Eon de Beaumont

[671] Eon de Beaumont (Charles Geneviève Louise Auguste André Timothée d'), gewöhnlich Chevalier oder Ritter d'Eon genannt, geb. 1728 zu Tonnerre in Champagne, ist durch die ausgezeichneten Dienste, welche er dem franz. Hofe als Diplomat leistete, noch mehr aber durch die Ungewißheit, welche bis an seinen Tod über sein Geschlecht herrschte, berühmt geworden. Den wahrscheinlichsten Nachrichten zufolge war er der Sohn eines franz. Parlamentsadvocaten, studirte die Rechte, Politik und schöne Wissenschaften und lenkte durch einige staatswissenschaftliche Schriften die Blicke des Prinzen von Conti auf sich, der ihn Ludwig XV. zu einer geheimen Sendung nach Rußland vorschlug. E. ging unter dem Charakter eines Fechtmeisters für den künftigen Zar Peter III. nach Petersburg, vermittelte dort fünf Jahre lang den geheimen Briefwechsel Ludwig XV. mit der Kaiserin Elisabeth Petrowna, deren Wohlwollen, sowie das des Großfürsten er gewann, und brachte ein Bündniß zwischen Frankreich und Rußland zu Stande, wodurch das letztere sich von England und Preußen lossagte und auf die Seite von Östreich und Frankreich trat. Indem E. dazu beitrug, daß der für Frankreich eingenommene Graf Woronzoff Großkanzler von Rußland wurde, sicherte er die Dauer der Frankreich günstigen Richtung der russ. Politik, diente nach seiner Rückkehr als Dragonercapitain während des siebenjährigen Krieges mit so viel Auszeichnung, als die Umstände erlaubten und begleitete nach dem Frieden den Herzog von Nivernois als Gesandtschaftssecretair nach London. Hier verschaffte er dem franz. Hofe Abschriften sehr wichtiger geheimer Papiere des engl. Cabinets, wurde nach des Herzogs Rückkehr bevollmächtigter Minister und hatte das Ritterkreuz des Ludwigsordens erhalten, mit dem ein ansehnlicher Jahrgehalt verbunden war. Obgleich er aber Ludwig XV. persönliches Vertrauen besaß, gelang es seinen Neidern doch, ihn zu stürzen; man bürdete ihm die Fehler Anderer auf und so erfolgte seine Entlassung; der König ließ ihm aber fernerhin ein Jahrgeld von 1200 Livres auszahlen. E. lebte in England und wies alle Einladungen zur Rückkehr nach Frankreich ab, wenn vorher nicht seine volle Unschuld öffentlich anerkannt würde, bis er 1777 doch der Auffoderung des Ministers Vergennes folgte und nach Versailles kam, hier aber von Ludwig XVI. den Befehl erhielt, künftig Frauenkleider zu tragen. Dies verwickelte ihn in viele Streitigkeiten und er wendete sich daher 1783 wieder nach London, kam jedoch nach Ausbruch der Revolution 1792 abermals nach Paris und bot dem Vaterlande seine Dienste an. Da man ihn aber nicht mit seinem [671] frühern Range anstellen wollte, ging er wieder nach England, ward nun auf die Liste der Emigranten gesetzt, verlor daher sein bisher bezogenes Jahrgeld und vermochte, bei Kränklichkeit und hohem Alter, durch Ertheilung von Fechtunterricht der Dürftigkeit nicht zu entgehen. Auf die Unterstützung großmüthiger Freunde beschränkt, starb E. 1810 zu London und ärztliche Besichtigung löste alle Zweifel über sein Geschlecht, welche seine Bartlosigkeit noch erhalten hatte; die Ursachen zu seiner Verkleidung sind aber nie bekannt geworden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 671-672.
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