sonstigen nicht vom Verfasser zu vertretenden Umstandes unmöglich wird. Bis zum Beginn der Vervielfältigung kann der Verfasser vom Vertrag zurücktreten, wenn sich Umstände ergeben, die bei Abschluß des Vertrages nicht vorauszusehen waren. Wird über das Vermögen des Verlegers Konkurs eröffnet, so kann der Konkursverwalter den Vertrag erfüllen, muß es aber nicht, selbst wenn das Werk bereits vor Konkurseröffnung abgeliefert war. War zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens mit der Vervielfältigung noch nicht begonnen, so kann der Verfasser noch zurücktreten. Wird der Rücktritt vom Verlagsvertrag erklärt, nachdem das Werk ganz oder zum Teil abgeliefert wurde, so hängt es von den Umständen ab, ob der Vertrag teilweise aufrechterhalten bleibt.

Werden für eine Zeitung, Zeitschrift oder ein sonstiges periodisches Sammelwerk Beiträge zur Veröffentlichung angenommen, so gilt zum Teil Abweichendes: a) der Verfasser behält hier das Recht, über den Beitrag auch noch anderweit zu verfügen, sofern nicht aus den Umständen zu entnehmen ist, daß der Verleger das ausschließliche Recht erhalten soll. Steht ihm hiernach ausschließliches Recht zu, so darf der Verfasser anderweit verfügen, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Beitrag erschien, ein Jahr verstrich. Ist der Beitrag für eine Zeitung geliefert, so steht diese Befugnis dem Verfasser alsbald nach dem Erscheinen zu. b) Der Verleger ist in der Zahl der von dem Sammelwerke herzustellenden Abzüge nicht beschränkt. c) Soll der Beitrag ohne Namen des Verfassers erscheinen, so ist der Verleger befugt, an der Fassung solche Änderungen vorzunehmen, die bei Sammelwerken derselben Art üblich sind. d) Wird der Beitrag nicht innerhalb eines Jahres nach Ablieferung veröffentlicht, so kann der Verfasser das Verhältnis kündigen. Sein Anspruch auf Vergütung bleibt. Eia Anspruch auf Vervielfältigung und Verbreitung des Beitrags oder auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung steht dem Verfasser nur zu, wenn ihm der Zeitpunkt, in dem der Beitrag erscheinen soll, vom Verleger bezeichnet wurde.

Ein Verlagsvertrag im weitern Sinne liegt vor: a) wenn Gegenstand des Vertrages ein Werk ist, an dem kein Urheberrecht besteht, sei es, daß die Frist hierfür ablief oder die betreffenden Erzeugnisse frei sind (Gesetze etc.); hier hat sich der Verfasser der Vervielfältigung und Verbreitung ebenso zu enthalten, wie wenn an dem Werk ein Urheberrecht bestände; diese Beschränkung hört aber sechs Monate nach Veröffentlichung durch den Verleger auf; b) wenn der Verleger nur berechtigt, nicht verpflichtet wird, das Werk zu vervielfältigen und zu verbreiten. Übernimmt jemand die Herstellung eines Werles nach einem Plan, in dem ihm der Besteller den Inhalt des Werkes sowie die Art und Weise der Behandlung genau vorschreibt, so ist der Besteller im Zweifel zur Vervielfältigung und Verbreitung nicht verpflichtet. Vgl. die Kommentare zum Reichsgesetz vom 19. Juni 1901 von Allfeld (Münch. 1902; Textausg. mit Anmerkungen 1901), Kuhlenbeck (Leipz. 1901), E. Müller (Münch. 1901), R. Voigtländer (Leipz. 1901) und Mittelstädt und Hillig (das. 1901).

Für Österreich sind folgende positive Gesetzesbestimmungen anzuführen: Ist die Zahl der Exemplare bestimmt und will der Verleger eine neue Auflage machen, oder will der Verfasser eine neue veränderte Ausgabe veranstalten, so ist darüber stets ein neues Übereinkommen zu schließen; die Rechte des Schriftstellers in Rücksicht einer neuen Auflage oder Ausgabe gehen jedoch auf seine Erben nicht über (Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, § 1167–1169); dagegen geht das Urheberrecht auf die Erben des Autors über. Der Urheber oder dessen Erbe kann die Ausübung des Urheberrechtes übertragen; endgültige Überlassung eines Werkes der Literatur oder Tonkunst gilt als Übertragung des Urheberrechtes, Ein Vertrag, durch den jemand die Urheberrechte an seinen künftigen Werken überhaupt oder an einer ganzen Gattung derselben zu übertragen verspricht, ist kraft des Gesetzes kündbar, ein Verzicht auf das Kündigungsrecht ist rechtsunwirksam; jeder neue Abdruck von Werken, den der Urheber oder Verleger dem Verlagsvertrage zuwider veranstaltet, ist ein Eingriff in das Urheberrecht (§ 15–17,24, Ziff. 4 des Gesetzes vom 26. Dez. 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 80-82.
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