Erzlagerstätten

[509] Erzlagerstätten, natürliche Anhäufungen von Erzen und andern Gesteinen.

Man unterscheidet nach Gestalt, Form und Lagerung hauptsächlich drei Arten, nämlich: Gänge, Lager und Stöcke. Ein Erzgang ist eine mit Erzen oder erzartigen Mineralgemengen ausgefüllte Gesteinsspalte, also seiner Gestalt nach plattenförmig. Er setzt meist quer durch die Gesteinsschichten hindurch (Quergänge). Ist dies nicht der Fall, sondern folgt der Gang der Schichtung, so heißt er liegender oder Lagergang. Ein Gang, der an der Grenze zwischen zwei Gesteinsarten auftritt, heißt Kontaktgang. Kluft ist eine leere oder nur unvollständig erfüllte Spalte und wird, wenn erzführend, als Erzkluft bezeichnet, wenn sie dagegen zerfetzte oder zerriebene, tonige Gesteinsmassen enthält, als Lettenkluft oder Lettengang. Ein Erzgang entsteht durch Bildung einer Spalte im Gestein und ihre nachherige Ausfüllung mit Erz oder mit erzhaltigem Mineralgemenge. Näheres hierüber unter Gang. – Erzlager ist eine der Gesteinsschichtung parallele oder auch der Erdoberfläche aufgelagerte, ebenfalls plattenförmige Lagerstätte, die aber keine nachträgliche Spaltenausfüllung darstellt, sondern später als ihre Unterlage (Sohle oder Liegendes) und früher als ihre Ueberlage (Dach oder Hangendes) gebildet ist. Lager nutzbarer Mineralien von großer Erstreckung und gleichem Aushalten wie die auf- und unterlagernden Schichten heißen Flöze. Sind Erze zonenweise in einem Gesteinsverband verteilt, so spricht man von Erzzonen, und wenn sich nachweisen läßt, daß solche Erze durch nachträgliche Eintränkung in das Gestein gelangt sind, von Imprägnationszonen. Zu den Erzzonen sind diejenigen Erzlagerstätten zu rechnen, die man in Norwegen als Fahlbänder (Fallbänder) bezeichnet. Sie gehören dem kristallinen Schiefergebirge an und sind Schieferschichten, in denen sich Eisen-, Magnet-, Kupferkies, Zinkblende und Bleiglanz eingesprengt vorfinden. Ein der Erdoberfläche aufgelagertes, aus losen Gesteinstrümmern (Geschiebe, Gerölle, Sand) bestehendes Lager heißt Seifenlager oder kurzweg Seife, und man spricht z.B. von Goldseifen oder Platinseifen, wenn der nutzbare Gehalt solcher Seifenlager in gediegenem Gold oder in Platinerz besteht. Ihrer Entstehungsweise nach sind die Erzlager stets, was die Hauptgesteinsmasse anbetrifft, mechanische oder chemische Absätze aus Wasser. Doch kann der Erzgehalt auch ganz oder teilweise erst nachträglich in die Gesteinsschicht hineingelangt[509] sein durch chemische Umwandlung oder Metamorphismus (metamorphische Lager) oder durch Eintränkung poröser Gesteinsmassen (Imprägnationslager). – Erzstock heißt eine solche Erzlagerstätte, die nicht plattenförmig, d.h. nicht von zwei annähernd ebenen und parallelen Flächen begrenzt ist, sondern entweder linsenförmige oder rundliche oder ganz unregelmäßige Gestalt besitzt. Liegt die Haupterstreckung eines Stockes parallel der Gesteinsschichtung, so wird er als liegender Stock oder Lagerstock bezeichnet; ist er dagegen von der Schichtung unabhängig und dabei aufgerichtet, als stehender Stock oder Gangstock. Stockwerk heißt ein solcher Stock, dessen Gehalt an nutzbarem Mineral nicht in der Gesteinsmasse verteilt, sondern hauptsächlich in zahlreichen, den Stock durchsetzenden und oft einander schneidenden kleinen Gängen und Blättern enthalten ist. Rinner oder Läufe sind lang ausgezogene Stöcke von der Gestalt eines liegenden Zylinders; Butzen kleine Stöcke von höchstens 5 m Durchmesser; Nester, Nieren noch kleinere Erzanhäufungen von weniger als 1 m Durchmesser. Stockförmige Lagerstätten können auf zweierlei Weise entliehen: 1. durch Bildung von Hohlräumen infolge von inneren Gesteinsbewegungen oder von Auswaschung oder Auflösung von Gesteinsmasse und durch nachherige Ausfüllung solcher Hohlräume; 2. durch Eintränkung (Imprägnationsstöcke), die von durchsetzenden Spalten ausgehen kann (Gangstöcke) oder von Schichtungsfugen (Lagerstöcke). Die Porosität des Gesteins, die Vorbedingung der Imprägnation ist, kann eine ursprüngliche oder durch chemische Auslaugung oder chemische Umwandlung (metamorphische Stöcke) nachträglich entstanden sein. Ein und derselbe Erzstock kann teilweise durch Hohlraumfüllung, teilweise durch Eintränkung entstandene sein. – Für alle beschriebenen Arten von Erzlagerstätten, wie auch von Lagerstätten nutzbarer Mineralien überhaupt, gelten folgende Ausdrücke: Streichen = Richtung der längsten Horizontalerstreckung einer Erzlagerstätte, gemessen durch den Winkel (Streichwinkel), den eine in der Haupterstreckungsebene gezogene Horizontallinie mit dem Meridian bildet. Fallen = Neigung der Haupterstreckungsebene einer Erzlagerstätte gegen die Horizontalebene, gemessen durch den Winkel (Fallwinkel), den eine in der Haupterstreckungsebene rechtwinklig zur Streichrichtung gezogene Gerade mit der Horizontalebene bildet. Die untere Grenzfläche einer Erzlagerstätte heißt Liegendes oder Sohle, die obere Hangendes oder Dach. Ausbeißen oder Ausgehen ist das Heraufreichen einer Erzlagerstätte bis an die Erdoberfläche, und der die Erdoberfläche berührende Teil der Erzlagerstätte heißt der Ausbiß oder das Ausgehende derselben. Mächtigkeit = Dicke einer Erzlagerstätte. Auftun: eine Erzlagerstätte »tut sich auf«, wenn sie in einer bestimmten Richtung mächtiger wird; das Gegenteil davon ist Verdrückung, d.h. Verminderung der Mächtigkeit. Auskeilen = vollständige Verdrückung und damit Endigung einer Erzlagerstätte. Verwerfung = Verschiebung der einzelnen Teile einer von Spalten durchsetzten Erzlagerstätte gegeneinander; näheres unter Verwerfung. Das eine Erzlagerstätte unmittelbar umgebende oder berührende Gestein ist ihr Nebengestein; bei horizontalen oder schwach geneigten Erzlagerstätten heißt das unter der Erzlagerstätte liegende Nebengestein auch Sohlgestein, das darüberliegende Dachgestein. Der Inhalt einer Erzlagerstätte kann ganz aus Erz bestehen oder aus Erz vermengt mit erzfreien Mineralaggregaten, die im Gegensatz zum Erz als Gangarten bezeichnet werden. Die Gangart einer Erzlagerstätte kann sein z.B. eine kieselige (Quarz), spätige (Kalk-, Bitter-, Eisenspat), kiesige (Eisenkies). Finden sich Erz und Gangart nicht innig vermengt, sondern in größeren Partien abgesondert, so nennt man die erzhaltigen Partien Erzmittel, die erzfreien oder »unhaltigen« Partien taube Mittel oder Zwischenmittel. Nach der Art des in einer Erzlagerstätte hauptsächlich enthaltenen Metalles unterscheidet man z.B. Eisen-, Kupfer-, Blei-, Zinn-, Silbererzlagerstätten. Ihrer Entstehung nach werden die Erzlagerstätten unterschieden in

