Slowenen

[216] Slowenen (Slowenzen, Slowinzen), die slawischen Wenden od. Winden in Krain, Kärnten, Unter-Steyermark u. einigen Comitaten des westlichen Ungarns, heißen in älteren Schriften auch Korutanen u. gelegentlich, obgleich ungenau, Chorwati (Kroaten) u. Illyrier, da. sie den südwestlichsten Zweig des östlichen slawischen Sprachstammes bilden, welcher dem illyrischen Zweige vor allem verwandt ist. Die Volkszahl, 1850 etwa 11 Million, hat sich eher vermindert als vermehrt, was seinen Grund in den Mischheirathen mit Deutschen, Italienern, Magyaren etc. u. in der Auswanderung vieler S. nach benachbarten slawischen Ländern, bes. nach Kroatien u. Serbien, auch nach Rußland hat. Die S. brachen gegen das Ende des 6. Jahrh., dem Andrange der Avaren weichend, von Pannonien in Süddeutschland ein, setzten sich in den heute noch von ihnen bewohnten Gegenden fest u. wurden bereits 595 in harte Kämpfe mit dem Herzog Thassilo von Baiern verwickelt, der ihnen ihr Land streitig machte. Zwischen 627–582 waren sie Bundesgenossen der Deutschen, nahmen das Christenthum an, befehdeten die Markgrafen von Friaul siegreich, wurden darauf aber (etwa um die Mitte des 8. Jahrh.) von den Franken unterworfen, die zuerst Licht über dieses damals als Winden in der Geschichte oft vorkommende Volk verbreiteten. Der erste den Franken factisch unterthänige windische Fürst u. Heerführer war Bornt, unter dessen Nachfolgern die sogenannte Windische Mark eine Pertinenz des Frankenreiches Karls des Großen bildete. Später schieden sich daraus die Herzogthümer Steyermark, Kärnten u. Krain ab, welche insoweit germanisirt wurden, daß die städtische Bevölkerung u. die Gutsherrn auf dem Lande Deutsche wurden, während die dienende u. ländliche Bevölkerung im Allgemeinen S. sind. Die Slowentische Sprache hat sich die Dualform noch erhalten, sonst aber vieles aus den benachbarten Sprachen, namentlich dem Deutschen, Italienischen u. Ungarischen, in sich aufgenommen Ein Stamm der S. in Oberösterreich, Stoderer genannt (von dem Thal Stoder, welches sie bewohnen) hat seine Sprache ganz vergessen, aber slawische Tracht u. Sitten beibehalten. Auch die Sprache der eigentlichen S. scheint sich, trotz der Anstrengungen Einzelner den Sinn für nationale Interessen im Volke wach zu erhalten, dem Aussterben zu nähern. Die Gebildeteren der Nation verläugnen bereits gern ihre slawische Herkunft, lernen emsig deutsch u. kleiden sich in die Tracht der Städter. Vgl. über die Geschichte der immerhin noch sehr geringfügigen Literatur der S. deren gehaltvollsten Kern die Volkslieder (theilweise von Anastasius Grün übersetzt) bilden, außer den unter Slawischer Sprache angeführten allgemeinen Schriften, noch I. Z. Frisch, Historia dialecti venedicae meridionalis, Berl 1729; Megiseri, Dictionarium quatuor lingua rum, videlicet germanicae, latinae, illyricae et italicae, Graz 1592, u. Aufl. Klagenfurt 1744: Marcus, Das kleine Wörterbuch in drei Sprachen (Krainisch-Deutsch-Lateinisch), Laib. 1781; Derselbe Glossarium slavicum in supplementum ad primam partem Dictionarii carniolici, Wien 1792; Gutsmann, Deutsch-Windisches Wörterbuch, Klagenf. 1789; Jarnik, Versuch eines Etymologikons der Slowenischen Mundart in Innerösterreich, Klagenf. 1832; Murko, Deutsch-Slowenisches u. Slowenisch-Deutsches Wörterbuch, Grätz 1833; Kleines Wörterbuch der Slowenischen u. Deutschen Sprache, Laibach 1834; Janezitsch, Popolni rocni slovensko-nemski in nemsko-slovenski slovar, Klagenf. 1850, 2 Thle. Grammatiken verfaßten: Bohorizh, Arcticae horulae succisivae de latino-carniolana literatura, Wittenb. 1584: Hippolytus, Gramm. lat.- germ.-slavonica, Laib. 1715; Windisches Sprachbuch (mit Deutsch-Windisch-Welschem Wörterbuch), Klagenf. 1758; S. Antonio Pad. Marcus, Kraynaka grammatica, Laib. 1768, 2. Aufl. ebd. 1783; Gutsmann, Windische Sprachlehre, Klagenf. 1777, 2. Ausg. Cilly 1786; Sellenko, Slovenska grammatika, Cilly 1791; Kopitar, Grammatik der slawischen Sprache in Krain, Kärnten u. Steyermark, Laib. 1808; v. Weissenthurn, Saggio grammaticale italiano-cragnolano, Triest 1811; Vodnik, Pismenost ali grammatika sa perve shole, Laib. 1811; Schmigoz, Windische Sprachlehre, Grätz 1812; Dainko, Lehrbuch der Windtschen Sprache[216] ebd. 1824; Metelko, Lehrgebäude der Slowenischen Sprache, Laib. 1825; Gutsmann, Windische Sprachlehre, Klagenf. 