Dressūr

[201] Dressūr (Tierbändigung), die Unterwerfung, Zähmung und Abrichtung von Tieren für ihre Benutzung als Haustiere oder für öffentliche Schaustellungen. Schon die Orpheus- und Heraklesmythen verherrlichten die Tierbändigung, die tatsächlich im Altertum hervorragende Erfolge aufzuweisen hatte. Orientalische Fürsten liebten es, zahme Löwen und Leoparden an ihrem Thron zu haben, mit ihnen zur Jagd und in die Schlacht zu ziehen. Plinius rühmt einen Karthaginienser Hanno als ersten Löwenbändiger[201] und erzählt, daß Mark Anton nach der Schlacht auf den Pharsalischen Feldern mit der Schauspielerin Cytheris in einem mit Löwen bespannten Wagen gefahren sei. Heliogabal erschreckte seine Tischgäste durch plötzlich in den Saal tretende Löwen, und Seneca wie Martial berichten bereits von Tierbändigern, die ihre Tiger küsten, den Löwen die Hand in den Rachen legten, von Äthiopiern, die Schaustellungen mit knieenden und auf dem Seile gehenden Elefanten gaben. In neuerer Zeit erwarben sich als Tierbändiger Carter, Martin, v. Amburg, Charles, Bidel, der Neger Delmonico Ruf, vor allem Batty, der seinen Löwen das Haupt in den Rachen zu legen pflegte. Auch Damen, wie Fräulein Borelli, Madame Leprince u.a., zeigten die größte Unerschrockenheit, und im Zirkus konnte man die merkwürdigsten Dressurerfolge: Rudel zahmer Wölfe, auf Pferden reitende Löwen etc., bewundern. Über die im Altertum angewendeten Mittel zur Tierbändigung weiß man wenig; es waren wohl dieselben, die man noch heute anwendet, und eine antike Münze zeigt einen Tierbändiger (mansuetarius) gepanzert und mit der Peitsche in der Hand vor einem Bären. Eine genaue Kenntnis der Tierpsychologie spielt bei der Bändigung eine ebenso große Rolle, wie Peitsche und Hunger bei der Tierabrichtung; der Bändiger muß dem Tier beweisen, daß er es an Furchtlosigkeit und Macht weit übertrifft und es völlig in seiner Gewalt hat. Ein fester Blick soll dabei den Bestien gegenüber eine erste Bedingung sein; den Tieren imponierende Drohmittel, wie Feuer, elektrische Schläge, mechanische Fesselungsmittel u. dgl., müssen mithelfen. Dabei spielen auch Kunstgriffe eine Rolle, die sich in gewissen Familien forterben, und gegenwärtig soll die Provinz Piacenza die meisten Tierbändiger liefern. Dorther stammte auch der Tierbändiger Upilio Faimali, der die wildesten Bestien dadurch gezähmt haben soll, daß er ihren Käfig nackt betrat. Die durch Gewalt erzielte Tierbändigung hat übrigens ihre Grenzen, und eine leichte Unvorsichtigkeit oder eine zufällige Aufregung hat schon manchem Tierbändiger das Leben gekostet. Bei in der Gefangenschaft gebornen und jung in D. genommenen Tieren hat die Bändigung keine Schwierigkeiten, und Brehm besaß eine Löwin, die oft mit ih at in demselben Bett schlief (s. auch Schlangenbeschwörer). Eine besondere Ausbildung hat die D. des Hundes und des Pferdes für bestimmte Zwecke erfahren (vgl. Hund, Pferd, Reitkunst, Fahrkunst). Vgl. Mantegazza, Memoiren eines Tierbändigers (deutsch, Leipz. 1880); Hachet-Souplet, Die D. der Tiere (deutsch, das. 1898); A. und G. Ortleb, Die Dressierkunst (Mülheim 1900); Bostock, The training of wild animals (New York 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 201-202.
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