Vase

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[556] Vase, überhaupt ein rundes Gefäß für Flüssigkeiten, vorzugsweise aber nennt man jetzt Vasen jene aus dem Alterthume auf uns gekommenen, gewöhnlich aus gebranntem, oder auch blos lufttrockenem Thon, aber auch aus Marmor und andern Stoffen bestehenden und zum Theil höchst kunstreich geformten und verzierten Gefäße, welche mittels der darauf vorhandenen Darstellungen auch für die Alterthumskunde sehr wichtig sind.

Sonst gab man ihnen den Namen hetrurischer oder etruskischer Gefäße und Vasen, weil man dergleichen zuerst bei Nachgrabungen in Toscana. dem alten Hetrurien, auffand, auch bei den Alten selbst die zu Aretium, dem jetzigen Arezzo, verfertigten sehr gerühmt werden. In neuerer Zeit hat man sie aber nicht nur ebenfalls in Mittel- und Unteritalien, sondern auch in Griechenland und auf den griech. Inseln in Menge entdeckt, und wenn man anfänglich nur die guterhaltenen beachtete, so lernte man später selbst die zerbrochenen wiederherstellen. Vermuthlich waren zu Samos, zu Korinth und an andern Orten in Griechenland, sowie in den blühenden und reichen Städten von Sicilien und Unteritalien, was auch Großgriechenland hieß, ganze Fabriken solcher Gefäße, denen Malerei und Plastik im Wetteifer die gefälligste Abrundung, die zierlichste Windung der Henkel, die schönsten Zeichnungen zu geben sich bestrebten. Außer an solchen Fabrikstätten hat man derartige Gefäße hauptsächlich in Gräberzellen gefunden, wo sie um die Leiche herumstanden oder an Nägeln an der Wand hingen. Sie dienten jedoch keineswegs als Aschenkrüge oder Urnen, sondern waren Weihgeschenke, welche man den Verblichenen mitgab. Außerdem brauchte man sie als Salbengefäße, als Preise bei Wettspielen, und es war eine alte griech. Sitte, schöne irdene Vasen mit den vorzüglichsten Zierathen in dem Theile des Hauses aufzustellen, welcher am meisten von Fremden gesehen und besucht wurde; endlich dienten sie auch als Geräthe beim Tempeldienste. Mit einem bedeutsamen Gemälde versehen, war eine Vase [556] das bei passender Gelegenheit dem Gegenstande zärtlicher Wünsche darzubringende Geschenk. So findet man z.B. auf einer vorgestellt, wie ein junger Mann in Sklaventracht einem zum Fenster heraussehenden Mädchen drei Äpfel überreicht, was offenbar eine Liebeserklärung bedeutet, da Äpfel und besonders Orangen der Venus geheiligt waren; auf manchen spricht sogar eine kurze Inschrift noch deutlicher. Die Form anlangend, pflegt der bauchige mittlere Theil derselben sich nach unten wie nach oben zu verengen, um dort sich zum Boden abzuplatten oder mit einem angebrachten Fuße zu vereinigen und hier den Hals und die Mündung zu bilden. Auf die mehr und minder ovale Form des mittlern Körpers und die verschiedene Gestaltung der obern Theile mit den Henkeln, sowie des Fußes, beruht daher [557] die Mannichfaltigkeit dieser Gefäße, von denen es große Sammlungen in Neapel, Florenz, London, Paris, Wien, Berlin, Petersburg u.a. O. gibt, sowie es auch nicht an Abbildungen dieser Sammlungen und einzelner besonders merkwürdiger Vasen fehlt. Für gewerbliche Zwecke als Muster enthalten die auf königl. Kosten herausgegebenen »Vorbilder für Fabrikanten und Handwerker« (Berl. 1821 fg.) ebenfalls schöne, antike Vasenformen. Die größten bis jetzt bekannten Gefäße der Art sind 5 F. hoch, die Farbe der darauf vorgestellten Zeichnungen ist meist röthlichgelb und die Vase übrigens schwarz oder braun; für die ältesten werden die gehalten, wo das Umgekehrte stattfindet und die Zeichnungen schwarz sind. Als eine der schönsten wird die vorstehend so ziemlich in natürlicher Größe abgebildete Barberini- oder Portlandvase betrachtet, welche um die Mitte des 16. Jahrh. in einem Sarkophage in einem Grabmale zwischen Rom und Frascati gefunden und bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts im Palaste Barberini zu Rom verwahrt wurde. Hierauf für den Herzog von Portland angekauft, kam sie nach dessen Ableben in das brit. Museum, wo sie sich noch befindet. Sie besteht aus einer durchsichtigen, dunkelblauen Glasmasse, die darauf in Basrelief angebrachten Figuren aber sind von einem undurchsichtigen weißen Stoffe, welcher auf eine nicht mehr bekannte Art mit der Grundmasse so genau verbunden ist, daß er völlig eins mit derselben scheint. Die ungemein ausdrucksvollen Figuren stellen nach der Meinung einiger Alterthumsforscher die Geschichte der Alceste, einer Tochter des Pelias, vor, an dessen Tod durch ihre Schwester sie aber keinen Theil hatte. An den König von Pherä, Admet, vermählt, weihte sie sich für ihn dem Tode, um ihm dadurch das von den Göttern dafür versprochene längere Leben zu erkaufen, wurde aber durch den Hercules aus der Unterwelt zu ihrem Gatten zurückgebracht. Eine andere berühmte Vase heißt von ihrem dermaligen Besitzer, dem Grafen von Warwick, die Warwick-Vase, und wird auf seinem Stammschlosse in England verwahrt. Sie besteht aus weißem Marmor, ist so groß, daß sie 163 Gallonen fassen kann und wird für das Werk eines 330 Jahre v. Chr. lebenden griech. Künstlers gehalten. Man fand sie unter den Trümmern der Villa des Kaisers Hadrian zu Tivoli im jetzigen Kirchenstaate. Um den obern Theil winden sich die Ranken zweier Weinreben und bilden zugleich die Henkel; antike Köpfe in erhöhter Arbeit, ein Pantherfell, Bacchusstäbe und andere Verzierungen bilden den übrigen Schmuck dieses vortrefflich erhaltenen Kunstwerks. In neuerer Zeit bedient man sich nachgeahmter antiker Vasenformen häufig zu Verzierungen auf Gebäuden, an Geländern und Thorpfeilern; auch stellt man dergleichen auf erhöhten Postamenten in Gärten auf und verwendet sie als Blumentöpfe.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 556-558.
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