Cuvier

[383] Cuvier (spr. kǖwjē), 1) Georges, Baron von, Naturforscher, geb. 23. Aug. 1769 in Mömpelgard, gest. 13. Mai 1832, besuchte seit 1784 die Karlsakademie zu Stuttgart, ward 1788 Hauslehrer bei dem Grafen d'Héricy auf Fiquainville in der Normandie und hielt 1788 am Militärhospital zu Fécamp botanische Vorlesungen. 1795 ward er Professor an der Zentralschule des Panthéon in Paris, dann Gehilfe Mertruds, des Lehrers der vergleichenden Anatomie am Jardin des Plantes, und begann eine anatomische Sammlung zu gründen, die in der Folge die größte Europas wurde. 1796 zum Mitgliede des Nationalinstituts ernannt, ward er 1800 Daubentons Nachfolger am Collège de France und 1802 Generalinspektor des öffentlichen Unterrichts. 1808 wurde er Rat der kaiserlichen Universität, leitete die Einrichtung von Akademien in Italien, Holland und den Hansestädten und gründete 1809 die Fakultät der Wissenschaften. 1813 ward er Requêtenmeister im Staatsrat und erhielt den Auftrag, die Bewohner des linken Rheinufers zur Erhebung gegen die Verbündeten zu veranlassen, welche Sendung jedoch bei dem raschen Vordringen der letztern mißlang. 1814 ernannte ihn Napoleon I. zum Wirklichen Staatsrat. Nach der zweiten Restauration ward C. Kanzler der Universität, 1819 Baron und Kabinettsrat, 1822 Großmeister der protestantisch-theologischen Fakultät der Universität. 1831 wurde er Pair von Frankreich und sollte eben seine Bestallung als Minister des Innern erhalten, als ihn der Tod ereilte. Seine geognostischen Untersuchungen des Pariser Beckens führten zu der Erkenntnis, daß abwechselnd Fluten vom Süßwasser und vom Meer die Erdoberfläche verändert haben. Durch Anwendung der vergleichenden Osteologie auf die Reste vorweltlicher Wirbeltiere eröffnete er die Bahn, auf der ihm die berühmtesten Forscher aller Nationen gefolgt sind. In der Zoologie stellte er zuerst Typen auf, deren jeder eine eigentümliche, von den andern unabhängige Ausbildung zeigt. Als Sammler naturhistorischer Gegenstände, als Forscher, Systematiker, Lehrer, Redner, Staatsmann und als Freund des Volkes steht er gleich groß da. Das Schulwesen und die protestantische Kirche in Frankreich verdanken ihm unendlich viel. Mit der deutschen Sprache und Literatur und dem deutschen Geist vertraut, würdigte er auch alle in Deutschland gemachten Fortschritte. Er schrieb: »Leçons d'anatomie comparée« (Par. 1800–1805, 5 Bde.; neue Ausg., hrsg. von Duméril, Laurillard und Duvernoy, das. 1835–45, 9 Bde.; deutsch von Froriep und Meckel, Leipz. 1808–10, 4 Bde.), die er in den »Mémoires sur l'anatomie des mollusques« (1817) ergänzte (dazu erschien: »Anatomie comparée, recueil de planches, dess. par. G. C., ou exécutées sous ses yeux par M. Laurillard«, hrsg. von Laurillard u. Mercier, 1850); »Recherches sur les ossements fossiles« (1812, 4 Bde.; 4. Aufl. 1835); »Discours sur les révolutions de la surface du globe et sur les changements qu'elles ont produits dans le règne animal« (zuerst als Einleitung zu dem vorgenannten Werk, dann besonders gedruckt, in 8. Aufl. 1840; mit Noten und Anhang hrsg. von Höfer, 1850; deutsch von Nöggerath, Bonn 1830, 2 Bde.; von Giebel, Leipz. 1851); »Le règne animal distribué d'après son organisation« (1817, 4 Bde.; neue Aufl. 1849, 11 Bde., mit 1000 Tafeln; deutsch von Schinz, Stuttg. 1818, und von Voigt, Leipz. 1831–1843, 6 Bde.); »Histoire naturelle des poissons« (fortgesetzt von Valenciennes, 1829–49, 22 Bde.); »Histoire des sciences naturelles« (hrsg. von Saint-Agy, 1841–45, 5 Bde.); »Recueil des éloges historiques lus dans les séances publiques de l'Institut de France« (1819; 2. Aufl. 1861, 3 Bde.; hrsg. von Flourens, 1860); »Lettres à M. Pfaff sur l'histoire [383] naturelle, la politique et la littérature« (1788–1792), die nach der von Behn besorgten deutschen Ausgabe (Kiel 1845) von Marchant ins Französische übersetzt wurden (Par. 1858). Vgl. Lee, Memoirs of baron C. (Lond. 1833), und Pasquier, Eloge de C. (Par. 1833); Ducrotay de Blainville, C. et Geoffroy Saint-Hilaire (das. 1890); K. E. v. Baer, Lebensgeschichte Cuviers (hrsg. von Stieda, Braunschw. 1897).

2) Frédéric, Bruder des vorigen, geb. 27. Juni 1773 in Mömpelgard, war Mitglied des Instituts und des protestantischen Konsistoriums, starb als Professor und Konservator des Kabinetts für vergleichende Anatomie im Jardin des Plantes zu Paris 25. Juli 1838 in Straßburg. Er schrieb: »Sur les dents des mammifères comme caractères zoologiques« (Par. 1823 u. 1824), gab mit Geoffroy de Saint-Hilaire heraus: »Histoire naturelle des mammifères« (das. 1824f.) und bearbeitete für das »Dictionnaire des sciences naturelles« (Straßb. 1816ff.) die Säugetiere.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 383-384.
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