Murmelthier

[563] Murmelthier (Arctomys Pall.), Gattung aus der Familie der eichhornartigen Nagethiere ohne Backentaschen u. mit od. ohne Nagel an der äußern Zehe der Vorderfüße, die übrigens der Sohlenlänge überragt; Pupille rund, Schwanz von Grund an buschig, rundherum behaart, also nicht gescheitelt od. zweizeilig; die Schneidezähne sind nicht so sehr zusammengedrückt, wie beim Eichhörnchen, u. oben sind 5 unten 4 Backenzähne jederseits, der erste im Oberkiefer der kleinste u. einspitzig; Oberlippe gespalten; Beine kurz. Die Murmelthiere bewohnen Mitteleuropa, die nördliche Hälfte Asiens u. Nordamerika, haben einen ziemlich plumpen Körper, graben sich Wohnungen unter der Oberfläche der Erde, die sie des Winters verstopfen, u. halten einen vollständigen Winterschlaf; sie fressen zum Theil Vegetabilien, zum Theil Insecten u. Fleisch; Arten: a) Alpenmurmelthier (Arct. marmotta Pall., A. alpinus Gmel., Marmota alpin. Blum.), Schnauze u. Stirn flach; Scheitel, Hinterkopf u. Rücken braunschwarz, mit einzelnen weißen Haarspitzen; Schnauze rostgelblichweiß; Nacken, Schwanzwurzel u. Unterseite roströthlichbraun, dunkler als die schmutzig gelblichgrauen Seiten; Schwanzspitze schwarz; Länge 1 Fuß 8 Zoll, Schwanz 7 Zoll, Gewicht 6–9 Pfund. Das Alpenmurmelthier wohnt auf den hohen Alpen in Österreich, Tyrol, Salzburg, Berchtesgaden, Baiern u. der Schweiz, in der Region über dem Holzwuchs unter dem ewigen Schnee, nach der Sommerseite. Es geht bei Tage auf Nahrung aus u. schon bei Anbruch des Tages verlassen die Alten ihre Wohnung, um zu weiden; die Jungen kommen dagegen meistens nur bei schönem Wetter hervor. Das M. ranzt im April u. Mai, bringt 3–4 Junge, lebt gesellig, sonnt sich gern, frißt die besten Alpenkräuter, ist furchtsam, gräbt im Sommer 3–4 Fuß tiefe Löcher in die Erde, wo es schläft u. wohin es flieht; im Winter bis 6–18 Fuß lange Röhren, mit nur 4 Fuß unter der Erde liegenden, 2–6 Fuß weiten, mit Heu gefütterten Kammern, wo es Wintervorräthe aufbewahrt u. in Gesellschaften, jedes in eine Kugel zusammengerollt, 5–7 Monate Winterschlaf hält; die Höhlen werden hierbei mit Erde u. Gras verstopft, das sie mit den Zähnen zuvor abmähen u. im Maule eintragen. Den Magen spülen sie zuvor durch Wassertrinken ganz rein aus. Sie lassen sich leicht zähmen u. zu allerlei Kunststücken (Essenkehren, Tanzen etc.) abrichten. Mit ihnen ziehen die Savoyarden im südlichen Frankreich, Deutschland u. England umher u. lassen sie für Geld sehen. Sein Fleisch ist zart u. mürbe u. wird daher häufig, sowohl frisch als eingesalzen, gegessen; das Fett dient äußerlich u. innerlich in der Schweiz als Arznei und das Fell wird zu Handschuhen, Mützen u.s.w. benutzt. Obgleich sie sich zähmen u. abrichten[563] lassen, so begatten sie sich doch nicht leicht in der Gefangenschaft. Die Tragzeit soll bei den wilden nicht über 6 Wochen dauern. Lämmergeier, Adler u. Falken sind die Feinde der M-e. Man fängt sie durch Ausgraben, das aber zur Zeit geschehen muß, wo sie schon einige Wochen schlafen, weil sie sonst leicht entschlüpfen. b) Polnisches M. (Bobak, richtiger Bobuk, Russisches M., A. bobak [bobuc]), Ohren klein, oval, Augen klein, Kopf dunkelbraun, Rücken schwärzlich, Bauch rostfarbig; an den Vorderfüßen 4 Zehen mit kurzem Daumen, der eine starke Klaue hat, 5 Zehen an den Hinterfüßen; wird 16–22 Zoll lang, lebt im Europäischen u. Asiatischen Rußland u. in der Tatarei; gräbt 2–4 Ellen tief in die sonnigen Flötzgebirge, um warm im Winterschlafe zu liegen, u. entdeckt so am Ural oft Kupfererze. Das Fell wird als Surki verkauft. c) Virginisches M. (A. monax s. Empetra), wie Kaninchen, dunkelbraun, unten u. an den Seiten heller, Schwanz u. Füße schwarz; d) Gestiefeltes M. (A. caligatus), im nördlichsten Theile der Westküste von Amerika; e) Ziegelmurmelthier (A. brachiurus), braunroth, mit ziegelrothem Scheine, in den Ebenen des Culumbiaflusses in großen Heerden; f) Hundsmurmelthier od. Prairiehund (A. ludovicianus s. latrans), s.d.; g) Gelbbäuchiges M. (A. flaviventer), in den Gebirgen zwischen Texas u. Californien.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 563-564.
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