Roscher

[139] Roscher, 1) Wilhelm, Nationalökonom, geb. 21. Okt. 1817 in Hannover, gest. 4. Juni 1894 in Leipzig, studierte in Göttingen und Berlin, wurde 1843 außerordentlicher, 1844 ordentlicher Professor in Göttingen und wirkte seit 1848 als solcher in Leipzig. Ebenso wie Knies (s. d.) ist er ein Vertreter der historischen Methode der Nationalökonomie, die er durch Verbindung mit den andern Gebieten des Volks- und Kulturlebens zu vertiefen bestrebt war. Diese seine Richtung ist schon in seiner Dissertation »De historicae doctrinae apud sophistas majores vestigiis« (Götting. 1838) angedeutet, der eine schätzbare Schrift über das »Leben, Werke und Zeitalter des Thukydides« (das. 1842) folgte. Sein Hauptwerk ist das »System der Volkswirtschaft«, in 5 Bänden (Bd. 1: Grundlagen, Stuttg. 1854, 24. Aufl. von Pöhlmann 1906; Bd. 2: Ackerbau und die verwandten Urproduktionen 1859, 13. Aufl. von Dade 1903; Bd. 3: Handel und Gewerbefleiß, 1881, 7. Aufl. von Stieda 1899; Bd. 4: Finanzwissenschaft, 1886, 5. Aufl. von Gerlach 1901; Bd. 5: Armenpflege und Armenpolitik, 1894; 3. Aufl., ergänzt von Klumker, 1906), dem sich die »Geschichte der Nationalökonomik in Deutschland« (Münch. 1874) anschließt. Außerdem sind von ihm zu nennen: »Grundriß zu Vorlesungen über die Staatswirtschaft« (Götting. 1843); »Über Kornhandel und Teuerungspolitik« (3. Aufl., Stuttg. 1852); »Zur Geschichte der englischen Volkswirtschaftslehre« (Leipz. 1851, Nachtrag 1852); »Kolonien, Kolonialpolitik und Auswanderung« (2. Aufl., das. 1856; 3. Aufl. mit Beiträgen von Jannasch, das. 1885); »Ansichten der Volkswirtschaft aus dem geschichtlichen Standpunkt« (das. 1861; 3. Aufl. 1878, 2 Bde.); »Zur Gründungsgeschichte des Zollvereins« (Berl. 1870); »Betrachtungen über die Währungsfrage der deutschen Münzreform« (das. 1872); »Versuch einer Theorie der Finanzregalien« (Leipz. 1884); »Politik: Geschichtliche Naturlehre der Monarchie, Aristokratie und Demokratie« (1. u. 2. Aufl., Stuttg.[139] 1892). Nach seinem Tod erschienen: »Geistliche Gedanken eines Nationalökonomen« (Dresd. 1894). Eine Reihe interessanter Untersuchungen Roschers über einzelne Gegenstände ist in Raus »Archiv der politischen Ökonomie«, in der »Zeitschrift für Geschichtswissenschaft«, der »Deutschen Vierteljahrschrift« und in den Schriften der Königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften niedergelegt. Vgl. Th. Roscher, Zur Geschichte der Familie R. in Niedersachsen (Hannov. 1892); Brasch, Wilhelm R. und die sozialwissenschaftlichen Strömungen der Gegenwart (Leipz. 1895).

2) Albrecht, Afrikareisender, Neffe des vorigen, geb. 1836 in Ottensen bei Altona, gest. 19. März 1860, ging, nachdem er Arabisch gelernt und in Leipzig Medizin studiert hatte, 1858 nach Sansibar und drang von dort zum Nyassasee vor, in dessen Nähe er ermordet wurde. Seine Tagebücher gingen verloren. Er schrieb: »Ptolemäus und die Handelsstraßen in Zentralafrika« (Gotha 1857).

3) Wilhelm Heinrich, Philolog und Mytholog, Sohn von R. 1), geb. 12. Febr. 1845 in Göttingen, studierte seit 1864 in Göttingen und Leipzig und wurde 1869 Gymnasiallehrer in Bautzen, 1871 in Meißen, 1882 Konrektor und 1894 Rektor am Gymnasium in Wurzen. Wiederholte Studienreisen führten ihn nach Italien, Frankreich, Dalmatien, Montenegro, Griechenland und Kleinasien. Er schrieb: »Studien zur vergleichenden Mythologie der Griechen und Römer« (Bd. 1: Apollon und Mars, Leipz. 1873; Bd. 2: Juno und Hera, das. 1875); »Das Naturgefühl der Griechen und Römer« (Meißen 1875); »Hermes der Windgott« (Leipz. 1878); »Die Gorgonen und Verwandtes« (das. 1879); »Nektar und Ambrosia« (das. 1883); »Selene und Verwandtes« (das. 1890, dazu Nachträge 1895); »Das von der Kynanthropie handelnde Fragment des Marcellus von Side« (das. 1896); »Ephialtes« (das. 1900); »Die Sieben- und Neunzahl im Kultus und Mythus der Griechen« (das. 1904). Seit 1884 leitet er die Herausgabe des »Ausführlichen Lexikons der griechischen und römischen Mythologie« (Leipz.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 139-140.
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