Morelli

[139] Morelli, 1) Giovanni, ital. Kunstforscher und Staatsmann, geb. 25. Febr. 1816 in Verona, gest. 28. Febr. 1891 in Mailand, wurde in Bergamo, später in Aarau (Schweiz) unterrichtet, wo er deutsche Bildung genoß, widmete sich dann in München naturwissenschaftlichen Studien, wurde zugleich aber durch die Bekanntschaft mit dem Maler Genelli für die Kunst interessiert. Nach einem halbjährigen Aufenthalt in Erlangen und einem Besuch in Berlin, wo er Waagen kennen lernte, ging er 1838 zu Agassiz nach Neuchâtel, an dessen Untersuchungen über Bau und Bewegung der Gletscher er teilnahm. Seine weitere Ausbildung erhielt er in Paris und Siena und durch häufige Reisen[139] in seinem Vaterland, die ihn zu Manzoni, Gino Capponi und andern hervorragenden Männern Italiens in Beziehung brachten. Durch seine Reisen wurde aber auch sein Kunstinteresse lebhaft gefördert. Das Jahr 1848 veranlaßte ihn auch zu einer politischen Tätigkeit, die jedoch einen schnellen Abschluß fand, und die er erst wieder aufnahm, als er 1859 von der piemontesischen Regierung zum Kommandanten der Nationalgarde in Magenta ernannt wurde. 1860–70 war er Deputierter für Bergamo, und 1873 wurde er Senator des Königreichs Italien. Die reichen kunstkritischen Kenntnisse, die sich M. auf seinen Reisen erworben, hat er zuerst in Aufsätzen niedergelegt, die 1874–76 in der »Zeitschrift für bildende Kunst« unter dem Pseudonym Iwan Lermolieff erschienen. Sein neues kritisches, auf empirischen Grundsätzen ruhendes Verfahren, das man als »Kennzeichenlehre« bezeichnet, faßte er zusammen in dem unter seinem Pseudonym veröffentlichten Buch »Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin« (Leipz. 1880), das er später seinem Hauptwerke, den »Kunstkritischen Studien über italienische Malerei« (Bd. 1: »Die Galerien Borghese und Doria Pamfili in Rom«, Leipz. 1890; Bd. 2: »Die Galerien zu München und Dresden«, das. 1891; Bd. 3: »Die Galerie zu Berlin«, hrsg. von G. Frizzoni, das. 1893; ital. Übersetzung von demselben, Mail. 1897) zugrunde legte. Seine Gemäldegalerie (beschrieben von Frizzoni, Bergamo 1892) hat M. seiner Vaterstadt vermacht. 1895 wurde ihm in der Brera in Mailand ein Denkmal errichtet.

2) Domenico, eigentlich Soliero, ital. Maler, geb. 1826 in Neapel, gest. daselbst 13. Aug. 1901, studierte in Rom bei Camillo Guerra und bildete sich dann weiter unter dem Einfluß Filippo Palizzis durch Naturstudien zum Geschichts- und Genremaler aus, der besonders durch seine ergreifenden religiösen Bilder große Erfolge erzielte. Auf den meisten seiner Bilder wirkt die Landschaft mit der Grundstimmung des Motivs zusammen. In der ersten Periode seines Schaffens malte er vorzugsweise Geschichts- u. Genrebilder romantischen Inhalts, die sich durch ein ungemein glänzendes, zum Teil durch Delacroix beeinflußtes Kolorit auszeichnen. Hauptwerke dieser Zeit sind: die Bilderstürmer, die Sizilianische Vesper, florentinisches Morgenständchen, Graf Lara (nach Lord Byron), die Flüchtlinge von Aquileja, der Minstrel, Cäsar Borgia bei der Belagerung von Capua, das Boot des Lebens, die Frau des Potiphar, Abendkühle in Venedig und Tasso liest Eleonoren von Este vor. Mit einem auf dem Meere wandelnden Christus wandte er sich 1867 der biblischen Malerei zu, der seine bedeutendsten und eindrucksvollsten Schöpfungen angehören: die Kreuzabnahme, Christi Verspottung, der sterbende Christus, die Tochter des Jairus, die Besessenen, die Ehebrecherin, Karfreitag, Christus in der Wüste, Jesus ruft die Söhne Zebedäi, die Marien auf der Schädelstätte und mehrere Madonnendarstellungen (die Madonna auf der goldenen Treppe, Mater purissima, Mater creatoris, Salve regina). Für das königliche Schloß in Neapel hat er die Himmelfahrt der Maria als Deckenbild gemalt. Mehrere Male hat er auch die Versuchung des heil. Antonius in origineller Auffassung dargestellt. Die Frucht einer Reise nach dem Orient waren: Eine Straße in Konstantinopel, Odalisken auf dem Weg zum Bad, Auferstehung der gefallenen Frauen aus dem Bosporus, das Gebet in der Wüste, ein arabischer Improvisator und Mohammed vorder Schlacht. M. war Senator des Königreichs Italien, Direktor des Instituts der schönen Künste und des Kunstgewerbemuseums in Neapel, auf dessen Kunstgewerbe er einen bedeutenden Einfluß ausgeübt hat. Den Namen M. hatte er schon frühzeitig wegen seiner braunen Gesichtsfarbe erhalten. Vgl. »Domenico M. nella vita e nell' arte« (Mail. 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 139-140.
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