Häusser

[896] Häusser, Ludwig, deutscher Geschichtschreiber, geb. 26. Okt. 1818 zu Kleeburg im Unterelsaß, gest. 19. März 1867 in Heidelberg. Früh vaterlos (1820), von seiner Mutter in Mannheim erzogen, studierte H. seit 1835 in Heidelberg, dann in Jena Philologie und Geschichte; Schlosser übte auf ihn entscheidenden Einfluß aus. Nach kurzer Tätigkeit als Lehrer am Gymnasium zu Wertheim und durch zwei Schriften: »Über die teutschen Geschichtschreiber vom Anfang des Frankenreichs bis auf die Hohenstaufen« (Heidelb. 1839) und die »Sage von Tell« (das. 1840), bekannt geworden, arbeitete er seit Frühjahr 1840 in Paris, habilitierte sich im Herbst d. J. für Geschichte in Heidelberg, wurde 1845 außerordentlicher und 1850 ordentlicher Professor. Eine Frucht seiner Forschungen in badischen und bayrischen Archiven war die »Geschichte der rheinischen Pfalz« (Heidelb. 1845, 2 Bde.). An der 1846 beginnenden politischen Bewegung beteiligte er sich unter anderm in der Gelegenheitsschrift »Schleswig-Holstein, Dänemark und Deutschland« (Heidelb. 1846). 1847 in den Redaktionsausschuß für die »Deutsche Zeitung« gewählt, führte er seit Anfang 1848 mit Gervinus, vom März bis September allein die Redaktion und vertrat, im November 1848 in die badische Zweite Kammer gewählt, hier dieselben konstitutionellen und bundesstaatlichen Ansichten. Jedem gewaltsamen, revolutionären Beginnen abhold, blieb er der Mairevolution von 1849 fremd, trat 1850 wieder in die Kammer und nahm eine Wahl zum Unionsparlament in Erfurt an, wo er in glänzender Rede das preußische Unionsprojekt verteidigte. Seine Erfahrungen während der Jahre 1848–49 legte er in den »Denkwürdigkeiten zur Geschichte der badischen Revolution« (Heidelb. 1851) nieder. Schon vorher hatte er Friedr. Lists »Gesammelte Schriften« (Stuttg. 1850–51, 3 Bde.) herausgegeben und mit einer Biographie Lists begleitet. Sein Hauptwerk, dem er vornehmlich seinen Ruf als Geschichtschreiber verdankt, ist die »Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs d. Gr. bis zur Gründung des Deutschen Bundes« (Leipz. 1854–57, 4 Bde.; 4. Aufl. 1869), die erste auf archivalischem Material aufgebaute Geschichte dieses Zeitraums, die sich durch glänzende Darstellung und edlen Patriotismus auszeichnet und H. wissenschaftliche Preise sowie hohe Ehren eintrug. Seit dem Wiederaufleben der deutschen Einheitsbestrebungen 1859 beteiligte sich H. auch wieder an der Politik, errang sich in der kleindeutschen Partei eine hervorragende Stellung, und auch in der badischen Zweiten Kammer spielte er besonders in der kirchlichen Frage eine bedeutende Rolle. Auf dem deutschen Abgeordnetentag 1863 in Frankfurt trat er mit Erfolg gegen das österreichische Reformprojekt auf, das er auch in einer besondern Schrift: »Die Reform des deutschen Bundestags« (Frankf. 1863), bekämpfte. Daneben entfaltete er als Meister des Vortrags eine äußerst wirksame akademische Lehrtätigkeit und erweckte in den zahlreichen Zuhörern echt patriotische Begeisterung. Von seinen Schriften sind noch zu nennen. »Karl, Freiherr vom Stein, eine Skizze« (2. Aufl., Leipz. 1861); »Zur Beurteilung Friedrichs d. Gr., Sendschreiben an Dr. Onno Klopp« (Heidelb. 1862); seine kleinern Arbeiten, namentlich die wertvollen Aufsätze aus der »Augsburger Allgemeinen Zeitung«, sind nach seinem Tod als »Gesammelte Schriften« (Berl. 1869–70, 2 Bde.) herausgegeben worden; ebenso sind von seinen Vorlesungen durch Oncken herausgegeben die »Geschichte der französischen Revolution, 1789–1799« (das. 1868, 2. Aufl. 1877) und die »Geschichte des Zeitalters der Reformation, 1517–1648« (das. 1868, 3. Aufl 1903). Vgl. Wattenbach, Ludwig H., ein Vortrag (Heidelb. 1867); Marcks, Ludwig H. (das. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 896.
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