Erfrieren

[842] Erfrieren, 1) (Congelatio), tritt ein, wenn durch hohe Kältegrade dem Körper od. einzelnen Theilen die Wärme bis zu völliger Erstarrung entzogen wird, u. die Flüssigkeiten in Blutgefäßen u. Nerven gerinnen od. wirklich in Eisform übergehen, was gewöhnlich zuvörderst in den Hautbedeckungen geschieht. Von da aus erfolgt auch, mit gänzlicher Vernichtung der thierischen Wärme, ein gleicher Übergang in die tieferen Theile. Wenn aber dies in einem großen Umfang des Körpers Statt hat, werden die noch flüssigen Säfte mehr nach den inneren u. edlen Theilen getrieben, bes. nach dem Gehirn, u. es stellt sich immer zunehmende, endlich unwiderstehlich werdende Schläfrigkeit ein. Überlassen sich dann Menschen derselben, so sind sie, wenn ihnen nicht zeitig Hülfe zugeht, verloren. Sie verfallen zuerst in einen Zustand, welcher dem des Winterschlafs mancher Thierarten gleicht, welcher aber bald in einen apoplektischen Zustand od. in Todtenschlaf übergeht. Die Hülfe, welche Erfrorenen zu leisten ist, besteht darin, daß man sie in eine Temperatur bringt, die eben zureicht, um ein Aufthauen gefrorener Theile zu bewirken. Man legt sie nackend in ganz kaltes Wasser; es bildet sich dann gewöhnlich eine leichte Eisrinde auf der Haut u. mit dieser thaut auch der Körper auf; od. man bedeckt sie mit Schnee, der nur so viel Kälte einem Körper unter ihm mittheilt, daß er nicht gefriert. Belebende Mittel sind erst anzuwenden, wenn sich wieder Lebenszeichen offenbaren. Ebenso stellt man auch erfrorene Glieder durch Reiben mit Schnee od. kaltem Wasser am besten in ihren vorigen Zustand wieder her. Höchst gewagt ist es, erfrorene Glieder sogleich an einem warmen Ofen od. am Feuer zu wärmen. In der Regel entsteht hierauf eine Entzündung des Theils, die in Brand übergeht u. einen Verlust desselben nach sich zieht. Verabsäumt man bei erfrorenen Gliedern die nöthige Vorsicht, so bleiben, wenn auch das Glied erhalten wird, doch gewöhnlich Frostbeulen (s.d.) zurück. 2) (Gartenk.). Sehr leicht erfrieren Obst- u. andere Bäume, wie Pflanzen überhaupt, auch in gewöhnlichen Wintern. Eine Menge ausländischer Pflanzen leiden auch schon von dem mindesten Frost, ja wohl von einer den Gefrierpunkt noch nicht ganz erreichenden Kälte u. verlangen Sicherung in Häusern od. durch Erdbedeckung. Am häufigsten erfrieren Gewächse, wenn zeitige Fröste eintreten, während sie noch im Saft stehen, od., u. noch häufiger, im Frühling durch Nach- u. Spätfröste, wenn sie schon getrieben haben. Um den Frost abzuhalten, sind die besten Mittel: Herbstdüngung, Vorsetzen von Breterwänden vor die Gewächse, Einbinden derselben mit Stroh, Moos, Nadelreisig od. Bedecken mit Stroh- u. Bastdecken, Anbringung von Frostableitern (s.d.). Frostschäden macht man unschädlich, indem man die erfroreren Äste u. das Tragholz hinweg nimmt; auch das Schröpfen u. Abschälen der Rinde leistet gute Dienste. Junge Triebe od. zärtliche Pflanzen, die im Frühjahr von einem Nachfrost getroffen sind u. durch plötzliches Aufthauen in der Sonne leicht getödtet werden, kann man oft dadurch retten, daß man die gefrorenen Theile, noch ehe die Sonne darauf scheint, mit Wasser besprengt, beschattet u. langsam im Schatten aufthauen läßt. Am leichtesten erfrieren Blüthen, was sich gewöhnlich durch eine Schwärze. Veränderung der Farbe u. Welkheit derselben anzeigt; zuweilen sind jedoch nur die Außenblätter der Blüthen vom Frost berührt, od. es gehen auch die ganzen Triebe eines Jahres verloren, bei zarten Gewächsen, bei heftiger Kälte aber wohl auch der Stamm od. das ganze Gewächs, welches dann zuweilen nur sein Leben in der Wurzel noch erhält. Diesem Schaden kann man vorbeugen, wenn man die Gewächse nach dem Frost von oben herab mit Wasser begießt; am Besten ist's aber, das zu frühe Treiben durch Anhäufung von Eis od. Schnee um den Stamm zu verhindern.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 842.
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