Perczel

[577] Perczel (spr. pertzel), 1) Moritz, General im ungar. Revolutionskrieg, geb. 14. Nov. 1811 in Bonyhád (Tolnaer Komitat), gest. daselbst 23. Mai 1899, trat in das königliche Ingenieurkorps, verließ aber den Militärdienst bald wieder, war als Mitglied des Reichstags 1840, 1843 und 1847 der Wortführer der äußersten Linken, trat 1848 als Rat in das Ministerium des Innern, gab aber als heftiger Gegner der von Batthyányi verfolgten Friedenspolitik diese Stelle bald wieder auf. Nach dem Ausbruch des Krieges im September bildete er aus Freiwilligen die sogen. Zrinyi-Schar, an deren Spitze er 6. Okt. 1848 das dem Zug Jellachichs nachfolgende kroatische Korps unter Roth und Philippovich bei Ozora auf offenem Felde gefangen nahm. Bald darauf zum General ernannt, focht er mit Glück an der Drau und trug 17. Okt. einen Sieg bei Letenye und Kotori davon, der ihm den Besitz der Murinsel (Muraköz) verschaffte, von wo er 9. Nov. einen Einfall in die Steiermark machte. Beim Herannahen Windisch-Grätz' ward er mit seinem Korps zur Hauptarmee beordert, aber 30. Dez. bei Moor von Jellachich geschlagen. Nach Bems Ernennung zum Oberbefehlshaber legte er sein Kommando nieder und warb in Tolna Freischaren, mit denen er den kleinen Krieg fortsetzte. Im März wieder nach dem Süden entsendet, erfocht er in rascher Folge die Siege bei Zombor, Szöreg und Horgos, entsetzte Peterwardein, nahm endlich die Schanzen von St. Tamás und 10. Mai Pancsova. Am 4. Juni ward er jedoch von Jellachich aus Titel verdrängt, 20. Juni bei Perlaß und 25. Juli bei Alt-Becse geschlagen und hinter die Theiß zurückgedrängt. Von seinem alten Gegner Görgey seines Kommandos enthoben, sammelte er beim Herannahen der Russen doch wieder ein Korps von 10,000 Freiwilligen, schloß sich der Theißarmee Dembinskis an und nahm an den Treffen von Tura (20. Juli), Szöreg (3. Aug.) und Temesvár (9. Aug.) rühmlichen Anteil. Danach flüchtete er auf türkisches Gebiet und ward erst in Widdin, dann in Schumla interniert. Während er zu Pest in effigie gehenkt wurde, begab er sich 1851 nach London, Anfang 1852 nach Jersey, dann nach Paris und kehrte 1867 nach Ungarn zurück. Hier wurde er sofort zum Deputierten im Reichstag gewählt, in dem er sich zur Deákpartei hielt, und bekleidete 1873–74 die Präsidentenwürde der Partei. Sein literarischer Nachlaß, besonders über den Freiheitskampf, ist noch unveröffentlicht. Vgl. Kuppis, Biographie des Honvédgenerals Moritz P. (Pest 1868).

2) Desider von, ungar. Politiker, geb. 18. Jan. 1848 zu Szegszárd im Tolnaer Komitat, Sohn des spätern Justizministers Béla von P. (1819–88), ward schon 1871 Stuhlrichter und 1877 Vizegespan im Tolnaer Komitat. Seit 1887 Mitglied des Reichstags, schloß er sich der liberalen Partei an, ward bald Vizepräsident des Abgeordnetenhauses und im Januar 1895 unter Bánffy Minister des Innern. Ihm fiel die Durchführung der kirchenpolitischen Gesetze zu. Am 26. Febr. 1899 erhielt er mit Bánffy den erbetenen Abschied und wurde 2. März und dann nach Rücktritt Apponyis 7. Nov. 1903 abermals zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses gewählt, als welcher er Tisza in der Verschärfung der Hausordnung wiederholt behilflich war. Trotz eines Mißtrauensvotums vom 17. Nov. 1904 ermöglichte P. in der stürmischen Nachtsitzung vom 18. Nov. die gesetzwidrige Annahme der Lex Daniel. Obwohl die siegreiche Opposition im neuen Reichstag (1905) die Lex Daniel für ungültig erklärte, wurde P. in Bonyhád abermals gewählt, erfuhr aber bei jeder Gelegenheit den Haß der neuen Majorität, insbes. als es bekannt wurde, daß auf Antrag Tiszas die Krone die Pension Perczels verdoppelt habe. Diesen Umstand benutzte dann die Opposition, um P. zur Niederlegung seines Mandats zu zwingen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 577.
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