Medīna [2]

[516] Medīna (Medineten Nebi, »Stadt des Propheten«), Hauptort eines Li wa der türk. Provinz Hidschaz (s. d.) in Arabien, Sitz eines Paschas, 870 m ü. M., auf der vulkanischen Hochebene Zentralarabiens, ist für den Islam ein hochbedeutender Wallfahrtsort. Die Stadt besteht aus drei Abteilungen: Fort, eigentlicher Stadt und noch größern Vorstädten im W. und S. Die eigentliche Stadt ist mit Mauern umgeben und hat 40 Türme und 4 Tore; die selten gepflasterten Straßen sind düster und eng, die Häuser aber gut gebaut und meist zweistöckig. Medinas Ruhm ist die Moschee mit dem angeblichen Grabe des Propheten, Mesdscbiden Nebi oder El Haram (die »Unverletzliche«), deren Besuch für die Mekkapilger zwar nicht als religiöse Pflicht, aber als verdienstlich gilt. Jeder Pilger muß in der Moschee des Propheten täglich fünfmal beten. Die Moschee ist ungefähr 136 m lang und 110 m breit, hat einen großen, von Galerien umschlossenen Hofraum, viele Säulengänge und 5 Minarette. Nahe der südöstlichen Ecke befindet sich das Grab Mohammeds hinter einem eisernen, grün angestrichenen Filigrangitter mit Inschriften von gelber Bronze. Rings um das eigentliche Grabmal zieht sich ein seidener Vorhang, der zwischen sich und dem Gitter einen schmalen Raum zum Herumgehen läßt. Der Vorhang soll ein viereckiges Mauerwerk von schwarzen Steinen verhüllen, das, von zwei Säulen getragen, angeblich den weißen Marmorsarg mit Mohammeds Leichnam enthält. Das Ganze ist mit einer schönen Kuppel überdeckt, die weit über die andern Kuppeln der Moschee hinausragt. Nahe beim Vorhang, noch innerhalb des Gitters, befindet sich das angebliche Grab der Fatime, der Tochter Mohammeds und Gattin Alis; ferner die Gräber Abu Bekrs und Omars, der ersten Nachfolger Mohammeds, und ein leeres Grab für Isa ebn Mirjam (»Jesus, Sohn der Maria«). Eine hölzerne Scheidewand, 21/2 m hoch und reich mit Arabesken bemalt, läuft von der westlichen Seite des Gitterwerks quer durch die Moschee bis zum Tor Bab el Salam, so daß bis zur südlichen Mauer ein Raum von etwa 8 m Breite bleibt, und ist dazu bestimmt, die heiligste Stelle der Moschee, El Rodha (»Garten«), den Teil zunächst der Grabeseinfassung, dem Zutritt der Pilger zu verschließen. Am Bau der Moschee soll Mohammed selbst gearbeitet haben, aber seitdem ist sie fünfmal erneuert worden. Das gegenwärtige Gebäude wurde bis auf Anbauten und Ausbesserungen 1487 n. Chr. ausgeführt. Außer dieser Hauptmoschee hat M. noch 14 andre. In der Nähe der Stadt ist die Moschee von Kubo, die älteste des Islams, von Mohammed selbst gegründet. Vom Friedhof El Bakia erstreckt sich nach S. ein langer Saum von Palmen, als »Bäume von M.« berühmt. Die Einwohner, deren Zahl man auf 48,000 schätzt, treiben Ackerbau und Handel (auch zur See, durch den Hafen Janbo el Bahr); das Haupteinkommen aber bilden die Moscheen und der Fremdenverkehr. Die Stadt darf von Christen und Juden bei Lebensstrafe nicht betreten werden, doch haben sie einzelne kühne Reisende (der Schweizer Burckhardt und der Engländer R. Burton) in der Verkleidung mohammedanischer Pilger besucht. Nach M. mußte Mohammed 622 vor seinen Feinden von Mekka aus fliehen (die berühmte »Hedschra«, s. d.). Die Stadt, in vorislamischer Zeit Jathrib, wechselte oft ihre Gebieter; sie fiel in die Gewalt der Kalifen, kam dann in den Besitz der Scherife von Mekka, der Sultane von Konstantinopel, der Wahabiten und der Ägypter. Jetzt steht sie wieder unter der Hoheit des türkischen Großherrn. Vgl. Burton, Personal narrative of a pilgrimage to Al-Medinah and Meccah (letzte Aufl., Lond. 1898, 2 Bde.); Wüstenfeld, Das Gebiet von M. (Götting. 1873); Saleh Soubhy, Pélerinage á la Mecque et la Médine (Wien 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 516.
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