Studiren

1. Das kommt vom Studiren, antwortete der Abt, als ihn der Hofnarr nach der Ursache seiner rothen Nase fragte.Klosterspiegel, 69, 13. »Ein Grobschmied sass in guter, Ruh«


2. Der allzeit studirt im Buch Biber(e), wird nimmer Doctor, glaubet mir.Zinkgref, IV, 380.


3. Der hat genug studirt, der sich selbst kennt. Petri, II, 92; Henisch, 1560, 49.


4. Die etwas studiren, werden gepriesen.

Bei Tunnicius (506): De wat studeren, wêrden gepryst alle tyt. (Navantes operam studiis laudantur ab omni.)


5. Es heist auch studirt, wenn man das Gelt auff Schulen verthan.Lehmann, 454, 16; Sailer, 210; Simrock, 9994.


6. Es lesst sich nicht zugleich studiren vnd pflügen.Sarcerius, 329.


7. Es studiren nicht alle, die Bücher tragen.Richard, 394.


8. Es studiren nicht alle, die nach Jena gehen. Sprichwörtergarten, 95.

Nicht jeder, dem Gelegenheit zur Bildung geworden ist, benutzt sie auch weise.


9. Es studiren viele und werden nicht weise.

Daher sagt man in Moskau sehr richtig: Es ist nicht jeder Studirter ein Weiser. (Altmann V, 112.)


[933] 10. Im studiren vnd lernen steckt viel Rauch. Lehmann, 455, 21; Sailer, 289.

Marktschreierei bildet nicht.

Lat.: Multus cos malitia fuit doctrina. (Lehmann, 455, 21.)


11. Ja, ja, se hew, se hewwet wol ehr Noth mit 't studêren, sä de Bûr tum Pastor; denn dat seh ick an mîn Ossen, dat Kopparbeit 'ne sware Arbeit is.Peik, 25.


12. Je länger studirt, je kürzer die Predigt.


13. Lange studirt haben macht nicht desto klüger.

Lat.: Serica non reddit numerosa pecunia saccum. (Sutor, 735.)


14. Lange studirt und doch geirrt.

Wenn jemand eine Sache sehr lange einstudirt hat und dann doch einen Schnitzer macht, so sagt eine jüdisch-deutsche Redensart: Muwij, muwij, mukij. Ein Abschnitt im Talmud (Erewînz) fängt mit dem Worte »muwij« an. Der Schüler quält sich nun die ganze Woche mit diesem Abschnitt ab, um beim Abhören am Sonnabend schlagfertig zu sein; aber im entscheidenden Augenblick der Prüfung verwechselt er das w im Worte »muwij« mit dem ähnlichen k (? und ?) und spricht es muckij aus.


15. Man muss studiren, als wollte man ewig leben, und leben, als sollte man heute sterben.Einfälle, 14.


16. Mancher studirt lieber im Becher als in Büchern.

Lat.: Plus student in calicibus, quam in codicibus. (Binder II, 2602; Novarin, 400.)


17. Niemand studirt etwas, als der es nicht weiss.Lehmann, 458, 33.

Lat.: Lectio tecta placet, decies repetita placebit. (Luther, 401.)


18. Studieren hat kein end, vnd ist niemands gelehrt genug.Lehmann, 460, 84.


19. Studieren macht Narren.Lehmann, 458, 63; Petri, III, 11.

»Dann studeo, studui stultum bringts mit sich. Sapientis non est in literis.«


20. Studir nur, wer studiren kan, Heiligthum ist ein gelehrter Mann.Petri, II, 543.


21. Studiren ist irren, wenn nicht dabei ist das Psalliren.Parömiakon, 1186.


22. Studiren kostet Geld.

Lat.: Solvere oportet mercedem haud parvam doctoribus. (Binder II, 3179; Palingen, II, 296.)


23. Studiren kostet Geld und Zeit und macht nicht immer weise Leut'.


24. Studiren macht gelehrt, aber nicht fromm und weise.


25. Studiren ohne Buch und Schneidern ohne Tuch nützt wenig genug.

Lat.: Haurit aquam cribro, qui discere vult sine libro. (Binder II, 1288; Philippi, I, 174; Egeria, 90; Schreger, 54.)


