Gioberti

[359] Gioberti (spr. Dschoberti), Vincenzo, geb. 5. April 1801 in Turin, studirte Philosophie u. Theologie u. wurde dann Lehrer am Athenäum daselbst u. 1831 Kaplan am Hofe Karl Alberts. Die damals so mächtige Jesuitenherrschaft in Sardinien bemerkte sehr bald die freisinnige Richtung G-s, u. als 1833 Untersuchungen über den Savoyerzug eingeleitet wurden, ward auch G. eingezogen u. nach mehrmonatlicher Haft 1834 aus seinem Vaterlande gewiesen. Er ging nach Paris u. 1835 nach Brüssel, wo er Lehrer an einem Privatinstitute wurde. 1845 ging er wieder nach Paris, lebte hier den Wissenschaften u. unterhielt einen lebhaften Briefwechsel mit hochgestellten gleichgesinnten Männern Italiens, der Schweiz u. Deutschlands. Ende März 1848 ging er nach Turin, trat im April in die Kammer u. wurde am 16. Mai Präsident. In diesem Monate erließ er seinen Aufruf an Venedig u. die Lombardei, sich der Sache Sardiniens anzuschließen, u. bereiste mehrere Städte Italiens, um einen italienischen Nationalverein zu gründen. Zurückgekehrt nach Turin, besänftigte er hier am 29. Juli. u. 4. Aug. Volksaufstände u. wurde bei der am 10. Oct. in Turin eröffneten Sitzung des italienischen Nationalcongresses ebenfalls zum ersten der drei Präsidenten gewählt. Im Dec. d. J. bildete er ein neues Ministerium, löste sofort die Kammer auf u. wurde bei den Neuwahlen selbst in die neue Kammer gewählt. Die Energie, mit welcher er gegen die republikanischen Gesellschaften einschritt, zog ihm die Feindschaft der Umsturzpartei zu. Als nach der Flucht des Großherzogs von Toscana G. interveniren wollte, seine Collegen aber widersprachen, legte er die Ministerpräsidentschaft nieder, blieb aber Minister ohne Portefeuille, u. nun schwand die letzte Hoffnung einer friedlichen Einigung mit Österreich. Er gründete jetzt eine Zeitschrift: Il Saggiatore (die Wage), um seine Ansichten, daß nur auf dem Wege der Reform, der Constitution, der Unabhängigkeit u. der Conföderation der Sache Italiens gedient werden könnte, zu verbreiten, u. ging nach der Schlacht von Novara (23. März 1849) im Auftrag des Cabinets nach Paris, um eine Intervention Frankreichs für Sardinien nachzusuchen, wurde aber von dem gleichzeitig daselbst eintreffenden Bevollmächtigten des Wiener Cabinets überflügelt. Er gab von Paris aus seine Entlassung als Minister u. Gesandter, lebte seitdem dort wissenschaftlich beschäftigt u. starb daselbst 26. Decbr. 1852. Er schr.: Teoria del sovranaturale, Capolajo 1838; Introduzione allo studio della filosofia, 1839 f., 4 Bde.; Errori filos. di Ant. Rosmini, 1842; Discorso del bello u. del buono, 1841 (französisch von Bertinathi, 1843); Del primato civile e morale degl'Italiani, Brüssel 1843, 2 Bde.; Prolegomeni, 1845; Il Gesuita moderno, Lausanne 1846 f., 8 Bde., u.ö. (deutsch von Cornet, Lpz. 1849, 3 Bde.); Del rinnovamento civile d'Italia, Par. 1851, 2 Bde.; Operette politiche, Capol. 1851, 2 Bde. Seine Correspondenzen u. politischen Reden gab Massari 1850 heraus. Vgl. Giuseppe Massari, Vita di Vicenzo Gioberti, Flor. 1848, u. Etudes sur Gioberti.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 359.
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