Wehrsteuer

[462] Wehrsteuer (Militärpflichtersatz, Militärdienststeuer, Militärsteuer oder Wehrgeld, in Österreich Militärtaxe) heißt eine Abgabe, die von im militärpflichtigen Alter stehenden Männern erhoben wird, die den Militärdienst aus irgendeinem Grunde tatsächlich nicht leisten und infolgedessen von Opfern frei sind, die andre bringen müssen. Die W. soll eine Ausgleichung dieser Verschiedenheit bewirken. Eine volle Ausgleichung ist freilich praktisch unmöglich, schon weil viele der hier in Betracht kommenden Opfer oder Vorteile durch Geld nicht meßbar sind. Man hat sich deshalb mit einem gröbern Maßstabe begnügt und die W. nach dem Einkommen bemessen, wobei man von dem Gedanken ausgeht, daß derjenige die Steuer entrichtet, der, wie z. B. die Eltern, Opfer zu bringen hätte, wenn der Dienstpflicht genügt werden müßte. Zuerst kam die W. in Frankreich 1800 auf, wo sie jedoch mit der ersten Republik verschwand. Durch das Militärgesetz vom 16. Juli 1889 ist aber wieder eine W. eingeführt, die aus einer festen Taxe von 6 Frank pro Jahr und einer nach dem Vermögen und der Einnahme des Wehrpflichtigen, bez. nach dem Personal- und Mobiliarsteuerbetrag der Aszendenten festzusetzenden Steuer besteht. Die Steuerpflicht erlischt beim Übertritt in die Reserve der Territorialarmee. Vgl. Joffrès, Études sur le recrutement de l'armée (Par. 1843) und Nouvelles études (das. 1845); Schott, Die französische W. (Jena 1892). Die W. besteht unter dem Titel Militärpflichtersatz in der Schweiz, seit den ersten 1840er Jahren in einzelnen Kantonen, seit 1878 im ganzen Bundesgebiet unter Befreiung der Erwerbsunfähigen, der im Dienst selbst untauglich Gewordenen etc., und zwar in Form einer Kopfsteuer von 6 Fr., einer Vermögenssteuer von 11/2 pro Mille und einer Einkommensteuer von 11/2 Proz. (Vermögen unter 1000 Fr. und die ersten 600 Fr. des Einkommens sind steuerfrei); sie wird bis zum 32. Lebensjahr im vollen, bis zum 44. im halben Betrag erhoben. Sie besteht ferner in Österreich seit 1880, wo die wegen Untauglichkeit oder aus einem andern gesetzlichen Grunde Befreiten auch von der W. (Militärtaxe) frei sind; die W. wird in 14 Klassen in der Höhe von 1–100 Gulden erhoben und der Ertrag zum Teil zur Versorgung von Invaliden sowie der Witwen und Waisen der vor dem Feinde gefallenen Soldaten verwendet. Die W. bestand vorübergehend in Württemberg von 1868 ab, in Bayern von 1869 ab, fiel aber in beiden Ländern mit Errichtung des Deutschen Reiches wieder weg. In Deutschland hat man wiederholt versucht, die W. einzuführen. Eine darauf gerichtete, 1881 im Reichstag ein gebrachte Vorlage, nach der ein Einheitssatz von 4 Mk. und bei Einkommen über 6000 Mk. 3 Proz. auf 12 Jahre als Steuer erhoben werden sollten, wurde einstimmig abgelehnt, indem unter anderm geltend gemacht wurde, der Staat könne keinen Entschädigungsanspruch daraus herleiten, daß ein Teil seiner Bevölkerung vom Dienst frei bleibe, die W. werde die ideale Seite des Heerwesens beeinträchtigen, und ihre Durchführung scheitere daran, daß nicht alle Staaten eine Einkommensteuer, mithin auch nicht den zur Bemessung der W. erforderlichen steuertechnischen Apparat besäßen. Vgl. Marcinowski, Die W. im Deutschen Reich (Berl. 1881); Eheberg, Die W., im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, 2. Aufl., Bd. 7 (Jena 1901); Saur, Die deutsche Wehrsteuerfrage (Berl. 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 462.
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