Österreichisch-ungarischer Ausgleich

[214] Österreichisch-ungarischer Ausgleich. Nach der Auflösung des Deutschen Bundes infolge des Krieges von 1866 mußte Österreich an eine neue verfassungsmäßige Organisierung seines Gebietes gehen, die durch den staatsrechtlichen Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn auf dualistischer Grundlage 1867 erreicht wurde. Danach zerfiel die Gesamtmonarchie in zwei voneinander getrennte und unabhängige Staaten, deren einen Ungarn (mit Siebenbürgen und Banat), deren andern »die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder«, oder kurzweg Österreich genannt, bilden. Dieser österreichisch-ungarische Ausgleich besteht aus einer Reihe von Gesetzen. Zuerst wurde 17. Febr. 1867 durch ein kaiserliches Reskript die ungarische Verfassung hergestellt und vom ungarischen Reichstag 30. März und 3. April der Ausgleichsentwurf angenommen. Erst im Dezember 1867 wurden die damit zusammenhängenden Gesetze dem österreichischen Parlament zur Genehmigung vorgelegt, daher sie auch als »Dezemberverfassung« bezeichnet werden. Am 21. Dez. erhielt sie die Sanktionierung durch den Kaiser. Die Ausgleichgesetze zwischen Österreich und Ungarn: 1) über die Beitragsleistung der beiden Reichshälften zu den gemeinsamen Angelegenheiten; 2) zu den Lasten der allgemeinen Staatsschuld; 3) das Gesetz wegen Vereinbarung eines Zoll- und Handelsbündnisses, wurden mit zehnjähriger Gültigkeit geschaffen und demgemäß im Juni 1878 und im Mai 1887 erneuert. Der im Oktober 1897 vom Ministerium Badeni im österreichischen Abgeordnetenhaus vorgelegte Gesetzentwurf über den Ausgleich wurde wegen seiner die österreichische Reichshälfte schwer schädigenden Bestimmungen obstruiert, und seither konnte der Ausgleich nicht mehr parlamentarisch votiert werden. Die Quote (das Beitragsverhältnis beider Staaten zu den gemeinsamen Ausgaben) wird gemäß einer in den Ausgleichsgesetzen vorgesehenen Bestimmung alljährlich durch den Kaiser festgesetzt. Das von den Ungarn angestrebte Ziel einer reinen Personalunion unter Aufhebung der bisher gemeinsamen Angelegenheiten (Heerwesen, diplomatische Vertretung im Ausland, Einheit des Handels- und Zollgebietes) findet am Monarchen, Kaiser Franz Joseph, den entschiedensten Gegner. Die ungarische Krise der letzten Jahre ist zwar durch den Abschluß des Friedens zwischen der Krone und dem ungarischen Parlament (7. April 1906) endlich bei gelegt; allein die Regelung des Verhältnisses zwischen Österreich und Ungarn steht noch aus und dürfte auf beiden Seiten auf große Schwierigkeiten stoßen. Vgl. Eisenmann, Le compromis Austro-Hongrois de 1867 (Par. 1904); Tezner, Die Wandlungen der österreichisch-ungarischen Reichsidee (Wien 1905).[214]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 214-215.
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