Terpentīn

[423] Terpentīn (Terebinthina), balsamartige Masse, die durch Einschnitte aus den Stämmen von Nadelhölzern gewonnen wird. Das Verfahren ist in den T. liefernden Ländern sehr verschieden. Man macht mehr oder minder tiefe Einschnitte, die in der Stammrichtung verlaufen, verlängert sie allmählich und ersetzt sie im folgenden Jahr durch Einschnitte an einer andern Stelle des Stammes. In Frankreich werden Bäume im Alter von 20–40 Jahren 20–40 Jahre hindurch, kräftigere Individuen auch noch längere Zeit, auf T. ausgebeutet. Den ausfließenden T. sammelt man in Tongefäßen, Körben etc. Die Lärche wird im Frühjahr nahe am Boden angebohrt, das Bohrloch durch einen Zapfen verschlossen und im Herbst entleert. Bei der Tanne sammelt sich der T. in Harzbeulen der Rinde an und fließt nach Öffnung der Beulen ab. In Österreich gewinnt man auf den Stamm jährlich 2 kg T., in Westfrankreich etwa 3,6 kg, und starken Fichten, besonders alleinstehenden, auf deren Erhaltung es nicht weiter abgesehen ist, kann man in einem Jahre bis 40 kg T. abgewinnen. Gemeiner T. ist mehr oder weniger klar, gelblichweiß, honigdick, stark klebend, reagiert sauer, riecht nach Terpentinöl, schmeckt bitter scharf, ist löslich in Alkohol, Äther, ätherischen Ölen und in nicht überschüssiger Kalilauge, enthält 15–30 Proz. Terpentinöl, Harz, Harzsäuren (Pinarsäure, Pininsäure, Sylvinsäure, Abietinsäure), wenig Ameisensäure und Bernsteinsäure. Im frischen T. findet sich Abietinsäureanhydrid; dies nimmt aber Wasser auf, und es scheiden sich wetzsteinähnliche Kristalle von Abietinsäure aus, durch die der T. trübe und krümelig wird. Im Handel unterscheidet man: deutschen T. von der Kiefer (Pinus silvestris) und der Fichte (Picea excelsa) von kaum bitterm Geschmack; ihm ähnlichen französischen T. von der Strandkiefer (P. maritima), der weniger Terpentinöl enthält; Straßburger T. von der Weißtanne (Abies pectinata), der bald hell und klar wird, zitronenartig riecht, sehr bitter schmeckt und 35 Proz. Terpentinöl enthält; amerikanischen T. hauptsächlich von Pinus australis, P. palustris und P. Taeda, weißlich gelb, zäh, von kräftigem Geruch, sehr scharf bitterm Geschmack und geringem Terpentinölgehalt. Der venezianische T. von der Lärche (Larix europaea) wird in Südtirol gewonnen, ist gelblich bis bräunlich, fast klar, zähflüssig und scheidet nicht Kristalle aus. Über Kanadabalsam s. d. T. gibt bei Destillation mit Wasser Terpentinöl und hinterläßt ein Harz (gekochten T., Glaspech), bei Destillation ohne Wasser Kolophonium. Man benutzt ihn zur Darstellung von Terpentinöl, Salben, Pflastern, Firnissen, Lacken, Siegellack, Kitt, Harzseifen, zum Auftragen von Lüsterfarben auf Metall und Porzellan. Unter T. verstand man im Altertum den Harzsaft von Pistacia Terebinthus, der heutige T. hieß resina. Lärchenterpentin kannten Dioscorides und Plinius. Kanadabalsam wurde im 16. Jahrh. bekannt und war im 18. Jahrh. Handelsartikel in Europa. Vgl. Winkelmann, Die Terpentin- und Fichtenharzindustrie (Berl. 1880).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 423.
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