Salzburg [1]

[819] Salzburg, Erzbisthum Deutschlands, an Baiern u. Österreich grenzend; bei seiner Säcularisation 1802 180 QM. mit 190,000 (vor den gezwungenen Auswanderungen der Protestanten 250,000) Ew.; der Erzbischof war Reichsstand u. fortwährender Legat des päpstlichen Stuhles, führte mit dem Herzog von Baiern das Directorium im Baierschen Kreise, im Reichstage die erste Stelle auf der geistlichen Bank im Fürstenrathe u. abwechselnd mit Österreich das Directorium im Reichsfürstencollegium. Wappen: ein längsgetheilter Schild, rechts ein schwarzer Löwe in goldenem Felde, das linke Feld war damascirt; hinter dem Schilde ragte das Legatenkreuz mit dem Cardinalshute, ein Schwert u. Bischofsstab hervor. Einkünfte 11/2–2 Mill. Fl., die Schulden 5 Millionen. Der Begründer des Bisthums S. ist St. Rupert (s.d. 1); derselbe erstreckte seine Missionsthätigkeit vom Baiernlande bis hierher, wo schon vor mehren Jahrhunderten in der Umgegend Cultur durch die Römer eingezogen u. auch nach den Verwüstungen[819] durch die durchziehenden Hunnen, Ostgothen u.a. Völkerschaften wieder hergestellt war. St. Rupert gründete in der vormals Juvavo genannten Stadt ein Kloster, welches er mit Mönchen aus Worms besetzte, u. eine Kirche u. wird der erste Bischof von S. genannt, obgleich weder er, noch sein Schüler Vitalis, welcher nach ihm im Lande wirkte, eine päpstliche Bestätigung als solcher hatte, vielmehr wurde als erster Bischof Johann I. vom Papst Gregor III. zwischen 731 u. 741 durch Bonifacius bestätigt. Auf Johann folgte 767 St. Virgilius, vormals Abt des Benedictinerklosters zu S., welcher 784 (785) st. Unter dessen Nachfolger Arno, der in hoher Gunst bei Karl d. Gr. stand, wurde 797 (798) S. zum Erzbisthum erhoben. Im 10. Jahrh. entstand zwischen dem Erzbischof Egilulf u. dem Bischof von Passau ein Streit wegen der erzbischöflichen Würde; Egilniss Nachfolger, Herold, welcher weder mit dem Papst, noch mit dem Kaiser Freundschaft hielt, verlor den Proceß, u. die erzbischöfliche Würde wurde zwischen S. u. Passau getheilt, u. bei S. blieb Westpannonien (Kärnten, Steyermark, Krain u. Niederungarn), während Ostpannonien (Österreich, Mähren u. Oberungarn) zu Passau geschlagen wurde. Aus Verdruß darüber verbündete sich Herold 958 mit den Hunnen, weshalb er aber auf dem Concil zu Ingelheim abgesetzt u., da er sich nicht fügte, 967 in den Bann gethan wurde. Sein Nachfolger Friedrich erhielt 971 die erzbischöfliche Würde ganz zurück, welche nun nicht wieder von S. getrennt wurde. Hartwig, Graf von Spanheim u. Artenburg (991–1023), bekam vom Kaiser Heinrich II. den Lungau für das Stift geschenkt. Gebhard, Graf von Helfenstein, erhielt wegen seiner Anhänglichkeit an den Papst die immerwährende Würde eines Legaten aller deutschen Kirchen; ihn vertrieb aber 1078 Kaiser Heinrich IV. u. setzte den Erzbischof Berthold ein, unter welchem die Diöcesanrechte über Ungarn verloren gingen. Gebhard wurde 1087 wieder eingesetzt, u. nach seinem Tode 1088 setzte sich Thymo mit Waffengewalt in Besitz des erzbischöflichen Stuhls. Adalbert II., welcher es mit dem Papste Alexander III. gegen Kaiser Friedrich I. hielt, wurde von Letzterem vertrieben; er