26. Studiren und Regieren will den ganzen Menschen allein haben.


27. Viel Studiren macht den Leib müde.


28. Viel Studiren macht Narren, man muss auch das Trinken nicht sparen, sagte der Student, als er in vier Wochen ein Colleg gehört hatte.

Holl.: Studie met maten zal de jongheid baten. (Harrebomée, II, 317b.)


29. Viel studirt hat oft irre geführt.


30. Was halb studirt, wirdt halb gelehrt.Henisch, 1458, 58.


31. Wenn du studirest fein, so issestu Hüner vnnd trinckest Wein; lernest du nichts denn übel, so must du mit den Säwen essen aussm Kübel.Lehmann, 454, 8; Eiselein, 583.

Lat.: E gregios comulare libros praeclara suppelex, ast unum utilius volvere saepe librum. (Chaos, 813.)


32. Wenn du studirest wohl, wirst du gebratner Hühner voll.


33. Wer fleissig will studiren, darf nicht amo conjugiren.

Frz.: Honz en aprenant desaprent quant il cet qu'amours le surprent. (Leroux, I, 163.)


34. Wer stets studirt, der lernt etwas.Petri, II, 768.

Die Dänen sagen: Wer studirt hat, sieht doppelt: De see dobbelt, som have studeret. (Prov. dan., 494.) Weil die Chinesen sich für das gebildetste Volk halten, sagen sie: sie selbst hätten zwei Augen, die Europäer [934] eins und die übrigen Völker gar keins. Bei Tunnicius (369): De stede studêrt, de lêrt wat. (Continuans studium fructum conquirit et artes.)

Lat.: Instantia est mater doctrinae. (Seybold, 250.)


35. Wer studieret im Buch bibere, der wird nicht Doctor, glaube mère.Gruter, III, 111; Lehmann, II, 878, 251.


36. Wer studiret, der thut's, dass er viel wisse, nicht, dass er fromm sey.Lehmann, 457, 56.


37. Wer übel studirt, die Zeit verliert, das Geld verzehrt und ist wenig gelehrt.

Lat.: In studio tria damna luo, si non bene disco, nummos consumo, modicum scio, tempora do. (Loci comm., 49.)


38. Wer viel studiret zwar, ist aber roh in Sitten, der ist mehr rück- als vorgeschritten.

Lat.: Qui proficit in literis et deficit in moribus, plus deficit quam proficit. (Seybold, 495.)

39. Wer vil studirt im buch bibere, dem kompt ein bettler vnd narr zu hauss.Petri, II, 773; Henisch, 550, 1.

Lat.: Qui multum bibit, is miser ac Idiota redibit. (Sutor, 251.)


40. Wer zu viel (d.i. verkehrt) studirt, ein Phantast wird.Simrock, 9995.

Holl.: Diepe studie baat niet, de jaaren weten meen dan de boeken. (Harrebomée, II, 117b.)

Lat.: Qui studet assiduo motu fit stultus et amen. (Eiselein, 582.)


41. Wie einer studirt in der bibel, so kricht sin Hûs ein gibel.Ebstorf, 4.


42. Wol studiren thut auss armut führen.Henisch, 1284, 13.


43. Zu viel studiren macht zum Narren.

It.: Il troppo studio fa impazzire.


44. Zum studieren gehört ein guter Kopff, ein guter Lehrer vnd gute Arbeit.Petri, II, 826.


*45. Das Studiren kommt ihm nicht sauer an. Seybold, 328.


*46. Das Studiren stinket ihn an.Chaos, 826.


*47. Dem schadet das Studiren so wenig als dem Salamander das Feuer.


*48. E hôt studirt än den Halvelûgner Weyden. (Siebenbürg.-sächs.) – Frommann, V, 324, 234.

In den halvelegner Weiden. Halvelegen ist ein Dorf im Kreise Hermannstadt. (S. Pespern.)


*49. Er hat Simplicium leges ferme conjuncta sequatur studirt.Eiselein, 568.


