Amsterdam

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[73] Amsterdam, die größte Stadt Hollands, liegt am Y (Ei), dem Busen der Zuydersee, auf sehr sumpfigem Boden, sodaß der größte Theil der Häuser auf eingerammten Pfählen erbaut ist und gutes Trinkwasser gänzlich fehlt; sie hat die Gestalt eines halben Mondes, dessen beide Hörner das Y umschließen, ist von mehren Basteien und einem breiten Kanale umgeben, wird durch die Amstel in zwei Theile, die alte und neue Seite, getheilt, die durch eine 660 F. lange, auf 36 Pfeilern ruhende Brücke verbunden sind, und von einer Menge untereinander in Verbindung stehender Kanäle, über welche 290 theils steinerne, theils hölzerne Brücken führen, durchschnitten.

Obschon das Wasser der Kanäle durch Mühlen in einiger Bewegung gehalten wird und sie fortwährend sorgfältig gereinigt werden, so ist dennoch ihre Ausdünstung der Gesundheit schädlich. Die 26,400 Häuser der Stadt sind, mit wenigen Ausnahmen, einförmig und einfach von Backsteinen erbaut; die Straßen und Fußwege gut gepflastert und nach holländ. Weise äußerst reinlich gehalten. und die Kaien (Grachten) und einige öffentliche Plätze mit Bäumen bepflanzt. Die vorzüglichsten Straßen sind die [73] Herren-, Kaiser-und Prinzengracht, welche alle drei, mit schönen Gebäuden besetzt, den Umfang der Stadt in drei gleichlaufenden Bogen umschreiben und über eine Stunde lang sind. In der Warmoe- und Kalverstraße, dem Nieuwen Dyk, in der Neß- und den anstoßenden Straßen und Grachten ist der lebhafteste Verkehr, und die Ridderstraße war einst das Quartier der so gefürchteten Seelenverkäufer, welche Soldaten für den Seedienst warben. Das merkwürdigste Gebäude A.'s ist das ehemalige, hier dargestellte Rath- oder Stadthaus, welches während der franz. Herrschaft zum kön. Palast eingerichtet wurde, ein schönes Werk der neuern Baukunst, im 17. Jahrh. durch Joh. van Kampen aufgeführt. Seinen Grund bilden 13,659 mächtige Pfähle; es ist von Quadersteinen erbaut, 282 F. lang, 235 F. breit, mit einem 157 F. hohen Thurme versehen und auf dem Fronton mit schönen allegorischen Bildwerken geziert. In demselben befinden sich ausgezeichnete Gemälde niederländ. Künstler und die prächtigsten und reichverziertesten Gemächer; in einem Theile der Keller aber werden die Gelder der Bank aufbewahrt. Nicht minder ausgezeichnete Gebäude sind: der Prinzenhof, jetzt das Stadthaus, das Haus der indischen Compagnie, das Admiralitätsgebäude nebst Arsenal und Staatsschiffswerfte, in dessen Sitzungssaale eine Menge eroberter Fahnen und Flaggen und das Bild des berühmten Admirals Ruyter prangen; ferner die Seeschule, das sogenannte Trippenhaus mit einer Galerie der ausgezeichnetsten Gemälde, und das der Privatgesellschaft »Felix meritis« gehörende Haus. Unter den 45 Kirchen sind die alte Kirche, mit schönen Glasgemälden, die Westkirche, die neue Kirche, insgesammt mit vielen Denkmälern, die letztere namentlich mit dem des vor Antwerpen sich heldenmüthig aufopfernden van Speyk, die neue lutherische Kirche und die Synagoge der portug. Juden die merkwürdigsten. Der Hafen oder das Y kann über 1000 Schiffe fassen; doch mußten die großen und schweren Schiffe ehemals wegen der Sandbänke vor demselben ankern oder einen Theil ihrer Ladung löschen, während sie jetzt durch den Kanal von Nordholland bis vor die Stadt kommen können. A. zählt gegenwärtig gegen 230,000 Einw., darunter etwa 50,000 Katholiken mit einem Bischof und 21 Kirchen, 25,000 Protestanten, 2000 Wiedertäufer, 800 Remonstranten, 20,000 deutsche und 2500 portug. Juden; die Mehrzahl aber bekennt sich zur reformirten Kirche. Alle leben in friedlicher Duldung nebeneinander, nachdem seit 1811 auch die Juden, welche ein eignes Stadtviertel bewohnen, aller bürgerlichen Rechte theilhaftig geworden sind. Zur Zeit der Blüte der holländ. Seemacht war A. der Haupthandelsplatz Europas und obgleich seit fast einem Jahrhundert sein Verkehr immer mehr gesunken ist [74] so bildet doch gegenwärtig noch der Handel den wichtigsten Erwerbszweig der Stadt, der insbesondere auch durch die Börse, ein prächtiges, mit einem Säulengange umgebenes, hier dargestelltes Gebäude, sowie durch andere Anstalten unterstützt wird. Unter den Fabriken und Manufacturen sind die Zuckersiedereien, die Tabacksfabriken, die vielen und verschiedenen chemischen Fabriken, sowie der Schiffsbau und die Diamantschleifereien von hoher Bedeutung. Wenige Städte sind so reich an wissenschaftlichen und gemeinnützigen Vereinen und an wohlthätigen Anstalten; unter den erstern sind das kön. Institut und die »Gesellschaft zum allgemeinen Nutzen« die wichtigsten; unter den letztern muß neben den zahlreichen Spitälern und den sechs Waisenhäusern, das Findelhaus erwähnt werden, welches 1000 Kinder aufnimmt und 3000 andere auf dem Lande versorgt. Unter den Anstalten zum Vergnügen sind ein deutsches, ein holländ. und ein franz. Theater zu nennen. Der Ursprung A.'s fällt ins 12. Jahrh., und schon im 14. wurde es durch seinen Handel wichtig. Seit dieser Zeit stets in Zunahme, ward die Blüte der Stadt vorzüglich durch Antwerpens Fall und die Scheldesperre befördert. Seit der Mitte des 18. Jahrh. aber sank ihr Verkehr und ihr Reichthum; während der franz. Occupation litt A. außerordentlich und in der neuesten Zeit erhielt es an Antwerpen, da die Scheldeschiffahrt wieder frei ist, eine gefährliche Nebenbuhlerin. A.'s Umgegend ist flach, aber durch eine Menge schöner Gärten und Landhäuser und durch Baumgänge verschönert. Einige Stunden von der Stadt liegen das durch seine Reinlichkeit allgemein bekannte Dorf Broek, und Zaandam, wo viele Schiffswerfte sind und Peter der Große sich in der Schiffsbaukunst unterrichten ließ. Die einfache, hier dargestellte Hütte, welche er daselbst bewohnte, ist noch gegenwärtig [75] vorhanden und durch einen Überbau gegen den Einsturz gesichert worden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 73-76.
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