1. Syngenetische, wenn die auftretenden Erze annähernd gleichzeitig mit dem Nebengestein gebildet wurden. Hierher gehören die Erzlager und Erzflöze, wie z.B. der Kupferschiefer in der unteren Zechsteinformation am Harz, in Thüringen, Westfalen, die Knotten- oder Bleierze im Buntsandstein von Mechernich, die Eisenoolithlager im Jura Lothringens, im Silur Böhmens, Thüringens, die Brauneisenerze im Buntsandstein Westdeutschlands, die Eisenoolithe im ältesten Tertiär von Kressenberg in Oberbayern u.a. Nicht alle anscheinend syngenetischen Erzlager sind in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben und streng genommen auch nicht syngenetisch. Mitunter sind die Anreicherungen des Erzes oder Veränderungen desselben durch bald darauf erfolgende chemische Umwandlung oder Umlagerung (Diagenese) des erzhaltigen Gesteins entstanden. Weiter gehören hierher die sogenannten magmatischen Ausscheidungen aus basischen, an schweren Metallen reichen Eruptivgesteinen bei ihrem Erstarren, z.B. von Magnet-, Titan-, Chromeisen, von Eisenkies, Nickelkies, Kupfer, Silber, Gold, Platin in Diabasen, Dioriten, Gabbro, Basalt, Lherzolith, olivinreichen Gesteinen (Peridotiten), Serpentin u.s.w. Die Ausscheidungen sind meist von unregelmäßiger Form, oft schlierig, an der Berührung mit dem Nebengestein besonders häufig.

