Neu-Wied [1]

[848] Neu-Wied, 1) sonst reichsunmittelbare Grafschaft (3 QM., 12,000 Ew.) im Westfälischen Kreise, deren Besitzer 1784 als Reichsfürsten Sitz u. Stimme beim Westfälischen Reichsgrafencollegium erhielten, kam 1806 unter nassauische u. 1815 unter preußische Hoheit; jetzt 2) preußische Standesherrschaft des Fürsten von N., dem auch 1824, durch Aussterben des Wied-Runkelschen Hauses, die Standesherrschaft Wied-Runkel zugefallen ist; 3) Kreis des Regierungsbezirks Coblenz in der preußischen Rheinprovinz, gebildet aus der Standesherrschaft N., dem preußischen Theile der Standesherrschaft Wied-Runkel u. dem vormaligen Kreise Linz; 111/2 QM., 62,200 Ew.; ist theilweise durch das Siebengebirge u. den Westerwald gebirgig; bringt Getreide, Wein, Tabak, hat viel Industrie, bes. Hüttenwerke; 4) Kreisstadt darin, auf dem rechten Ufer des Rheins (über ihn fliegende Brücke), gegenüber dem Einfluß der Nette u. der Eisenbahn zwischen Köln u. Coblenz, Residenz des Fürsten von Wied, hat fürstliches Schloß nebst Sammlung von römischen in der Umgegend gefundenen Alterthümern u. Park, in dessen Fasaneriegebäude die meist brasilianische Naturaliensammlung des Prinzen Maximilian von N., Progymnasium, Schullehrerseminar, Erziehungsanstalt der Evangelischen Brüdergemeinde, Waisenhaus, Hospital, viele Fabriken, die Seife, Cichorien, hölzerne Pfeifenköpfe, Kunsttischlerarbeiten, Spieluhren, Tabak, Gesundheitsgeschirr, Baumwollenzeuge, Berliner Blau, Eisen- u. Lederwaaren, Tapeten etc. verfertigen, Essig- u. Bierbrauereien, Schifffahrt, Handel mit ihren Fabrikaten, Wein, Pottasche u. Holz; 6700 Ew., darunter Herrnhuter, Mennoniten u. Quäker. Hier Gefecht wegen des Überganges über den Rhein vom 12. August bis 15. Sept. 1795 zwischen den Österreichern u. Franzosen, siegreich für die Letzteren. Im Octbr. d.i. nahmen aber die Österreicher den Brückenkopf bei N.-W. wieder, doch drangen die Franzosen, dort von Neuem über den Rhein gehend, im Juni u. Juli 1796 wieder vor, bis sie im Sept. zurückgedrängt das rechte Rheinufer wieder räumten, doch nur um den Rhein durch Hoche am 18. April 1797 wieder zu überschreiten. Am 29. Juli 1857 Feuersbrunst. Vgl. Cassino, Die Stadt N., Neuw. 1851.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 848.
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