Tripper

[727] Tripper (Gonorrhöa), die häufigste, durch unreinen Beischlaf entstehende, zwar venerische, aber nicht syphilitische Krankheit. Sie besteht in einer Entzündung der Harnröhrenschleimhaut und ist in hohem Grade ansteckend; der Ansteckungsstoff, ein Mikrokokkus (Micrococcus gonorrhoeae, Gonococcus Neisser, s. Tafel »Bakterien«, Fig. 4 u. 43), als dessen Träger der von der Harnröhren- und Scheidenschleimhaut abgesonderte Eiter anzusehen ist, haftet nur auf der Schleimhaut der Harnröhre, der weiblichen Scheide und der Bindehaut des Auges (Augentripper, virulente Augenblennorrhöe). Der T. kommt sowohl beim männlichen als beim weiblichen Geschlecht vor und verläuft bald akut, bald chronisch. Der T. beim Manne beginnt mit Kitzeln in der Eichel, deren Mündung leicht verklebt. Bald rötet sich letztere, schwillt etwas an, es treten schneidend-stechende Schmerzen und eiteriger Ausfluß aus der Harnröhre ein. Der Eiter enthält reichlich Gonokokken. Diese Erscheinungen erreichen in der Regel den höchsten Grad am Ende der ersten acht Tage. In der Nacht stören sehr schmerzhafte Erektionen den Schlaf. Die Schmerzen verbreiten sich in den Hodensack, machen sogar den Stuhlgang und das Sitzen lästig. Beim Urinlassen sind sie besonders heftig. In der zweiten Woche lassen die Entzündungserscheinungen in der Regel etwas nach, der Ausfluß bleibt noch bestehen, wird aber mehr schleimig, hört entweder ganz auf oder wird chronisch (Nachtripper; gonorrhoea chronica, goutte militaire); die Schmerzen hören auf oder sind ganz unbedeutend; der Kranke bemerkt in der Regel nur noch frühmorgens ein Tröpfchen Eiter, das sich aus der Harnröhre herausdrücken läßt. Dieser Ausfluß kann viele Monate lang fortbestehen. Zuweilen schreitet die Entzündung der Harnröhrenschleimhaut auf das unter ihr liegende Zellgewebe fort, es entstehen schmerzhafte Verdickungen, und das Glied macht bei den Erektionen eine Krümmung, die sehr schmerzhaft ist und, wenn sie auszugleichen versucht wird, durch Einrisse der Schleimhaut kleine Blutungen veranlaßt. Schreitet die Entzündung bis zum Blasenhals fort, so entsteht heftiger Urinzwang, auch Harnverhaltung. Auch chronische Blasenkatarrhe sowie Entzündungen der oberen Harnwege (Harnleiter und Nierenbecken) können durch T. entstehen. Entzündung der Vorsteherdrüse verursacht heftige Schmerzen am Damm; Harnlassen und Stuhlgang sind äußerst schmerzhaft. Die Kranken sind zu liegen genötigt. Auch die Lymphdrüsen in der Leistengegend können sich entzünden und (selten) vereitern. Eine nicht seltene Komplikation ist eine Entzündung eines (oder beider) Nebenhoden und Hoden. Diese Organe können plötzlich unter heftigen Schmerzen zu großem Umfang anschwellen, indem Gonokokken oder andre Bakterien in sie von der Harnröhre aus hineingelangen; die Ausheilung nimmt oft sehr lange Zeit in Anspruch; dabei kann der Hoden funktionsunfähig werden. Folgen des Trippers sind vornehmlich Verengerungen der Harnröhre, namentlich im hintern Abschnitte (s. Striktur). Beim weiblichen Geschlecht befällt der T. selten die äußern Geschlechtsteile und die Scheide, sondern hauptsächlich die Harnröhre und den Scheidenteil der Gebärmutter; von hier aus nach innen verschleppt, erzeugt der Gonokokkus schwere eiterige Parametritis, Beckenabszesse etc., indem die Kokken von der Gebärmutter in die Tuben, in das umgebende Beckenbindegewebe und sogar in die Bauchhöhle gelangen, wo sie langwierige, oft gefährliche Bauchfellentzündungen verursachen. Auf dem Wege des Blutkreislaufs können bei Männern und Frauen einzelne Kokken in entfernte Organe[727] gelangen und namentlich chronische Entzündungen der Herzklappen (Endokarditis) und Gelenkentzündungen (Tripperrheumatismus) erzeugen. Kinder, namentlich Mädchen, erkranken nicht selten am T., sei es durch Notzucht, sei es z. B. beim Schlafen in demselben Bett, durch allzu nahe Berührung mit kranken Erwachsenen. Der T. ist ansteckend, solange noch Gonokokken vorhanden sind, was auch bei spärlichster Sekretabsonderung der Fall sein kann. Häufig werden im Spätstadium nur einzelne aus Schleim und spärlichen Eiterzellen bestehende Fäden abgesondert, in denen dann noch vereinzelte Gonokokken sich finden. Die Behandlung des Trippers erfordert vor allem Ruhe und gleichmäßige Wärme, gegen heftige Entzündungserscheinungen und Hodenschwellung Kälte oder feucht-warme Bähungen und schmale, reizlose Diät. Vor allen Dingen hat sich der Kranke des Genusses aller kohlensäurehaltigen Getränke (Champagner, Bier, Selterswasser) gänzlich zu enthalten, auf regelmäßige, leichte Stuhlentleerung bedacht zu sein und beim Gehen ein Suspensorium zu tragen. Zur lokalen Behandlung der Schleimhautentzündung dienen Einspritzungen mit schwachen antiseptischen Lösungen, namentlich von verschiedenen Silbersalzen. Der innerliche Gebrauch von einigen Stoffen, die in den Harn übergehen (Kopaivabalsam, Kubeben, Santelöl), kann nebenbei nützlich wirken. Die Behandlung des Trippers ist immer einem Arzt zu überlassen. Vgl. Nöggerath, Die latente Gonorrhöe im weiblichen Geschlecht (Bonn 1872); Sänger, Die Tripperansteckung beim weiblichen Geschlecht (Leipz. 1889); Finger, Die Blennorrhöe der Sexualorgane und ihre Komplikationen (6. Aufl., Wien 1905); Joseph, Lehrbuch der Haut- und Geschlechtskrankheiten, 2. Teil (4. Aufl., Leipz. 1905); M. v. Zeißl, Diagnose und Therapie des Trippers (2. Aufl., Wien 1903); Wossidlo, Die Gonorrhoe des Mannes und ihre Komplikationen (Berl. 1903); Paldrock, Der Gonokokkus Neisseri (Dorpat 1907); Kornfeld, Gonorrhoe und Ehe (Wien 1904). – Über Eicheltripper s. Eichelentzündung.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 727-728.
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