Antiochīa

[567] Antiochīa, 1) (Antiochēne), Landschaft in Syrien am Orontes; darin 2) A. Epidaphnes (A. bei Daphne), A. ad Orontem, A. ad Daphnem, Stad: am Orontes, spätere Hauptstadt Syriens, Residenz der Seleukiden u. Sitz der Wissenschaften, auf 2 Bergen, bestand aus 4, zu verschiedenen Zeiten gegründeten Städten (daher auch Tetrapolis), zur Zeit der Blüthe 3/4 deutsche Meilen lang, 21/2 Ml. im Umfang; unter den Kaisern, nebst Byzanz, Alexandria u. Kyzikos, Münzstadt im Orient, j. Antalia (Antachia). – A. ward 307 v. Chr. von dem syrischen König Antigonos als Antigonia gegründet, aber sein Nachfolger Seleukos Nikator zog i. J. 301 v. Chr. die Ew. nach einem 40 (od. 70) Stadien entfernten Ort u. gründete daselbst die neue, nach seinem Vater Antiochos A. genannte Stadt; Antigonia ging ein. Als Residenz der syrischen Könige u. in einer fruchtbaren Gegend gelegen, wuchs A. bald so, daß es die Menschenmenge nicht mehr faßte, daher mußte bald noch eine 2. Stadt angelegt werden; [567] Seleukos Kallinikos legte eine 3. an u. Antiochos Epiphanes eine 4., jede dieser Städte hatte eine Mauer für sich u. zusammen wurden sie von einer äußerst festen umschlossen, s. oben. Als Syrien römisch ward, hatte hier der römische Proconsul seinen Sitz, auch viel vornehme Römer u. selbst Kaiser lebten zu ihrem Vergnügen dort. A. wurde sehr oft von Erdbeben heimgesucht, bes. 115 n. Chr., dann unter Iustin, wo der größte Theil der Stadt mit 30,000 Ew. unterging. In dem Streit zwischen Niger u. Severus ergriff A. des Ersteren Partei, u. so ward Laodicea auf eine Zeitlang Residenz (193). Von den Persern wurde A. mehrmals eingenommen, namentlich 260 vom König Sapor I. u. 541 von Khosroës I., u. im letzteren Jahr ganz zerstört; Justinian ließ sie wieder als Theupolis aufbauen. Da A. der Sitz eines der 4 Patriarchen war, so wurden mehrere Concilien hier gehalten (Antiochenische Concilien). Das erste soll um 50 gehalten u. hier von den Aposteln die 9 Antiochenischen Kanones (herausgeg. bei Labbe u. von Lamb. Gruter, Köln 1570) verfaßt worden sein; wirklich begannen die Antiochenischen Concilien erst 264 (da man von dem 252 erwähnten auch blos weiß, daß es berufen war), dann folgten die i. J. 331, 241, 345, 358, 361, 363, 372, 379, 443, 448 etc. n. Chr. In dem 1. Kreuzzuge wurde A. am 3. Juli 1098 nach neunmonatlicher Belagerung von den Christen durch Verrath erobert (s. Kreuzzüge) u. nun daselbst das Fürstenthum A. gegründet, welches sich westlich bis Tarsus in Cilicien u. östlich bis Heraklea erstreckte. Graf Raimund von Toulouse u. Bohemund I., Fürst von Tarent, stritten um den Besitz, Letzterer wurde 1098 zum Fürsten ernannt; er st. 1111 in Apulien, u. sein Sohn u. Nachfolger Bohemund II. trat erst 1126 die Regierung an, bis wohin Tankred, Roger von Sicilien u. Balduin II. die Regentschaft geführt hatten; er fiel 1130 in einem Treffen gegen die Saracenen ohne männliche Erben. Seine Tochter Constantia vermählte sich 1135 mit Raimund I., Graf von Poitiers, der nun Fürst von A. ward. Er hatte lange Krieg mit dem byzantinischen Kaiser. Johann, unterstützte Fulco von Jerusalem u. den Fürsten von Damask gegen