Ostende

[169] Ostende (fläm. Oostende), Hauptstadt eines Arrondissements in der belg. Provinz Westflandern, an der Nordsee, durch Kanäle mit Brügge, Gent, Nieuport und Dünkirchen verbunden, Endpunkt der Staatsbahnlinien Brüssel-O. und Ypern-O. und der Nebenbahnen O.-Furnes und O.-Blankenberghe. O. ist der zweite Seehafen Belgiens, hat schöne, regelmäßige Straßen, 3 Kirchen, ein schönes Stadthaus (1711 erbaut), einen großen Kursaal (1875 erbaut), eine königliche Villa, schöne Promenaden, ein Schauspielhaus, Schiffswerft, Sägewerke, Taudrehereien, Bierbrauereien, bedeutende Seefischerei (1904: 418 Fahrzeuge), Austernzucht, Schiffahrt (1903 liefen 1796 Schiffe von 956,424 Ton. ein), lebhaften Handel mit Großbritannien, Deutschland, Norwegen (Einfuhr von Holz, Steinkohlen, Rohwolle, Baumwollgeweben etc., Ausfuhr besonders von Butter, Fleisch, Konserven etc.), ein Athenäum, eine Gewerbeschule, bischöfliches Collège, Schiffahrtsschule, Handelsgericht und (1904) 41,181 Einw. O. ist Sitz eines deutschen Konsuls. Die ehemaligen beträchtlichen Festungswerke wurden 1865 geschleift. Von höchster Bedeutung für die Stadt sind die vortrefflich eingerichteten Seebäder, die jährlich von etwa 45–50,000 Kurgästen aller Nationen (darunter viele Deutsche) besucht werden. Die Küste entlang zieht sich, die Stadt vom Meer trennend, ein gewaltiger Steindamm (digue), 510 m lang, mit der Fahrstraße 30 m breit, der Korso von O., mit großartigen Hotels und Restaurants. Nordöstlich schließen sich an den Damm die sogen. je 650 m langen Estakaden, zwei ins Meer hineinragende Doppelreihen eingerammter Pfähle mit darüberliegenden Bohlen, die zum Schutz des Hafens dienen und ebenfalls als Spaziergang benutzt werden. Der Hafen besteht namentlich aus dem Vorhafen (ein zweiter ist [1906] nebst wei lern Anlagen im Bau begriffen), dem Handelshafen und dem Binnenhafen. Die Hafenanlagen wurden namentlich seit 1831 beträchtlich erweitert; Napoleon I. ließ das großartige Bassin de chasse mit mächtigen Schleusentoren anlegen. Jenseit der Hafeneinfahrt, die 450 m lang und 150 m breit ist, steht der Leuchtturm, 53 m hoch. Regelmäßige Dampfschiffahrt verbindet O. mit London sowie mit den wichtigsten Seehäfen der Nordsee; 13 km südwestlich davon liegt das Dorf Westende. – Im 11. Jahrh. zuerst erwähnt, seit Mitte des 15. Jahrh. befestigt und Ende des 16. Jahrh. der letzte Stützpunkt der Holländer in den südlichen Niederlanden, fiel O. nach mehr als dreijähriger Belagerung (1601 bis 1604) in die Hände der Spanier, 1706 in die der Alliierten. 1722–35 Sitz einer von Kaiser Karl VI. gegründeten Ost- und Westindischen Handelsgesellschaft, gelangte die 1781 von Joseph II. zum Freihafen erklärte Stadt schnell auf Unkosten der Holländer zu hoher Blüte. Seit 1793 in französischem Besitz, kam O. 1814 an die Niederlande, 1830 an Belgien und ist neuerdings als Überfahrtsort nach England, durch seine Hochseefischerei und als größtes Seebad Europas von Bedeutung. Seit 1898 sind neue, ausgedehnte Hafenanlagen im Bau. Vgl. Pasquini, Histoire de la ville d'O. (Brüssel 1843); Vlietinck, Het oude Oostende (Ostende 1898); Henrard, Histoire du siège d'O. 1601–1604 (Brüssel 1891); Belleroche, The siege of O. (Lond. 1893); M. Huisman, La compagnie d'O. (Brüssel 1902); Verhaeghe, Das Seebad O. (Ostende 1872).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 169.
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