Debreczin

[561] Debreczin (spr. débrezin, ungar. Debreczen), königliche Freistadt (mit Munizipalrecht), Sitz des ungar. Komitats Hajdu und Knotenpunkt der Staatsbahnlinien D.-Püspök-Ladány-Budapest, D.-Szatmár, D.-Nyiregyháza, D.-Büd-Szt. Mihály, D.-Léta und D.-Füzes-Abony, liegt in einer weiten Ebene (Debrecziner Heide, s.d.). Einst ein großes Dorf von echt magyarischem Typus und seit jeher der Hauptsitz des Calvinismus, ist D. heute eine Stadt mit modernen Straßenzügen und Promenaden. D. hat fünf Kirchen (darunter die imposante reformierte Hauptkirche und zwei kleinere reformierte Kirchen) sowie ein Franziskaner- und Piaristenkloster. Ansehnliche Gebäude sind das Rathaus, das reformierte Kollegium, das neue Handelsakademie- und das Justizpalais, das prachtvolle Margaretenbad, die Infanteriekaserne etc. Die (1901) 75,006 magyarischen, meist reform. Einwohner treiben Ackerbau und Viehzucht sowie Handel und Gewerbe. Die Landwirtschaft fördert das sehr fruchtbare städtische Gebiet, das 957 qkm umfaßt (vgl. Debrecziner Heide) und einen Wert von 42 Mill. Kronen (netto) repräsentiert. D. betreibt eine große (die Stephans-) Dampfmühle, eine große Zigarrenfabrik (mit 1200 Arbeitern) und Fabriken für Bürsten, Ziegel, Maschinen, Wagen, Zucker, Salami, ein Dampfsägewerk etc., hat eine Handels- und Gewerbekammer, eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank, mehrere Geldinstitute, ein Gestüt und berühmte Viehmärkte (jährlicher Auftrieb 500,000–600,000 Stück Vieh); in industrieller Beziehung sind die Debrecziner Seife, Würste (Salami), Speck, Paprika, Schnürstiefel, Pfeifenköpfe etc. weitverbreitete Handelsartikel. Das reformierte Kollegium in D., die größte reformierte Lehranstalt in Ungarn, besteht aus einer theologischen und Rechtsakademie, einer Lehrerpräparandie und einem Gymnasium und hat eine Bibliothek von 65,000 Bänden sowie ein Museum. Im Park des Kollegiums steht die Erzstatue des ungarischen Dichters Mich. Csokonai (von Izsó) und ein Honvéddenkmal; ferner ist die Denksäule mit den Namen der auf die Galeeren verurteilten Reformierten zu nennen. Außerdem hat D. eine höhere landwirtschaftliche Lehranstalt, eine Oberrealschule, ein kath. Gymnasium (1901 eröffneter Prachtbau) und eine Handelsakademie, ferner ein städtisches Musterspital, Straßenbahnen, ein schönes Theater im maurischen Stil, einen botanischen Garten mit Palmenhaus, Parkanlagen (das große Stadtwäldchen mit Bad, vielen Villen und Vergnügungslokalen) und ist Sitz eines reformierten Bischofs, einer königlichen Gerichtstafel, eines Gerichtshofs, einer Finanzdirektion und eines Tabakeinlösungsamtes. – Der Ursprung der Stadt ist unbekannt. Sie wurde 1241 von den Tataren zerstört, doch wieder aufgebaut und hatte in der Türkenzeit wie später des Glaubens wegen viel zu leiden. 1567 wurde auf der hier gehaltenen Synode das reformierte Glaubensbekenntnis angenommen. Von 1660–92 war die Stadt in Türkenhänden, wurde aber inzwischen von Antonio Caraffa ausgeraubt. Durch den Reichstagsbeschluß von Preßburg 1715 wurde die Stadt, was schon unter Ludwig I. (1360) und Leopold I. (1693) geschehen war, als königliche Freistadt anerkannt. 1849 war D. eine Zeitlang (9. Jan. bis 30. Mai) Sitz des ungarischen Reichstags und der revolutionären Regierung; am 14. März d. I. sprach hier Kossuth in der Großen reformierten Kirche die Unabhängigkeit Ungarns von Österreich aus. Am 2. Aug. 1849 wurde bei D. das Honvédkorps unter Nagy von den Russen besiegt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 561.
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