erbaute darauf die Feste Halmburg, befehdete das Stift u. verbrannte die Stadt Hall. Eberhard II. stiftete die Bisthümer Chiemsee, Seckau u. Lavant, er wurde aber als ein Anhänger des Kaisers Friedrich II. 1246 abgesetzt. Der 1266 zum Erzbischof gewählte Herzog von Kärnten, Philipp, wurde 1269 Patriarch von Aquileja u. nachher Herzog von Kärnten. Erzbischof Rudolf war ein Anhänger des Königs Rudolf, deshalb verwüstete Ottokar von Böhmen das Stift; er gerieth durch Anstiften des Abts Heinrich von Admund auch in Streitigkeiten mit dem Herzog Albrecht von Österreich u. wurde 1299 vergiftet. Im 13. Jahrh. erwarb das Stift, nach dem Aussterben der Grafen von Plain, durch Kauf den Plinzgän u. Gastein. Rudolfs Nachfolger, Konrad IV., hatte gleichfalls große Weiterungen mit Österreich wegen der Salzpfannen u. einiger zum Hochstift gehörigen Gebiete. Er wurde nach Wien gelockt u. mußte seine Freiheit mit der Abtretung mehrer Schlösser erkaufen; er st. 1312. Friedrich III. leistete dem Herzog Friedrich von Österreich gegen Ludwig den Baier Beistand u. erlitt dadurch, als Letzter 1322 bei Mühldorf siegte, große Verluste u. mußte die Kosten zur Auslösung seiner gefangenen Vasallen durch Verpfändung vieler Güter an Österreich aufbringen. Er brachte das Schloß Burgstall u. die Grafschaft Dechsenbach an das Hochstift. Nach dem Tode Gregors 1403 verbündeten sich die Landstände keinen Erzbischof eher anzuerkennen, als bis er ihre Rechte bestätigt haben würde. Gegen die Hussitische Lehre, welche früh in das Salzburgische eingedrungen war u. sich hier weit verbreitet hatte, erließ Erzbischof Eberhard III. bereits 1420 strenge Verordnungen. Sigismund I. löste die 1322 an Österreich verpfändeten Gebiete wieder ein u. st. 1461. Unter seinem Nachfolger Burkard entstand 1462 ein Aufruhr der Bauern wegen der Frohnen bei den Burgbauten. Einer der berühmtesten u. verdientesten Erzbischöfe war Leonhard II. (1495–1519); 1498 vertrieb er des Wuchers wegen alle Juden aus dem Erzstifte. Zu seiner Zeit waren die Bergwerke bes. ergiebig, daher seine Einkünfte so groß, daß er das Gebiet des Erzstiftes durch Ankauf vieler Güter vermehrte, so kaufte er Leipnitz, Gmunden, die Herrschaft Rupa zurück u. löste das Schloß Stall u. die Stadt Petau wieder ein. Gegen ihn verschworen sich die Edeln, um sich aus seiner Gewalt zu befreien; doch der Erzbischof ließ 20 der Rädelsführer zu Tafel laden u. dann gefangen nehmen. Leonhards Hofprediger war Johann Staupitz, Luthers Freund, durch welchen auch die ersten Keime der Protestantischen Lehre nach dem Erzbisthum verpflanzt wurden; dieselben wurden weiter gepflegt von dem dortigen Domprediger Paul Speratus u. unter Leonhards II. Nachfolger Mathias Lange durch dessen Hofprediger Stephan Agricola, welcher 1521 an Staupitz's Stelle kam. Dieser wurde aber bald eingekerkert u. erst bei einem Aufstand des Volkes 1524 wieder befreit. Darauf fanden sich auch Wiedertäufer hier ein, welche von Lange u. seinen Nachfolgern, wie die Lutherischen, fortwährend verfolgt wurden; gegen die Lutherischen erließ Erzbischof Wolfgang Dietrich (1587–1611) 1588 das sogen. Reformationsmandat, worin den evangelischen Salzburgern befohlen wurde, entweder zur Katholischen Kirche zurückzukehren od. binnen Monatsfrist das Land zu verlassen; da die meisten das Letztere wählten, so wurden ihre Güter confiscirt. Außerdem belegte der Erzbischof das Land mit schweren Abgaben u. verschwendete viel Geld durch einen glänzenden Hofhalt. 