Hindukusch

[350] Hindukusch (»Hindutöter«, nach einem Paß, den indische Sklaven zu überschreiten hatten; auch Hindukoh, »indischer Berg«, bei den Alten Paropamisus, richtiger Paropanisus), Gebirge, das nach heutiger Auffassung die Ketten im nördlichen Afghanistan in etwa 900 km Länge zusammenfaßt, die Wasserscheide zwischen den afghanischen Flüssen und dem Bereich des Amu Darja, im östlichen Teil die Südgrenze der Pamirs bildet und östlich bis zu dem Gebirgsknoten reicht, in dem er sich mit Himalaja und Karakorum begegnet (s. Karte »Zentralasien«). Zum System des H. könnte man auch noch die Gebirge von Chorasan und den Elburs rechnen, dann insgesamt eine Kette von 2600 km Länge (gleich der des Himalaja) in ostwestlichem Streichen. Doch zeichnet sich der eigentliche H. durch Hervortreten einer Hauptkette und größere Höhe aus. Die Breite des Gebirges ist überall beträchtlich. Die Hauptkette ist nur im Bamianpaß unterbrochen, im W. (Sesidkuh) 3500–4500 m hoch, dann gegen O. immer höher und geschlossener (Tiratschmir am Nuksanpaß 7750 m). Nach N. fällt das Gebirge in Staffeln ab. Die Pässe, von denen die wichtigsten Bamian, Chawak (bequemster und meist, auch von Alexander d. Gr. und Tamerlan benutzter Übergang), Nuksan und Baroghil, liegen in 2500–4000, einige bis 5000 m; aus dem Quellgebiet des Kabul führen allein deren 18 nach N. hinüber, doch sind sie sehr beschwerlich, das Gebirge überhaupt noch wenig erforscht. Der Kuh-i-Baba (s. d.) mit dem Paß Hadjikak (s. d.) ist westlich von Kabul als eine selbständige Gebirgsmasse vorgelagert. Archäische und paläozoische Gesteine erscheinen im H. nicht bedeutend, sehr verbreitet Granite, mit deren Ausbruch die erste Faltung (von N. her) erfolgte; am wichtigsten sind mesozoische (namentlich obere Kreide) und tertiäre Schichten (Eocän, Miocän und Pliocän). Die letzte Fältungsperiode (seit Tertiär) dauert vielleicht noch fort. Über das Vorkommen von Mineralien ist wenig bekannt, doch sind die Türkisen und Lapislazuli vom Badachschan und die Rubinen von Wachan von alters her berühmt; am Nordabhang finden sich große Lager von Eisenerz. Charakteristisch ist die Kahlheit der Abhänge; Nadelholz, Pappeln, Weiden sind die vornehmsten Baumarten. Am Südabhange gedeiht in den untern Tälern noch Reis, stellenweise auch Zuckerrohr. Am Swatfluß in Kafiristan treten noch Olivenbäume auf; Feigen-, Apfel- und Birnbäume sind Nutz-, Platanen Zierbäume; die Weinrebe findet ausgedehnten Anbau, und Bienenzucht wird allgemein betrieben. Viel rauher ist der Nordabhang; im Hochgebirge wird Baumwuchs spärlich, Alpenwirtschaft und Viehzucht herrschen vor; in den Tälern gibt Getreide volle Ernten, auch Wein wird noch häufig gebaut. Der Flora entspricht die Fauna: reich an Wild ist der Süden; unter den Vögeln sind die ihrer Schönheit und Raschheit wegen in ganz Zentralasien gesuchten Falken hervorzuheben. – Die ältesten Bewohner waren Arier, von denen sich nur in den in Kafiristan wohnenden Hindki noch Reste erhalten haben; den Grundstock bilden am Südabhang die Afghanen. Im N. herrscht das türkische Blut durch Uzbeken, Hazara und Kirgisen vor. Die Religion ist der Islam, den nur die Hindki nicht angenommen haben. In politischer Beziehung gehört der H. im westlichen Teil zu Afghanistan, der Osten teils in russische, teils in britische Machtsphäre. Vgl. Biddulph, The tribes of Hindu Kush (Kalkutta 1880); Macintyre, Hindu-Koh wanderings (Lond. 1889, neue Ausg. 1891), auch die »Records of the Geological Survey of India«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 350.
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