2. Epigenetische, wenn die Erzausscheidung nach Bildung des Nebengesteins erfolgte, wie das in allen Erzgängen der Fall ist. Die Spalten und Klüfte, die zur Ausfüllung der Erzgänge führen, wurden durch Störungen, Brüche, Stauchungen, Pressungen, Zerreißungen der Nebengesteine und Schichten erzeugt, und in sie wurde, besonders nach Eruptionen von feurigflüssigen Magmen, die erzführende Lösung eingeführt. Aus ihr kristallisierte das Erz neben andern Mineralen aus. Wenn Eruptivgesteine erstarrten, bildeten sich in ihnen auch Risse und Spalten (Schwundrisse) und in sie traten Minerallösungen unter dem Einfluß der die Eruption begleitenden oder ihr noch folgenden Gasausströmungen (pneumatolytische und pneumatohydratogene Vorgänge) ein. Solche Erzgänge in Eruptivgesteinen führen häufig Bor-, Fluorminerale. Es ist klar, daß den Eruptionen folgende Gangausfüllungen auch in den Nebengesteinen der Eruptivgesteine vorkommen (Kontaktgänge). Eine große Zahl von Erzgängen, wie die Goldquarzgänge, die Gänge von Zinnstein, Silbererzen, Quecksilbererzen u.s.w., hängen mit den Begleit- und[510] Folgeerscheinungen vulkanischer Eruptionen zusammen, wie wir sie auch heute noch in heißen, aus der Tiefe aufzeigenden Mineral- und Gasquellen kennen. – Zu den epigenetischen Lagerstätten sind auch die metasomatischen zurechnen, deren Ursprung auf einer Durchtränkung (Imprägnation) der Schichten mit erzführender Lösung beruht. Sie sind in der Regel stock, lager- oder nesterförmig, finden sich oft in Hohlräumen kalkiger, dolomitischer Gesteine und bestehen hier aus Karbonaten des Eisens, Mangans oder Zinks, die an Stelle des früher hier vorhandenen Karbonates (Kalk und Dolomit) getreten sind. Die zugeführten Erze haben sich in der Nähe der zubringenden Klüfte und Spalten angereichert und verlieren sich von hier aus beiderseits im Nebengestein (Blei- und Zinkerze Oberschlesiens). Durch Berührung mit Eruptivgesteinen werden infolge der Wärmewirkung Neukristallisationen in Nebengesteinen erzeugt und in Verbindung mit den erwähnten pneumatolytischen Vorgängen in Erzlagerstätten sogenannte kontaktmetamorphische Lagerstätten zuwege gebracht.

Viele Erzlagerstätten sind späteren Veränderungen in chemischer Beziehung unterworfen worden, je nachdem sie an die Oberfläche traten, Sauerstoff und Wasser aufnahmen oder unter Wasser (Grundwasser) standen, ausgelaugt oder auch von organischen Substanzen beeinflußt wurden. Von diesen nachträglichen Veränderungen der Erzlagerstätten, insbesondere von der Oberfläche nach der Tiefe, hängt ihre gewinnbringende Ausnutzung mitunter in erheblichem Grade ab.

Neben den durch aufsteigende Mineralquellen (Infiltration) entstandenen epigenetischen Lagerstätten werden noch solche unterschieden, die durch Absatz der Erze aus den aus dem Nebengestein flammenden Sickerwässern zustande kamen (Lateralsekretion).


Literatur: Cotta, B. v., Die Lehre von den Erzlagerstätten, 2. Aufl., Freiberg 1859; Grimm, J., Die Lagerstätten der nutzbaren Mineralien, Prag 1869; Groddeck, A. v., Die Lehre von den Lagerstätten der Erze, Leipzig 1879; Fuchs et de Launay, Traité des gîtes mineraux et métallifères, Paris 1893; Beck, R., Lehre von den Erzlagerstätten, 2. Aufl., Berlin 1903; Stelzner-Bergeat, Die Erzlagerstätten, Erste Hälfte: Syngenetische Lagerstätten, Leipzig 1904.

Leppla.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 509-511.
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