1606 beschwor er mit seinen Capitularen ein Statut, welches österreichische u. baierische Prinzen für immer aus dem Domcapitel ausschloß. Wegen der Coadjutorwahl zu Berchtesgaden gerieth er mit dem Herzog Maximilian von Baiern in Streit, welcher ihn 1611 gefangen nehmen ließ u. bis an seinen Tod in Hast behielt. Marcus Sittich, Graf von Hohenems, dehnte die Maßregel seines Vorgängers 1614 auf die ganze Diöcese aus u. ließ Kapuziner unter Soldatenbegleitung im Lande umherziehen, um die Evangelischen zu bekehren od. zu vertreiben; die meisten gaben dem Drängen nach, die treuen Bekenner wanderten nach Mähren u. Österreich aus. Marcus Sittich legte 1617 das Gymnasium zu S. an, welches Erzbischof Paris 1623 zur Universität erhob. Paris ließ die Verfolgung der Evangelischen ruhen u. sorgte dafür für die Hebung der Wohlfahrt des Landes. Maximilian Gandolf begann 1685 die Verfolgungen wieder, indem über 1000 Leute aus dem Tefferegger Thale mitten im Winter unter Zurückhaltung ihrer Kinder u. Güter aus dem Lande getrieben[820] wurden, wogegen die protestantischen Stände Deutschlands unter Berufung auf den Westfälischen Friedensschluß vergebens protestirten, da der Erzbischof die Vertriebenen weder als Lutherische noch als Reformirte, sondern als bloße Sectirer anerkennen wollte. Gandolf st. 1686; unter seinen beiden nächsten Nachfolgern blieben die Evangelischen in Ruhe. 1728 wurde Leopold Anton von Firmian Erzbischof u. dieser ließ sogleich 1729 Jesuiten im Lande umherziehen, um die Protestanten aufzuspähen, die entdeckten wurden ins Gefängniß geworfen; Auswanderung wurde ihnen erlaubt, aber Güter u. Kinder sollten sie zurücklassen. Abermals verwandte sich das Corpus Evangelicorum für sie u. forderte ihretwegen die Aufrechthaltung des Westfälischen Friedens; abermals vergebens. Unter dem Scheine, daß man ihre Beschwerden hören u. ihnen eine private Ausübung ihres Cultus erlauben wollte, wurden die Protestanten aufgefordert ihre Namen anzugeben; nachdem sie auf einer Versammlung im Schwarzachthal 3. August 1731 den Salzbund (wobei die Anwesenden aus einem in der Mitte stehenden Salzfaß Salz als Zeichen ihrer Gemeinschaft am Evangelium genossen) geschlossen hatten, gaben über 20,600 ihre Namen an. Aber anstatt ihnen das Wort zu halten, berief der Erzbischof unter dem Vorwande, daß sie einen Aufruhr hätten erregen wollen, im September 1731 6000 Österreicher in das Land, welche bei den Protestanten zur Execution eingelegt wurden, um dieselben dadurch zum Übertrittzur Römischen Kirche zu zwingen. Dann mußten alle, welche sich weigerten zur Katholischen Kirche überzutreten, das Land verlassen (Salzburger Emigranten). Nach dem Emigrationspatent vom 31. Oct. 1731 sollte es binnen 8 Tagen geschehen (doch wurde wegen des bevorstehenden Winters Frist bis Ende April gegeben), ihre liegenden Güter sollten binnen 3 Jahren verkauft