Lullus

[605] Lullus, 1) Angelsachse des 8. Jahrh., wurde in dem Kloster Malmesbury erzogen u. später von Bonifacius nach Deutschland berufen, welchen er nach Thüringen begleitete u. nach dessen Abgang nach Friesland, in Thüringen u. Hessen als Prediger des Christenchums vertrat; er wurde auch um 755 Nachfolger des Bonifacius als Erzbischof von Mainz, die Bestätigung dieser Würde erhielt er aber erst um 779 von Rom. Er gründete das Kloster Hersfeld u. st. hier 16. Oct. 786. 2) Raymund, genannt Doctor illuminatus, geb. um 1236 zu Palma auf Majorca aus edler Familie, war bis in sein 30. Jahr Seneschall am königlichen Hofe; von seinem sinnlichen Leben wurde er durch die nächtliche Erscheinung des gekreuzigten Erlösers belehrt u. widmete sich nun einem asketischen Leben. Er brach eine neue Bahn in der Grammatik, Dialektik u. Ontologie, um dadurch die Welt reformiren u. bes. Muhammedaner zu belehren; er lernte dazu das Arabische u. reiste 1291 nach Tunis; hier übel aufgenommen, predigte er in Neapel u. Majorca vor Juden u. Sarazenen; 1306 ging er wieder nach Nordafrika, fand aber in Bugia eine gleich unfreundliche Aufnahme,[605] wurde des Landes verwiesen u. lebte nun in Pisa mit verschiedenen Plänen zum Wirken für das wahre Christenthum beschäftigt, aber, namentlich bei dem Papste, kein Gehör dafür findend. Als er 1314 zum dritten Mal nach Afrika ging, wurde er dort gesteinigt u. st. 1315. Die Lullische Kunst (Große Kunst, Ars magna), durch welche er die Philosophie reformiren wollte u. welche ihm Christus selbst offenbaret haben sollte, ist nur eine neue Logik od. logisch-mechanische Methode, gewisse Klassenbegriffe zu combiniren u. damit alle wissenschaftlichen Aufgaben zu lösen, od. eigentlich über alles zu raisonniren u. disputiren. Die Begriffe theilte er in gewisse Örter (meist Kreisfiguren) u. verknüpfte sie so, daß man sogleich finden könnte, was sich über jeden Gegenstand sagen, wie sich jede Aufgabe lösen ließ. So sind auch. seine Definitionen fast lauter nichts sagende Kreisfiguren, z.B. Qualität ist ein Ding, wodurch ein anderes Ding eine Quale ist. Mit diesem System hatte L. einige Ideen aus der Philosophie der Araber u. der Kabbala (welche er zuerst unter den Christen gekannt zu haben scheint) in Verbindung gesetzt. In der Theologie beschäftigte sich L. bes. mit der Lehre von der Trinität u. der Prädestination, namentlich suchte er zu erweisen, wie letztere mit der menschlichen Freiheit zu vereinigen sei. In praktischer Hinsicht urtheilte er nicht günstig von dem Wallfahrtswesen. Opera, herausgegeben von Salzinger, Mainz 1721–42, 10 Bde., Fol., u. Opera, quae ad inventam ab ipso artem universalem pertinent, Strasb. 1598, nach Anderen 1651. Seine Anhänger, die Lullisten (wie Agrippa), pflanzten die Religionsschwärmerei u. den Glauben an die Goldmacherkunst, welche er für den König Eduard III. von England, vorgeblich zum Behuf eines Kreuzzuges 60,000 Pfund Goldes fertigend, geübt haben soll, nicht ohne manchen hellen Blick fort. Vgl. Cüsterer in Acta SS. Antw. T. V., Perroquet, Vendoine 1667; Helfferich, Raymund L. u. die Anfänge der catalonischen Literatur, Berl. 1858.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 605-606.
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