Tribūnen

[701] Tribūnen (Tribuni) wurden im alten Rom ursprünglich die Vorsteher der Tribus (s. d.) genannt; dann überhaupt Vorsteher von Abteilungen größerer Gemeinschaften. Die wichtigsten waren folgende: 1) Tribuni aerarii, die in den Tribus die Steuer zu erheben und davon den Soldaten den Sold zu zahlen hatten und als Militärbeamte auch neben den Quästoren bis zur Zeit Cäsars weiter bestanden; 2) Tribuni celerum, unter den Königen die Reiterobersten und Stellvertreter der Könige; 3) Tribuni militum (oder militares), je sechs in jeder Legion, über die sie den Oberbefehl wechselnd zwei Monate führten; 4) Tribuni militum consulari potestate, die, 3–8 an Zahl, während des Zeitraums von 444–367 in mehreren Jahren die Stelle der Konsuln einnahmen und sowohl Patrizier als Plebejer sein konnten; 5) Tribuni plebis. Volkstribunen (zuerst 2, später 5, seit 457 v. Chr. 10). 493 eingesetzt, um den Plebejern gegen den Mißbrauch der Amtsgewalt durch die damals ausschließlich patrizischen Konsuln Schutz zu gewähren und zu diesem Zwecke für unverletzlich (sacrosancti) erklärt. Anfangs beschränkte sich ihre heilsame Wirksamkeit auf die Einsprache (intercessio) zugunsten einzelner von Maßregeln der Magistrate bedrohter Plebejer und auch dies nur in der Stadt und innerhalb einer römischen Meile im Umkreis. Sie dehnten dieselbe indessen, auf ihre Unverletzlichkeit gestützt, immer weiter aus, richteten ihre hindernde Einsprache gegen Amtshandlungen jeder Art, wohnten den Sitzungen des Senats bei, dessen Beschlüsse sie durch ihr Verbot (veto) hindern konnten, und nahmen Anteil an der Gesetzgebung, als die Beschlüsse der Plebs Gesetzeskraft erhielten. Nach Ausgleich des Gegensatzes zwischen Patriziern und Plebejern vertraten sie das Interesse des niedern Volkes gegen die Nobilität und benutzten[701] mit dem fortschreitenden Verfall der Republik immer mehr das Amt nur zu persönlichen ehrgeizigen Zwecken. Indessen blieb es auch jetzt noch Regel, daß es, wie von Anfang an, nur von Plebejern bekleidet werden durfte; auch die Wahl blieb bei den Tributkomitien. Unter Sullas Diktatur (82–79) wurde das Tribunat auf seine anfängliche geringe Wirksamkeit eingeschränkt, durch Pompejus aber in seinem ersten Konsulat 70 wieder in alle Rechte eingesetzt, nicht zum Besten des Staates, dessen Verfall die T. wesentlich beschleunigten. Augustus, dessen Beispiel die spätern Kaiser folgten, handelte klug, indem er sich zur Befestigung seiner Macht die tribunicische Gewalt vom Senat übertragen ließ; das Amt der T. blieb beschränkt auf Interzession in Prozessen und im Senat und auf nebensächliche Befugnisse, in der Ämterstaffel eingereiht zwischen Quästur und Prätur, bis es in der Mitte des 3. Jahrh. völlig verschwindet. Der Versuch der Erneuerung des Tribunats durch die Erhebung des Cola di Rienzi zum Tribunen 1347 blieb vereinzelt. Vgl. Rubino, De tribuno plebis, qualis fuerit a Sullae dictatura usque ad primum consulatum Pompei (Kassel 1825); L. Lange, De sacrosanctae potestatis tribuniciae natura (Leipz. 1883). – Das in Frankreich nach dem Staatsstreich vom 18. Brumaire durch die Verfassung von 1799 eingeführte, von Sieyès ersonnene Tribunat bestand aus 100 Mitgliedern und übte mit dem Gesetzgebenden Körper die gesetzgebende Gewalt, indem es die Gesetzentwürfe der Regierung beraten, der letztere aber diese ohne Diskussion verwerfen oder annehmen sollte. Durch Senatuskonsult vom 18. Mai 1804 wurde es indes in der Weise umgestaltet, daß der größere Teil seiner Mitglieder dem Gesetzgebenden Körper einverleibt wurde, die Generalversammlungen aufhörten und nur drei Tribunatsektionen für das Innere, die Gesetzgebung und die Finanzen übrigblieben, bis durch Senatuskonsult vom 19. Aug. 1807 an die Stelle der Tribunatsektionen drei Kommissionen des Gesetzgebenden Körpers traten, und so auch jene Schattengewalt beseitigt wurde.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 701-702.
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