Concordia

[455] Concordia heißt im Lateinischen die Eintracht und ist der Name der röm. Göttin derselben, die meist sitzend, eine Schale, ein Füllhorn in der einen Hand, ein Scepter oder einen Heroldsstab in der andern dargestellt wurde und zu deren symbolischer Andeutung gewöhnlich zwei ineinandergeschlungene Hände dienen. – Davon abgeleitet sind unter Anderm die Ausdrücke concordiren, d.h. übereinstimmen, und Concordat, der Name von zwischen dem Papste, nicht als weltlichem Regenten, sondern als Oberhaupt der katholischen Kirche, und zwischen weltlichen Regierungen mit katholischen Unterthanen abgeschlossenen Verträgen, durch welche die Feststellung der katholisch-kirchlichen Verhältnisse, der Einkünfte, Anzahl und der Art der Besetzung der höhern geistlichen Würden, der Gerichtsstand der Geistlichen u.s.w. beabsichtigt wird. Im katholischen Kirchenrechte wird nämlich angenommen, daß ohne Mitwirkung und Bewilligung des Papstes kein Kirchenwesen geordnet zu werden vermöge; andererseits können die Staatsregierungen ihrem Oberaufsichtsrechte über die Kirche nicht entsagen, müssen sich die Genehmigung kirchlicher Verordnungen und Ämterbesetzungen vorbehalten und können überhaupt keinen, ihre höchste Gewalt beeinträchtigenden Einfluß gelten lassen. Gleichwol machte der päpstliche Stuhl von jeher auf mehre dem zuwiderlaufende Rechte Anspruch und da er sie aus einer göttlichen Einsetzung herleitete, älter als irgend ein Staat, so nahm er auch an, daß den Geboten der Kirche nichts vorgehen dürfe. Daraus entstand vor mehr als acht Jahrhunderten jener Streit zwischen der katholischen Kirche und der weltlichen Macht, der noch keineswegs zur Entscheidung gelangt ist, indem erstere nichts von ihren Ansprüchen aufgegeben hat, daher alle Concordate blos als einstweilige Vergleiche zu betrachten sind, die nur von den Umständen aufrecht erhalten werden und bei denen ohnedies Rom meist eine große Überlegenheit geltend zu machen wußte, sodaß es sprüchwörtlich geworden ist: concordiren heißt verlieren. Unter den ältern Concordaten mit Deutschland ist das 1122 von Kaiser Heinrich V. und Papst Calixt II. zu Worms abgeschlossene durch Beilegung des Investiturstreites (s. Belehnung) merkwürdig, besonders vortheilhaft aber für Rom fielen die 1448 von dem schwachen Kaiser Friedrich III. mit Papst Nikolaus V. abgeschlossenen aschaffenburger oder vielmehr wiener Concordate aus, durch welche viele, von der aufgeklärten baseler Kirchenversammlung dem Papste abgesprochene Berechtigungen, obgleich Papst Eugen IV. die darüber sprechenden Beschlüsse bestätigt hatte, wiedererworben wurden. Nach Auflösung des deutschen Reiches fanden mehre Vergleiche des Papstes mit den bedeutendsten Fürsten des Rheinbundes statt, Baiern und Würtemberg fanden jedoch die gemachten Bedingungen dazu ihrem Interesse nicht am gemessen, auch blieben aus demselben Grunde die von päpstlicher Seite auf dem wiener Congresse angebrachten Foderungen unberücksichtigt. Zuerst ging endlich Baiern 1817 ein Concordat ein, zufolge dessen in diesem Königreiche zwei Erzbisthümer, München mit den Bisthümern Augsburg, Passau, Regensburg, und Bamberg mit den Bisthümern Würzburg, Eichstädt, Speier, vom Staate mit Grundeigenthum [455] zur Selbstverwaltung versehen, bestehen, die seitdem ausgeführte Errichtung neuer Klöster bestimmt, dem Könige das Ernennungsrecht mit Vorbehalt päpstlicher Bestätigung gegen angemessene Annaten (s.d.) und Kanzleigebühren überlassen und die Befugnisse der kirchlichen und bürgerlichen Gerichtsbarkeit mit Freistellung der Zuflucht in rein geistlichen Sachen nach Rom, festgesetzt wurde. Hierauf schloß auch Preußen 1821 eine Uebereinkunft mit Rom, jedoch nicht unter dem Namen eines Concordats, sodaß keine Urkunde vorhanden ist, welche ein dem Papste zugestandenes Recht begründete; auch sind die Bestimmungen derselben blos aus der 1821 ergangenen päpstlichen Bulle De salute animarum zu ersehen, welche vom Könige nur mit dem beschränkenden Zusatze: insofern sie Einrichtung, Ausstattung und Begrenzung der Bisthümer u.s.w. betreffe und den Majestätsrechten der Krone wie den Rechten der evangelischen Unterthanen nicht schade, bestätigt ward. In Preußen bestehen demnach zwei katholische Erzbisthümer, Köln und Gnesen, und mit diesen und Breslau, Ermeland, Trier, Münster und Paderborn sieben Bisthümer, von denen in den früher poln. das Capitel mit dem Könige, in den deutschen das Capitel allein, mit Vorbehalt der kön. Zustimmung, aus preuß. Geistlichen ernennt, sowie auch dem Papste die Bestätigung durchgängig verbleibt, der ferner Annaten und andere Gebühren nach einer neuern Taxe, von Erzbischöfen 1000, vom Bischof von Breslau 11662/3, von den andern Bischöfen 6662/3, Goldgulden und so verhältnißmäßig von den übrigen hohen Geistlichen bezieht. Mit dem preuß. sehr übereinstimmend kam 1824 auch mit Hanover, wo nur das Bisthum Hildesheim besteht, ein Vergleich über das katholische Kirchenwesen zu Stande, Würtemberg aber und Baden, beide Hessen, Nassau, Oldenburg, Mecklenburg, mehre andere minder mächtige deutsche Staaten sammt den freien Städten kamen zuerst 1818 durch Abgeordnete wegen der Grundsätze überein, nach denen ein Concordat abgeschlossen werden könne, allein erst nachdem 1819 eine deshalb nach Rom abgeordnete Gesandtschaft unverrichteter Sache zurückgekehrt war, kam es 1821 zu einer vorläufigen Übereinkunft, die sich aber nur auf Bestimmung der katholischen Diöcesen und Bestätigung der ihnen zugewiesenen Einkünfte in den Gebieten jener Staaten beschränkte. Erst 1827 wurden durch eine Bulle Leo XII. die nähern Bestimmungen über die Wahl der Bischöfe und Capitel, über die Seminare und andere dahin gehörige Angelegenheiten in ziemlicher Übereinstimmung mit den betreffenden Regierungen erlassen, und demnach sind jetzt die Katholiken jener Staaten unter einem Metropolitanerzbischof zu Freiburg im Breisgau, und vier Bischöfen zu Mainz, Fulda, Rotenburg am Neckar und Limburg an der Lahn, zur oberrheinischen Kirchenprovinz vereinigt. Die übrigen kleinern deutschen Staaten haben sich wegen ihrer katholischen Unterthanen nach Maßgabe ihrer Lage zum Theil an die wiederhergestellten Bisthümer angeschlossen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 455-456.
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