Freiburg [1]

[55] Freiburg, ein Kanton der westlichen Schweiz, gegen N. und O. vom Kanton Bern, gegen S. und SW. vom Kanton Waadt und gegen NW. vom Neuenburger See begrenzt, umfaßt ein Areal von 1675 qkm. Der größere nordwestliche Teil bis zur Linie Châtel St. Denis-Gibloux (1212 m) gehört zu dem aus[55] miocänen Sandsteinen, Mergeln, Konglomeraten und Gletscherschutt aufgebauten Hügelland von 600–900 m, dann folgen die schieferigen Voralpen (les Alpenes 1416 m, Berra 1724 m) um Bulle, hierauf im SO. die kalkigen Freiburger Alpen (s.d.) des Greyerzer Landes mit dem Moléson (2005 m). Fast das ganze Land wird vom System der Saane (s.d.) entwässert, zum kleinern Teil von der Veveyse (s.d.) und Broye (s.d.).

Wappen des Kantons Freiburg.
Wappen des Kantons Freiburg.

1471,5 qkm = 87,87 Proz. der Gesamtfläche sind produktiv (Wald 309,1 qkm, Alpenweiden 341 qkm, beide vorherrschend im SO.; Äcker, Gärten und Wiesen 819 qkm im Flachland, Rebland 2,1 qkm im See- und Broyebezirk). In diesen genannten Gegenden wurden 1900 auf 1,81 qkm 3870 metr. Ztr. Tabak gewonnen (1890. 3,41 qkm). Von den (1900) 128,209 Einw., die vorherrschend dem braunen Typus angehören, sind 84,9 Proz. katholisch; 68,2 Proz. sprechen französisch, 30,2 Proz. deutsch. Mehr als die Hälfte beschäftigt sich mit Gewinnung der Naturprodukte. Der Feldbau liefert fast genug Getreide (Weizen, Roggen) nebst Obst, Gemüse, Zuckerrüben. Viehzucht und Milchwirtschaft nehmen die erste Stelle ein; man zählte 1901: 9276 Pferde, 90,672 Stück Hornvieh (wovon 23,4 Proz. schwarzfleckige Rasse, 67,8 Proz. rotfleckige), 10,104 Schafe, 18,034 Ziegen und 46,140 Schweine. Große Viehmärkte sind in Freiburg und Bulle; hier ist der Hauptstapelplatz der Käse (1901: 4,8 Mill. Frank). Kondensierte Milch wird fabriziert in Düdingen, Epagny (Payerne und Vevey in der benachbarten Waadt); Ertrag der gesamten Milchwirtschaft 1901: 11,44 Mill. Fr. Etwas Strohflechterei wird in Greyerz betrieben. 1901 waren 78 Etablissements mit 2682 Arbeitern dem Fabrikgesetz unterworfen, unterstützt von zahlreichen Elektrizitätswerken. Semsales hat eine Glashütte, der Broye- und Seebezirk etwas Uhrenindustrie; es bestehen über 30 Gerbereien. Der Handel bezieht sich hauptsächlich auf Vieh, Käse, Milch, Holz. Der Kanton zerfällt politisch in sieben Bezirke mit 281 Gemeinden, Einzelsiedelung ist sehr verbreitet; größere geschlossene Orte sind: Freiburg, Murten, Stäffis, Romont, Bulle, Châtel St.-Denis. Zufolge der Verfassung vom 7. Mai 1857 bildet der Kanton F. einen repräsentativdemokratischen Freistaat. Aktivbürger, d. h. stimmfähig in politischen und Wahlversammlungen, sind alle im Kanton wohnenden Kantons- und Schweizer Bürger, sofern sie das 20. Altersjahr zurückgelegt haben und im Vollgenuß ihrer bürgerlichen und politischen Rechte stehen. Die Wahlversammlungen wählen die zuständigen Mitglieder des Großen Rats und des Nationalrats etc. Wahlfähig wird der stimmfähige Kantonsbürger nach vollendetem 25. Lebensjahr. Die Legislative übt der Grand Conseil (Große Rat), dessen Mitglieder, je 1 auf 1200 Seelen, auf 5 Jahre gewählt werden. Der Große Rat versammelt sich zweimal jährlich; er beschließt die Gesetze, bestimmt den Haushalt, wählt die Abgeordneten in den eidgenössischen Ständerat, übt das Begnadigungsrecht etc. Die Exekutive besitzt ein Conseil d'Etat (Staatsrat) von 7 Mitgliedern, die vom Großen Rat auf 5 Jahre gewählt werden. Im Bezirk wird der Staatsrat durch den Préfet (Statthalter) repräsentiert. Die Rechtspflege übt in oberster Instanz ein Tribunal cantonal (Kantonsgericht) von 7 Mitgliedern, vom Großen Rat auf je 8 Jahre ernannt, in den Bezirken ein Tribunal d'arrondissement (Bezirksgericht), dessen Mitglieder gemeinschaftlich vom Kantonsgericht und Staatsrat gewählt werden, und in unterster Instanz eine Justice de paix (Friedensgericht). Für peinliche Sachen etc. bestehen 3 Schwurgerichte. Die Gemeinden sind innerhalb gewisser Schranken autonom. Ihre Verwaltung ist einem Conseil communal (Gemeinderat) übergeben, an dessen Spitze der Syndic (Ammann) steht. Amtliche Erlasse erfolgen in zwei Sprachen; der französische gilt als Urtext. Für die Volksbildung sorgen die Primärschulen (7.- 15. Jahr), 7 Sekundärschulen, 11 namentlich der Landwirtschaft dienende Bezirksschulen, ein Lehrerseminar in Hauterive und 4 private Lehrerbildungsanstalten. In der Stadt F. besteht eine Universität. Finanzen: Die Aktiva betrugen 1900: 55,2 Mill. Fr., die Passiva 50,56 Mill. Fr.; Einnahmen (1902) 3,905 Mill. Fr., Ausgaben 3,791 Mill. Fr. Hauptstadt ist Freiburg (s. den folg. Art.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 55-56.
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