Kiel [2]

[470] Kiel 1) Amt im Herzogthum Holstein, /8 QM., 4000 Ew.; 2) Stadt daselbst am Kieler Hafen (s.d.), Sitz des Oberappellationsgerichts für Holstein u. Lauenburg (zugleich juristische Examinationsbehörde), des Sanitätscollegiums für Holstein (zugleich medicinische Examinationsbehörde), einer Quarantainecommission, der fortwährenden Deputation der Ritterschaft; im Umschlag (der Messe) ist eine ordentliche Versammlung des Corps der Ritterschaft in K., wo auch die nicht ritterschaftlichen Gutsbesitzer sich versammeln; eine Vereinigung beider Versammlungen bedarf königlicher Erlaubniß; hat Schloß (1838 theilweise abgebrannt, aber wieder aufgebaut), darin die Universitätsbibliothek u. das Kunstmuseum (welches Gypsabgüsse von Antiken u. Neuern, auch Arbeiten neuerer Künstler besitzt), 4 Kirchen (3 lutherische, 1 katholische), jüdische Synagoge; Universität, 1665 vom Herzog Christian Albrecht von Holstein gestiftet, jetzt 50 Lehrer, von denen 22 ordentliche, 9 außerordentliche Professoren, 150–200 Studenten; erhielt 1845 ein neues Normalreglement; Hülfsanstalten der Universität sind das Homiletische Seminar, Philologische Seminar, 2 Klinische Institute, Entbindnugsanstalt (nebst Hebammeninstitut); Universitätsbibliothek mit etwa 100,000 Bänden, Naturhistorisches Museum, Anatomisches Theater, Chemisches Laboratorium, Botanischer Garten. Die Sternwarte ist seit langer Zeit nicht mehr benutzt. In K. sind noch ferner die Schleswig-holstein-lauenburgische Gesellschaft für vaterländische Geschichte, Gesellschaft für Sammlung u. Erhaltung vaterländischer Alterthümer (s.u. Alterthumsvereine), Zweiggesellschaft des Gustav-Adolfvereins; Vaccinationsinstitut, Gelehrte Schule, Waisenhaus, Sparkasse (seit 1796, die älteste in den Herzogthümern), Seebad bei Düsternbrook; Baumschule. Das Forstinstitut ist seit 1833, das Schullehrerseminar seit 1838 aufgehoben. K. hat bedeutende Schifffahrt u. Handel u.a. mit Korn u. Butter; auch Sprotten (hier Breitlinge genannt) u. Muscheln kommen vorzüglich gut (eigentlich von Ellerbeck) über K. (daher Kieler Sprotten u. Kieler Muscheln) in den Handel. In K. gibt es 5 Buchhandlungen, 2 Buchdruckereien, Schiffbau; der Hafen ist einer der schönsten an der Ostsee; die Messe (Kieler Umschlag, der für Schleswig u. Holstein übliche Zahlungstermin) vom 6. Jan. bis 2. Febr., die sogenannten Zahltage gehen vom 6. bis zum 17. Jan.; Dampfschifffahrt nach Kopenhagen, Apenrade, Fehmarn, Hadersleben u. Christiania; Eisenbahn nach Altona mit Zweigbahn von Neumünster nach Rendsburg, Tönning u. Flensburg, u. von Elmshorn nach Glückstadt u. Itzehoe; Fabriken ziemlich zahlreich, namentlich Tabaksfabriken, Bierbrauereien, Branntweinbrennereien, Lohgerbereien etc.; 16, 300 Ew. Die Umgebungen Kiels sind sehr reizend. In der Nähe das Lustwäldchen Düsternbrook mit Seebad u. Meile von K., bei Holtenau, fängt der Eiderkanal (Kieler Kanal) an. – K. kommt schon seit dem 10. Jahrh. als Kyl vor u. wurde vom Grafen Adolf IV. im 13. Jahrh., welcher ein Franciscanerkloster hier baute, erweitert. Graf Johann I. gründete 1243 die Linie Holstein-K. (s. Holstein Gesch. I. A) u. nahm hier seine Residenz. Unter ihm belagerte erst sein Bruder, Graf Gebhard I. von Holstein-Rendsburg, dann Herzog Albrecht von Braunschweig vergebens K. Bes. gewann K. seit dem 14. Jahrh. unter Johann III, wo der Stapel der dänischen Waaren von Lübeck hierher verlegt wurde. 1544 kam K. an Herzog Adolf zu Gottorp; es wurde 1627 von den Kaiserlichen genommen; 1628 von den Dänen vergebens belagert; 1643 von den Schweden, kurz darauf wieder von den Kaiserlichen unter Gallas genommen. 1665 wurde die Universität vom Herzog Christian Albrecht gestiftet. 1721–73 war K. wieder Residenz der Herzöge von Holstein-Gottorp. 14 Jan. 1814 hier Friede zwischen Schweden, England u. Dänemark, s. Russisch-Deutscher Krieg von 1812–15. 1849 wurde der Hafen von den Dänen blockirt; am 18. Jan. 1851 Auflösung der hier zusammengetretenen Landesversammlung u. später Besetzung der Stadt durch österreichische Truppen, welche am 19. Febr. 1852 wieder abzogen. Vgl. Gesammtnachrichten von der Stad. K., Hamb. 1775; Gelehrtengeschichte der Universität K., Kiel 1800, 2 Bde.; Prahl, Chronik der Stadt K., Kiel 1856; Chronik der Universität K., Kiel 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 470.
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