Arăgo

[663] Arăgo, 1) Dominique François, Physiker, geb. 26. Febr. 1786 in Estagel bei Perpignan, gest. 2. Okt. 1853 in Paris, trat 1804 in die polytechnische Schule, wurde 1805 Sekretär des Bureau des longitudes und setzte mit Biot die von Delambre und Méchain zwischen Dünkirchen und Barcelona begonnene Gradmessung bis Formentera fort. Bei Beginn des spanischen Aufstandes wurde er verhaftet, entfloh, geriet aber in die Hände der Barbaresken und erhielt erst 1809 seine Freiheit wieder. Er wurde bald darauf Professor an der polytechnischen Schule in Paris und 1830 Direktor der Sternwarte. Er arbeitete (bis 1816 mit Biot) über die Theorie des Lichtes, über die Polarisation desselben, über Galvanismus und Magnetismus. Mit Gay-Lussac leitete er seit 1809 die Redaktion der »Annales de physique et de chimie«, und als Mitglied des Längenbureaus hatte er teil an der Redaktion des »Annuaire« und an der »Connaissance de temps«. Auch schrieb er: »Astronomie populaire« (Par. 1834–35, 4 Bde.). Seit 1831 Mitglied der Deputiertenkammer, gehörte er zur Opposition. Die Februarrevolution von 1848 rief ihn[663] als Mitglied in die provisorische Regierung, in der er 24. Febr. das Ministerium des Innern, kurz darauf auch das des Krieges übernahm. Als die Regierung ihre Gewalt niederlegte, ernannte ihn die Versammlung zum Mitgliede der Exekutivkommission, in welcher Stellung er seinen Mut während des Juniaufstandes von 1848 glänzend bewährte. Nach dieser Katastrophe war A. in der Nationalversammlung als Mitglied des Kriegskomitees tätig. Eine vollständige Sammlung seiner Schriften erschien unter Leitung Barrals (Par. 1854–62, 17 Bde.; 2. Aufl. 1865 ff.), in deutscher Übersetzung von Hankel (Leipz. 1854–60, 16 Bde.). In seinem Geburtsort Perpignan wurde ihm 1879, in Paris 1893 ein Standbild errichtet. Vgl. Audiganne, François A., son génie et son influence (2. Aufl. 1869).

2) Jacques, franz. Schriftsteller, Bruder des vorigen, geb. 10. März 1790 in Estagel (Ostpyrenäen), gest. im Januar 1855 auf einer Reise nach Brasilien, begleitete als Zeichner die von Freycinet befehligte Expedition, die auf den Schiffen Uranie und Physicienne 1817–20 eine Reise um die Welt machte, übernahm 1835 die Direktion des Theaters zu Rouen, mußte aber schon 1837 infolge seiner Erblindung von dieser Stellung zurücktreten. Seine Weltreise gab ihm Veranlassung zu den interessanten Werken: »Promenade autour du monde« (Par. 1822, 2 Bde., mit Atlas) und »Souvenir d'un aveugle. Voyage autour du monde« (1838, 2 Bde., illustriert; neue Textausgabe 1884). 1849 reiste er trotz seiner Blindheit an der Spitze einer Gesellschaft von Spekulanten nach Kalifornien, um dort das Goldsuchen im großen zu betreiben, ward aber in Valparaiso von seinen Gefährten verlassen und kehrte 1850 nach Frankreich zurück, wo er seine Erfahrungen in dem Werke »Une vie agitée« (1853, 3 Bde.) veröffentlichte.

3) Etienne, Schriftsteller, Bruder des vorigen geb. 9. Febr. 1802 in Perpignan, gest. 5. März 1892 in Paris, wurde unter der Restauration Preparateur der Chemie an der polytechnischen Schule zu Paris. Diese Stellung gab er jedoch bald auf, um sich den Liberalen anzuschließen, und schrieb meist im Verein mit andern (z. B. Balzac) Lustspiele und Vaudevilles, gab mehrere kleinere belletristische Journale heraus und machte sich auch als Feuilletonist bekannt. An der Julirevolution beteiligte er sich mit großem Eifer. Als Direktor des Théâtre du Vaudeville zu Paris fallierte er 1840 mit 1/4 Mill. Frank Schulden, die er bis 1872 abzahlte. In der Februarrevolution von 1848 erhielt er die Direktion der Posten. Bei dem Juniaufstand kompromittiert, entging er der Verhaftung durch die Flucht nach Belgien, wo er »Spa, son origine, son histoire, ses eaux, ses environs et ses jeux« (Brüssel 1851) schrieb, ein schönes Gedicht in sieben Gesängen. Von Turin aus kehrte er, 1859 begnadigt, nach Paris zurück. Seine nächsten Publikationen waren: »Une voix de l'exil«, ein Gedicht (Genf 1860), und »Les Bleus et les Blancs« (Par. 1862), ein historischer Roman über die Kriege in der Vendée. Nach dem Sturze des Kaiserreichs (4. Sept. 1870) beteiligte er sich nur vorübergehend am politischen Leben (vgl. seine Schrift »L'Hôtel de ville de Paris an 4 septembre et pendant le siége«, Par. 1874), bis er 1878 die Stelle als Archivar der École des beaux-arts annahm.

4) Emanuel, ältester Sohn von A. I), geb. 6. Juni 1812 in Paris, gest. daselbst 26. Nov. 1896, ward 1837 Advokat daselbst. Als Republikaner nahm er 1848 eifrigen Anteil an der Februarrevolution. Vom 25. Mai 1848 bis zum Januar 1849 war er Gesandter in Berlin, trat dann in die Nationalversammlung ein und bekämpfte den Präsidenten Ludwig Napoleon. Nach dessen Staatsstreich machte er sich als Verteidiger in politischen und Preßprozessen (so 1867 für den Polen Berezowski, der auf den Kaiser von Rußland geschossen hatte) einen Namen, war als Mitglied des Gesetzgebenden Körpers seit 1869 dem Kaisertum feindlich, sprach in der Sitzung vom 15. Juli 1870 gegen die beabsichtigte Kriegserklärung und wurde nach dem 4. Sept. 1870 als provisorischer Justizminister Mitglied der Regierung der nationalen Verteidigung. Als Mitglied der Nationalversammlung und seit 1876 des Senats schloß er sich der Partei der gemäßigten Republikaner an und war 1880–94 französischer Botschafter in Bern. – Sein jüngerer Bruder, Alfred, geb. 1816, gest. 5. Febr. 1892, bildete sich bei Delaroche zum Maler aus und machte sich besonders durch das Gemälde Karl V. im Kloster San Yuste bekannt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 663-664.
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