1829; Murko, Grammatik der Slowenischen Sprache, Grätz 1832, 2. Aufl. ebd. 1843; Janezitsch, Praktischer Unterricht in der slowenischen Sprache für Deutsche, Klagenf. 1845; 3. Aufl. ebd. 1854; Derselbe, Slovenska Slovnica etc. za Slovence, ebd. 1654; Navratil, Kurze Sprachlehre der Slowenischen Sprache, Laib. 1851; Potoschnik, Grammatik der slowenischen Sprache, ebd. 1852; Miklositsch, Radices linguae slovenicae vet. dialecti, Lpz. 1845; Ders., Formenlehre der altslowenischen Sprache, 2. Aufl. Wien 1854; Derselbe, Altslowenisches Lesebuch, Wien 1855 ff. Außerdem erschienen, bes. seit 1848, eine Menge Erbauungs- u. Unterhaltungsschriften, vorzüglich für die Jugend. Davon bestand ein großer Theil allerdings in Übersetzungen deutscher, französischer, englischer u. italienischer, auch böhmischer, polnischer, illyrischer u. russischer Jugendschriften; die meisten waren indeß Originalwerke, deren Zahl in den letzten Jahren bedeutend angewachsen ist. Slowenische Gedichte gaben heraus Haschnik (Laib. 1853); Razlag, Zvezdice (d.i. Sterne), Grätz 1851; Miroslaw Vilhar, Lieder mit Melodien, Laib. 1850, u. Neue Sammlung Lieder, ebd. 1852; Toman, Glasi domorodni (d.i. Heimathklänge), Laib. 1849; Prescher Malavaschitsch, Potoschnik, Kraner u.a.m.; Koséski übersetzte Schillers Glocke ins Slowenische Stoffe; aus der Geschichte u. Heldensage bearbeitete Josefine Turnogradska, deren Schrift Boris, der erste christliche Zar von Bulgarien, 1852 auch zu Constantinopel in Bulgarischer Sprache erschien. Slowenische Schauspiele schrieb Prescher, der größte aller slowenischen Dichter, dessen patriotisches Drama, Jamska Ivanka (Laib 1850) ungemeinen Anklang fand. Über die Laibacher Nationalbühne gingen auch die Dramen Juran u. Sofia u. Stefan Schubitsch, welche aus dem Illyrischen übersetzt wurden u. im Druck zu Laibach 1850 erschienen. Das Druztvo sv. Mohora (Verein des heil. Hermagoras), welches sich neuerlich zu einer Matica slovenska umgestaltet hat, wirkt seinerseits viel für die Herausgabe guter Volksschriften u. überhaupt zur Hebung der Landesliteratur. Dieser Verein hat zahlreiche Volksschriften herausgegeben, auch eine Herausgabe der slowenischen Nationa Uieder angeregt, welche Janezitsch unter dem Titel: Slovenske narodne pesme (Blüthen des slowenischen Volkes), Klagenfurt 1852, besorgte, wobei auch die Volkssprichwörter Berücksichtigung fanden. Andere Sammlungen der Art sind: Gerlica (slowenische Lieder mit Melodien), Laib. 1852, 4 Hefte; Slovencov národna pesem (Der Slowenen Nationallied) u. Pesem slovenske straze (Lied der slowenischen Nationalgarde), Laibach 1848. Die wichtigsten der slowenischen Zeitschriften sind: Novice, eine landwirthschaftliche u. politische Zeitschrift, begründet 1848 zu Laibach durch Bleiweis, welcher auch den ersten Koledareek slovenski (Slowenischer Kalender), Laibach 1851, herausgab, der seither alljährlich erschienen ist u. bereits mehre ähnliche Unternehmungen in Klagenfurt, Cilly, Görz etc. veranlaßt hat; Pravi slovenc, eine slowenische Zeitschrift für die Jugend, begründet durch den Dichter Malavasitsch, Laib. 1848 ff.; Slovenija, eine politische Zeitschrift, begründet durch Matth. Cigalle, Laib. 1848 ff.; Slovenske novine, eine durch Professor Konschek in Cilly begründete, 1849 erloschene Zeitschrift; Vedez, Zeitschrift für die slowenische Schuljugend, begründet durch Navratil 1848 zu Laibach; Solski prijatel, ein Wochenblatt für das slowenische Schulwesen, Klagenfurt 1853 ff.; Zgodnja danica (Der Morgenstern), ein katholisches Kirchenblatt, von Pogatschar, Laib. 1848 ff.; Zora (Die Morgenröthe), ein slowenischer Almanach von Razlag u. Vinkovitsch, Agram 1851 ff.; Slovenska bcela (Die slowenische Biene), belletristisches Wochenblatt, durch Drobnitsch in Cilly 1850 begründet, u. Slovens ka bcela, von Janezitsch zu Klagenfurt seit 1849 herausgegeben, an dessen Stelle vom 1. Juli 1853 ab der Glasnik slovenskega slovstva, ein belletristisches slowenisches Jahrbuch trat, ebenfalls unter Janezitsch's Leitung; die Droblince za novo leto (Kleinigkeiten zum neuen Jahr), eine Art Kalender, seit 1848 zu Cilly erscheinend, u. die Novice kmetijskih, rokodelskih in narodskih recSlowenen (Neuigkeiten landwirthschaftlichen, gewerblichen u. nationalen Inhalts) Laibach 1843 ff. durch Bleiweis begründet.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 216-217.
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