den Sultan von Aleppo, nahm 1147 Ludwig VII. von Frankreich gastlich bei sich aus u. fiel 1149 gegen Nur-Eddin von Aleppo. Sein Sohn Bohemund III. übernahm 1163 die Regierung u. st. 1201; seinem Sohn Raimund II. entriß sein Oheim Bohemund IV. A., womit er Tripoli vereinigte; er st. 1233. Diesem folgte 1233–51 sein Sohn Bohemund V. auch als Fürst von A. u. Graf von Tripoli. Unter seinem Sohn, Bohemund VI., ging 1268 A. an Bibars, Sultan von Ägypten, verloren; der Fürst schlug nun seine Residenz in Tripoli auf u. st. 1271: sein Sohn, Bohemund VII., st. 1288 ohne männliche Erben, u. in demselben Jahre wurde auch Tripoli, das durch seine Tochter Lucia an Nargat (Najare) von Toucy gekommen war, von den Saracenen erobert. Jetzt heißt die Stadt noch 3) A. (Antiochien, türk. Antakia), ste liegt im osmanisch-asiatischen Ejalet Haleb; die alten, jedoch fast in Trümmern liegenden Mauern haben gegen 4 Meilen im Umfang, sind auf der Landseite gegen 80 Ellen hoch, umschließen viele u. schöne Gärten; auch Wasserleitungen, Castelle u. a. Alterthümer sind vorhanden. Innerhalb der Mauern gibt es 7 Berge, 7 Märkte, 7 Thore, 7 warme Quellen, welche letztere, an gewissen Tagen besucht, jede besondere Krankheiten heilen sollen. Man handelt mit Seide, Kameelhaaren, Perlen, Aalen, welche sich zahlreich in dem nahen Antiochischen See (Weißem See) finden, u. fertigt Lederwaaren (Saffian), Seidenzeuge. Der nach dieser Stadt genannte griechische Patriarch wohnt zu Damask. Die Zahl der Ew. wird zu 10–12,000 angegeben. In der Nähe der Flecken Babela mit den Reliquien des Heiligen Babylas. Vgl. O. Müller, Antiquitates antioch., Gött. 1839; 4) (A. Kalirrhoë), so v.w. Edessa; 5) (A. ad Maeandrum), Stadt am Mäander in Karien, in einer fruchtbaren Gegend, wo die, Triphylli genannten Feigen wuchsen; später Sitz eines Bischofs unweit das jetzige Kuyuja; 6) (A. Pisidĭae), Stadt auf der Grenze von Groß-Phrygien u. Pisidien, am Tauros; römische Colonie, angeblich von Magneten erbaut, mit Tempel des Mondgottes, mit großem Ländergebiete. Für das Christenthum war A. von großer Bedeutung, da hier Paulus das Evangelium gepredigt u. eine Gemeinde gestiftet hatte, welche die Muttergemeinde des hellenistischpaulinischen Christenthums u. der Mittelpunkt der ersten Missionsreisen in die Heidenländer war. Die Ruinen von A., unweit Jalobatsch, sind in der neuesten Zeit bes. von Richter, 1833 von Arundell, Hamilton n. A. besucht u. beschrieben worden. 7) (A. ad Táurum), Stadt in Kommagene (Syrien) am Tauros; jetzt Aintab; 8) (A. Margiāna), Stadt in Margiana am Margus, früher Alexandria Margiana, von Antiochos Soter größer (13/4 deutsche Ml. im Umfange) wieder hergestellt, ihr ganzes Weichbild war gegen Einfälle mit einer Mauer umgeben. Hierher wurden die römischen Kriegsgefangenen nach des Crassus Niederlage versetzt; j. Merw (Mawri); 9) (A. ad Cragum), Küstenstadt im Rauhen Cilicien, am Kragos, j. Antiochetta; 10) (A. Mygdonĭae), so v.w. Nisibis; 11) noch andere asiatische Städte, welche von Seleukos gegründet wurden.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 567-568.
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