Augsburgische Confession

[146] Augsburgische Confession heißt das Glaubensbekenntniß, welches die Protestanten am 25. Jun. 1530 auf dem Reichstage zu Augsburg ablegten. Nachdem seit dem I. 1517 Luther und seine Anhänger immer mehr Lehren und Gebräuche als nichtchristliche verworfen oder doch geändert und sie noch 1529 in Speier gegen das Verbot, weiter zu reformiren, protestirt hatten, entstand der Verdacht, als ob sie gegen Alles, was ihnen überhaupt nicht zusage, protestirten. Von mehren Seiten ward deshalb der Wunsch ausgesprochen, daß die Protestanten doch darüber sich bestimmt erklären möchten, was sie für christlich hielten. Da nun zu jener [146] Zeit Kaiser Karl V. einen Reichstag in Augsburg ausgeschrieben hatte, auf welchem auch die immer weiter greifenden Religionsstreitigkeiten wo möglich beigelegt werden sollten, so zog der Kurfürst von Sachsen, Johann der Beständige, mit dem Kurprinzen Johann Friedrich, von andern protestantischen Fürsten und mehren Theologen begleitet, dahin; Melanchthon aber, Luther's College, gelehrt und mild, arbeitete auf den Grund der 17 torgauer Artikel, die Luther mit andern Gottesgelehrten entworfen hatte, ein Glaubensbekenntniß aus, das, mit Übergehung der wichtigen Lehren von der Vorsehung, von den göttlichen Eigenschaften, sowie vieles Minderwichtigen vorzüglich über die Punkte sich verbreitete, in welchen die Protestanten anderer Meinung waren, als die katholische Kirche. Da man durch dasselbe besonders auf den Kaiser einen günstigen Eindruck zu machen wünschte, so hatte sich Melanchthon darin ungemein schonend und behutsam erklärt, sodaß Luther, der, weil er geächtet war, in Augsburg nicht persönlich erscheinen konnte, sich in Koburg aufhielt, von dort aus aber über alle Punkte sein Gutachten abgab, äußerte: »so leise könne er nicht auftreten, obschon er Alles billige und gute Früchte davon wünsche«. Nicht ohne Mühe wurde den Protestanten am 25. Jun. Nachmittags um 4 Uhr das Vorlesen ihres Glaubensbekenntnisses gestattet. Dasselbe war lat. und deutsch abgefaßt; der Kaiser, der letztern Sprache nicht recht mächtig, wollte es lat. vorlesen lassen, aber auf des Kurfürsten von Sachsen Entgegnung, daß man auf deutschem Grund und Boden sei, wurde es deutsch vorgetragen und zwar von dem kursächs. Kanzler Beyer mit seiner starken Stimme so laut, daß auch die versammelte Menge im Schloßhofe fast jedes Wort verstand. Viele Zuhörer, selbst Kurfürsten und der Bischof von Augsburg erklärten, nachdem sie es vernommen: »Das ist die lautere Wahrheit, wir können's nicht leugnen.« Das deutsche Original nahm der Kurfürst von Mainz für das Reichsarchiv, das lat. der Kaiser zu sich, aber beide Exemplare sind nicht wieder aufgefunden worden. Der Kaiser gab den Protestanten den Bescheid, daß er sich die Sache überlegen wolle, verbot ihnen jedoch den Abdruck der verlesenen Confession; da aber dieselbe sehr bald mit vielen Fehlern gedruckt erschien, so besorgten die Protestanten noch während des Reichstags einen genauen Abdruck ihrer Confession, die nachher in unzähligen Exemplaren verbreitet wurde. Die Katholiken lieferten hierauf eine sogenannte Confutation oder Widerlegung der augsburg. Confession, die ebenfalls auf dem Reichstage vorgelesen ward und in manchen Punkten sich der Confession näherte. Obschon Melanchthon die von ihnen aufgestellten Sätze in seiner Apologie der augsburg. Confession gelehrt und gründlich widerlegte, so verlangte doch der Kaiser, daß die Protestanten sich darnach richten und sich mit den Katholiken vereinigen sollten. Wirklich machte man aus Friedensliebe einen Versuch, der aber nachher den Vermittlern als Schwäche sehr übel gedeutet wurde, und vorzüglich deshalb fruchtlos blieb, da die Grundlehren von der Macht und Untrüglichkeit des Papstes gegen den ersten Grundsatz der Reformation waren. Die Confession selbst enthält erstlich eine Vorrede an den Kaiser, in welcher das Bedürfniß, ein solches Bekenntniß vorzulegen und zugleich der Wunsch ausgedrückt wird, daß bald eine allgemeine, freie Kirchenversammlung stattfinden möchte. Dann folgen 28 Artikel, von denen 21 die Ansichten der Protestanten über folgende Glaubenslehren und die Verwerfung der ihnen entgegengesetzten Irrlehren enthalten: von Gott; von der Erbsünde; von dem Sohne Gottes; von der Rechtfertigung; von dem Predigtamte; vom neuen Gehorsam; von der Kirche; was dieselbe sei; von der Taufe; vom heiligen Abendmahle; von der Beichte; von der Buße; vom Gebrauche der Sacramente; vom Kirchenregimente; von den Kirchenordnungen; von der Policei und dem weltlichen Regimente; von der Wiederkunft Christi zum Gericht; vom freien Willen; von der Ursache der Sünden; vom Glauben und von den guten Werken; vom Dienste der Heiligen. Die übrigen sieben Artikel verbreiten sich über Misbräuche, die geändert sind: Über die beiden Gestalten des Sacraments; über den Ehestand der Priester; über die Messe; über die Beichte; über den Unterschied der Speisen; über Klostergelübde, und über die Gewalt der Bischöfe.

Die augsburg. Confession ist den Protestanten ehrwürdig als Beweis der großen Fortschritte ihrer Vorfahren und ihres Muthes. Was sie als Irrthum der katholischen Kirche verwirft, das wird noch jetzt verworfen; allein die Protestanten sind nicht so an dieselbe gebunden, daß sie alle Ausdrücke, Bestimmungen und Beweise für göttlich und untrüglich ansehen und sich die Freiheit, selbst zu prüfen und wo sie einen Irrthum wahrnehmen, ihn zu verwerfen, sollten rauben lassen. Alle Schriften und Behauptungen der Reformatoren sind nach der Schrift zu würdigen und diese muß nach den Regeln der Sprachen und einer vernünftigen Auslegungskunst mit frommem Ernste erforscht werden. Was den Reformatoren erlaubt war, nämlich selbst zu sehen, wie sichs verhalte, das muß auch ihren Nachkommen erlaubt sein; und es ist natürlich, daß man durch fortgesetztes Untersuchen nach einigen hundert Jahren auch hier, wie in andern Stücken, über Manches anders urtheilt, wie jene ehrenwerthen Männer.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 146-147.
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