Orīon

[365] Orīon, 1) (Kandaon), ein alter Jäger, über dessen Entstehung die Sage Folgendes berichtet: Zeus, Poseidon u. Hermes kamen zu dem kinderlosen Hyrieus od. Byrseus von Hyria in Tanagra (n.And. geschah es bei dem Bistonierkönig Musäos) u. wurden von ihm so gut bewirthet, daß sie ihm erlaubten, einen Wunsch zu thun. Er bat um einen Sohn. Die Götter ließen ihren Urin in die Haut eines frisch geschlachteten Ochsen u. befahlen ihm, dieselbe 10 Monate unter die Erde zu graben. Nach Verlauf dieser Zeit fand Hyrieus den O. darin. Er war ein schöner Jüngling, welchen Eos liebte u. nach Ortygia (Delos) entführte; aus Neid erlegte ihn Artemis mit ihren Pfeilen. Nach einer andern Mythe begleitete er Artemis u. Leto in Kreta od. Chios auf einer Jagd; hier versprach er, alle Ungeheuer der Erde zu vertilgen; aber ein Scorpion, welchen die Erde unter seinen Füßen hervorbrachte, tödtete ihn mit seinem Stiche. Auf Chios, wo er als Riese u. Sohn des Poseidon u. der Euryale erscheint, wollte er der Tochter des Önopion Gewalt anthun, aber von dem Vater geblendet, fand er erst später durch Helios wieder Heilung. Seine Gemahlin war Side, seine Töchter Menippe u. Metioche. Als eifriger Jäger im Leben jagte er noch in der Unterwelt das Wild mit einer Keule, das er auf der Oberwelt erlegt hatte. Er wurde unter die Sterne versetzt. Das Sternbild O. (arabisch el Seseseuze, Geuze, Jugula, Audax) wird schon in der Bibel erwähnt; es macht sich bes. in den Winternächten vor allen bemerklich, indem es nicht nur mit vielen hellen verhältnißmäßig nahe beisammen stehenden Sternen in die Augen fällt, sondern überhaupt sehr sternreich ist. In der Himmelskarte stellt es einen Mann in aufrechter Stellung dar, mit einer Keule in der einen u. einer Löwenhaut (nach And. einem Schilde) in der andern Hand. Er ist nordwärts von den Hörnern des Stiers, westwärts von dem Stiere u. dem Eridanusflusse, ostwärts vom Einhorn u. von den Zwillingen, südwärts vom Hafen begrenzt. Der Äquator geht mitten durch ihn u. die Milchstraße durch den östlichen Arm nach Süden herab. Flamsteed zählt 78 Sterne in ihm, u. zwar zwei Sterne erster Größe, vier der zweiten, vier von der dritten, neun der vierten, 24 der fünften, 18 der sechsten Größe. Unter ihnen zeichnen sich bes. drei Sterne zweiter Größe am Gürtel des O., in einer ziemlich geraden Linie stehend (Jakobsstab), aus; über ihnen, an der östlichen Schulter, funkelt ein Stern erster Größe (Beteigeuze) u. ein andrer zweiter Größe (Bellatrix) an der westlichen Schulter; gerade unter dem Jakobsstabe leuchtet noch sein Stern erster Größe (Rigel) am westlichen Fuße; unter dem Gürtel zur Linken zeigt sich ein Stern dritter Größe am östlichen Fuße. Alle vier bilden ein längliches Viereck. Unter dem westlichen Stern im Gürtel, etwas rechts, ist ein Stern dritter Größe, der erste am Schwerte; zwischen ihm u. dem am östlichen Fuße findet man, außer verschiednen kleinen, drei kenntlichere Sterne nahe an einander am Schwerte. Der oberste u. mittlere sind Doppelsterne, u. letzter zeigt um sich einen Nebelfleck (der große Nebel des O.), welcher durch seine fast den Vollmond erreichende Größe, seine sonderbare Gestalt u. die eigenthümliche Vertheilung der[365] lichtern u. weniger lichten Stellen in ihm der merkwürdigste am Himmel ist. Zwischen Beteigeuze u. Bellatrix aufwärts finden sich drei kleine, als Nuß unterschiedne Sterne, am Kopfe des O. 2) O. aus Theben (in Ägypten), wahrscheinlich im 5. Jahrh., lehrte in Cäsarea u. wahrscheinlich früher in Alexandrien Grammatik; er schrieb: Περὶ ἐτυμολογιῶν, herausgegeben von Sturz, nach einer Abschrift Larchers, Lpz. 1820; vgl. Ritschl, De Oro et Orione, Bresl. 1834. 3) O. aus Alexandria, Verfasser einer Lobschrift auf Hadrian.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 365-366.
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