*50. Er hat studirt bis an den Hals, doch ist er dran erstickt.


*51. Er hat studirt bis an den Hals, in den Kopf (ins Hirn) ist nichts gekommen.Mayer, II, 27.

Frz.: Jean à étudie pour être bête. (Bohn I, 28.)

Lat.: Multa plura nescit homo, quam soit.


*52. Er hat studirt wie ein Edelmann.Kiesewetter, 17.


*53. Er sticht das studiren durch den Bauch. Herberger, Hertzpostille, II, 436.


*54. Er studirt.

Lat.: Ad Aristophanes lucernam locubrare. – Ad Cleanthis lucernam sedere. (Seybold, 6.)


*55. Er studirt auf a Moss (Todter). (Jüd.-deutsch. Brody.)

Um zu sagen: Er ist ein Candidat des Todes.


*56. Er studirt das Blaue vom Himmel herunter.Mayer, II, 27; Braun, I, 4338.


*57. Es studirt, dass er feist wird.


*58. Er studirt, dass ihm der Kopf raucht. (Ostpreuss.)


*59. Er studirt, dass ihm möchte der Kopf zerspringen.Mayer, I, 122.


*60. Er studirt in der Weinkanne.


*61. Er studirt lieber bei Bier und Rum als im Collegium.

Lat.: Discum, quam philosophum audire malunt. (Cicero.) (Binder I, 344; II, 805; Erasm., 201; Philippi, II, 122; Seybold, 130; Henisch, 372, 47.)


*62. Er studirt lieber in der birkanten, dann in den büchern.Henisch, 372, 46.


*63. Er studirt mehr bei Nacht, als dass er bei der Kanne wacht.

Lat.: Plus olei quam vini sumere. (Seybold, 447.)


*64. Er studirt sich zum Narren.

Frz.: Il s'abîme dans les études. (Kritzinger, 3b.)


[935] *65. Er studirt so fleissig wie die Mönche im Kloster Septimo.

Das Kloster Septimo liegt zwischen Florenz und den Apenninen, am Wege nach Bologna. Während der Abwesenheit des Vertheidigers des Klosters war die Brücke nach demselben gänzlich verfallen. Als der letztere wieder einziehen wollte, holten die Mönche nicht etwa Balken und Breter, sondern die grossen Pergamentbände aus der Bibliothek und bauten einen Damm über den morastigen Graben. Nach Nic. Bacetius (Septimana historia, Rom 1724, S. 11) soll damals noch der Schmuz an den Bänden zu sehen gewesen sein, zum Beweis, wie eifrig die Wissenschaften in den Klöstern gepflegt worden sind.


*66. Er taugt zum Studiren, wie ein krumbe Sichl in ein Messerscheid.

Lat.: Nil lumen, si deficit umbra. (Chaos, 815.)


*67. Im Studiren hat er ein Haar gefunden. Chaos, 826.


[Zusätze und Ergänzungen]

68. Besser zu tod studirt, als gefressen, gesoffen und hofirt, oder geschunden, geschabt und die leüt fexirt.Monatsblätter, VI, 189, 14.


69. Durch Studiren kommt man zum Regieren.

»Per angusta ad augusta! durch Schwitzen und nicht durch Sitzen, durch Strapezieren und nicht durch Spazieren, durch Wagen und nicht durch Lagen, durch Fasten und nicht durch Rasten kommt man über sich.« (Heinmar, II, 41.)


70. Jeder studirt, was ihm convenirt.

Hebräisch: »Es erforsche der Mensch den Lehrer, an dem sein Herz Wohlgefallen hat.« (Löwenheim, 13.)


71. Man studirt auf drei verschiedene Weisen: wie die Ameisen, die zusammentragen, ohn jemand zu nützen; wie die Spinnen, die von sich Unnützes erfinden; wie die Bienen, die Honig und Wachs zum Nutzen machen. Harssdörffer, 2586.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876.
Lizenz:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Anonym

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Das chinesische Lebensbuch über das Geheimnis der Goldenen Blüte wird seit dem achten Jahrhundert mündlich überliefert. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Richard Wilhelm.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon