Eulenburg [1]

[161] Eulenburg, 1) Botho Heinrich, Graf von E.-Wicken, preuß. Staatsmann, geb. 27. Dez. 1804, gest. 17. April 1879, Mitglied der Landesverwaltung des Herzogtums Schleswig während des Waffenstillstandes (25. Aug. 1849 bis 15. Juli 1850), seit August 1850 Präsident der Regierung zu Marienwerder, Landtagsmarschall und Oberburggraf von Preußen, präsidierte 1855–58 dem Abgeordnetenhaus, war seit 1864 Mitglied des Herrenhauses, 1867–78 auch Reichstagsmitglied und wurde im September 1874 Präsident der Staatsschuldenverwaltung.

2) Friedrich Albrecht, Graf von, preuß. Minister, Vetter des vorigen, geb. 29. Juni 1815 als Sohn des Grafen Friedrich (gest. 1845), gest. 2. Juni 1881 in Schöneberg bei Berlin, seit 1849 Hilfsarbeiter im Ministerium des Innern, trat 1852 in den diplomatischen Dienst über, ward preußischer Generalkonsul in Antwerpen und 1858 in Warschau, begleitete im Oktober 1859 die ostasiatische Expedition als bevollmächtigter Minister bei den Höfen von China, Japan und Siam und schloß Freundschafts- und Handelsverträge ab mit Japan (24. Jan. 1861) und China (2. Sept. 1861). Nach Europa zurückgekehrt, übernahm er 8. Dez. 1862 im Ministerium Bismarck das Innere, war in den Konfliktsjahren eine Stütze Bismarcks, aber bei den Abgeordneten wenig beliebt. Nach 1866 war die Einordnung der 1866 annektierten Länder in das preußische Verwaltungssystem seine Hauptaufgabe; 1872 begann er die seit langem geforderte Verwaltungsreform, ließ sich aber zu den Reformen mehr drängen, als daß er selbst die Initiative ergriff. Als Bismarck seiner Städte- und Gemeindeordnung die Zustimmung versagte, forderte er seine Entlassung, die er 30. März 1878 erhielt. Seine Briefe aus Ostasien gab Graf Philipp zu E.-Hertefeld in »Ostasien 1860–1862 in Briefen« (Berl. 1900) heraus, seine Reden sind in »Zehn Jahre innere Politik 1862–1872« (das. 1872) gesammelt.

3) Botho, Graf, preuß. Minister, geb. 31. Juli 1831 als Sohn von E. 1), studierte die Rechte, ward Landrat, gehörte 1865–70 dem Abgeordnetenhaus, dessen zweiter Vizepräsident er in einer Session war, und dem konstituierenden Reichstag an. Vom Grafen [161] Friedrich E. 1864 als Hilfsarbeiter ins Ministerium des Innern berufen, ward er vortragender Rat, 1869 Regierungspräsident in Wiesbaden, 1872 Bezirkspräsident in Metz, 1873 Oberpräsident in Hannover und als Nachfolger seines Vetters 31. März 1878 Minister des Innern, als welcher er das Sozialistengesetz im Reichstag im Oktober 1878 vertrat und die Verwaltungsreform weiter führte. Da E. hierbei dem Fürsten Bismarck zu nachgiebig schien, nahm er im Februar 1881 seine Entlassung als Minister, wurde bald Oberpräsident von Hessen-Nassau, aber nach dem Rücktritt des Grafen Caprivi vom Ministerpräsidium im März 1892 Ministerpräsident und im August Minister des Innern. Wegen der sogen. Umsturzvorlage (s.d.) mit Caprivi in Meinungsverschiedenheit geraten, erhielt E., nachdem der Kaiser Caprivis Ansicht gebilligt, gleichzeitig mit diesem 29. Okt. 1894 als Ministerpräsident und Minister des Innern die Entlassung, ward aber 1899 aus besonderm königlichen Vertrauen zum Herrenhausmitglied ernannt.

4) August, Graf zu, geb. 22. Okt. 1838 in Königsberg, jüngerer Bruder des vorigen, Oberhof- und Hausmarschall des Kaisers Wilhelm II., trat 1858 als Leutnant in das 1. Garderegiment, begleitete 1860–62 seinen Vetter, den Grafen Friedrich zu E., nach Ostasien, ward 1865 Adjutant, 1868 Kammerherr und Hofmarschall des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, 1883 Oberzeremonienmeister und rückte 1890 in seine jetzige Stellung ein.

5) Philipp, Graf zu, seit 1. Jan. 1900 Fürst zu E. und Hertefeld, Graf von Sandels mit dem Prädikat »Durchlaucht«, deutscher Diplomat, geb. 12. Febr. 1847 zu Königsberg i. Pr., Sohn des Grafen Philipp zu E. auf Liebenberg, trat 1866 in das Regiment Gardedukorps, mit dem er auch den Krieg 1870/71 mitmachte, unternahm 1871–72 Reisen im Orient und studierte darauf die Rechte. 1877 ging er zur Diplomatie über, wurde 1879 Botschaftssekretär in Paris, 1881 in München, 1888 preußischer Gesandter in Oldenburg, 1890 in Stuttgart, 1891 in München, 1894 deutscher Botschafter in Wien, schied aber im November 1902 wegen schwerer Erkrankung aus dem diplomatischen Dienst aus. Vertrauter des Kaisers Wilhelm II., der ihn 27. Jan. 1900 zum erblichen Mitgliede des preußischen Herrenhauses ernannte und ihn wiederholt zum Begleiter auf den Nordlandreisen erwählte, machte sich E. auch als Dichter und Liederkomponist (»Rosenlieder«) bekannt. Er veröffentlichte: »Skaldengesänge« (Braunschw. 1892, illustriert von O. Seitz), »Das Weihnachtsbuch« (Stuttg. 1892), »Abenderzählungen, Märchen und Träume« (das. 1894) und gab die Briefe des Grafen Friedrich von Eulenburg aus Ostasien heraus (s. oben, E. 2).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 161-162.
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