sein. Ende November begann die Auswanderung u. bis Ende April 1732 hatten 14,000 Protestanten das Land verlassen, meist in armseligem Zustande, aber bei dem Zuge durch die protestantischen deutschen Lande wurden sie allenthalben gastlich aufgenommen u. beschenkt, Der König von Preußen bot ihnen eine Zuflucht u. wies ihnen Aufnahme in Lithauen an; in Berlin sammelten sich an 18,000 u. im Juni 1732 kamen die ersten in Lithauen an. Die Protestanten waren zwar durch den Fanatismus des Erzbischofs verdrängt, aber dem Lande wurde dadurch eine schwere Wunde geschlagen, denn die österreichischen Soldaten kosteten der Regierung über 1 Mill. u. überdieß hatte das Land seine fleißigsten Bebauer u. Arbeiter verloren, u. obgleich den Zurückbleibenden schwere Steuern aufgelegt wurden, blieb doch die Staatskasse leer, da durch die Verschleuderung der Güter der Emigranten sich meist Privatleute bereicherten. Auf Leopold Anton folgte 1745 Jakob Ernst, Graf von Lichtenstein, welcher 1747 Andreas Jakob, Graf von Dietrichstein, zum Nachfolger hatte; diesem folgte 1753 Sigismund III., Graf von Schrattenbach, er konnte in dem durch die Emigration u. den Baierischen Erbfolgekrieg erschöpften Lande beim besten Willen nichts zur Besserung thun. Nach seinem Tode 1771 trat eine Vacanz ein; 1772 wurde Hieronymus, Graf von Colloredo, gewählt; er war ein ernster Mann, führte die Regierung kraftvoll, hob viele Gebrechen in der Verwaltung, wurde aber von seinen Unterthanen nicht geliebt; unter ihm ward das Erzstift S., das reichste u. wichtigste unter allen süddeutschen geistlichen Hochstiftern, 1802 säcularisirt, in ein weltliches Kurfürstenthum verwandelt u. im Vertrag zu Paris 20. December 1802 nebst Eichstädt, Berchtesgaden u. einem Theil von Passau dem Erzherzog Ferdinand (s.d. 61) als Entschädigung für Toscana gegeben. 1803 legte Hieronymus die Regierung nieder u. zog nach Wien, wo er, der 64. Bischof u. 60. Erzbischof von S., 1812 st. Im Frieden zu Presburg 1805 wurde S. Österreich einverleibt u. der Kurfürst durch Würzburg u. Eichstädt entschädigt. Im Wiener Frieden 1809 erhielt Napoleon S. zur Verfügung, welcher es 1810 an Baiern gab, im Pariser Frieden 1814 trat es aber Baiern bis auf den jenseit der Salza gelegenen Theil wieder an Österreich ab, u. es bildete als Herzogthum einen Bestandtheil des Kaiserstaates, bis es 1849 ein eigenes Kronland wurde. Seitdem ist S. zwar der Sitz eines Erzbischofs, aber ohne weltliche Macht. Von 1836–1850 war der Cardinal Fürst Friedrich von Schwarzenberg Fürst-Erzbischof; sein Nachfolger ist Maximilian Joseph von Tarnoczy. Vgl. Mezger, Historia Salisburg., 1692, Fol.; Hund, Metropolis Salisb., Regensb. 1719, Fol.; Kleinmayer, Nachrichten von Juvavia, Salzb. 1784; Die letzten dreißig Jahre des Hochstifts u. Erzbisthums S., o. O. 1816; Pichler, S-s Landesgeschichte, Salzb. 1861; Göcking, Emigrationsgeschichte von S., Lpz. 1734; Panse, Geschichte der Auswanderung der evangelischen Salzburger, ebd. 1827; Schulze, Die Auswanderung der evangelisch gesinnten Salzburger, Gotha 1838.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 819-821.
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