Hamilton [3]

[693] Hamilton (spr. hämmilt'n), eins der ältesten und angesehensten schott. Geschlechter, dessen Ahnherr Sir Gilbert H. sich wahrscheinlich vor 1272 in Schottland niederließ. Die namhaftesten Sprößlinge sind:

1) James, Lord, gest. 6. Sept. 1479, zeichnete sich unter Jakob II. und Jakob III. mehrfach im Krieg und bei den Verhandlungen mit England aus, wurde 1445 zum Lord erhoben und heiratete 1474 Maria, die Tochter König Jakobs II., mit deren Hand er die Grafschaft Arran erhielt.

2) James, Graf von Arran, Sohn des vorigen, gest. 1529, spielte bei den Streitigkeiten um die Regentschaft nach dem Tode Jakobs IV. eine hervorragende Rolle. 1520 wurde er von den Douglas unter Führung des Grafen von Angus nach heftigem[693] Straßenkampf aus Edinburg vertrieben. Nach dem Tode des Regenten, des Herzogs von Albany, 1524, verband er sich mit der Königin Margarete, um im Namen des zwölfjährigen Jakob V. zu regieren, söhnte sich aber bald mit Angus aus und hatte bis zur Flucht Jakobs V. Anteil an der Regierung.

3) Patrick, Neffe des vorigen, geb. um 1504, gest. 29. Febr. 1528, einer der ersten Bekenner des Protestantismus in Schottland, studierte in Paris und St. Andrews, lernte die Schriften der deutschen Reformatoren kennen, trat 1527 in Wittenberg zu Luther und Melanchthon in Beziehungen, lebte dann einige Monate in Marburg und predigte nach seiner Rückkehr in Schottland die neue Lehre. Doch schon nach kurzer Zeit wurde er auf Betreiben des Kardinals Beaton als Ketzer verbrannt. Sein Glaubensbekenntnis und die englische Übersetzung seiner »Loci communes« gab John Fryth heraus. Vgl. Lorimer, Patrick H., the first preacher and martyr of the Scottish reformation (Edinb. 1857); Collmann in der »Zeitschrift für historische Theologie«, 1864.

4) James IV., Graf von Arran, Herzog von Châtelherault, Sohn von H. 2), gest. 22. Jan. 1575, begleitete 1536 Jakob V. nach Frankreich und wurde nach dessen Tode 1542 vom Parlament zum Regenten und Vormund der jungen Königin Maria Stuart ernannt. 1543 stimmte er durch den Vertrag von Greenwich dem Plan, Maria Stuart mit Eduard VI., Sohn Heinrichs VIII. von England, zu vermählen, zu, trat aber später zur französischen Partei über und wurde dafür zum Herzog von Châtelherault ernannt. Infolge der Bemühungen der Königin-Witwe, Marie von Guise, ihn von der Herrschaft auszuschließen, mußte H., von seinen Anhängern verlassen, 12. April 1554 die Regentschaft niederlegen. Nach der Rückkehr der Königin aus Frankreich wurde H. 1566 genötigt, nach Frankreich in die Verbannung zu gehen, kehrte aber nach Maria Stuarts Sturz 1569 nach Schottland zurück, ergriff die Partei der Königin, kämpfte auch nach der Ermordung des Regenten Murray durch einen seiner Anhänger und Verwandten, James H. von Bothwell-Haugh (23. Jan. 1570), noch mehrere Jahre tapfer für ihre Sache und unterwarf sich erst im Februar 1573 dem jungen König Jakob VI. und dem Regenten Grafen von Morton. Sein Bruder John H., Erzbischof von St. Andrews, gleichfalls eifriger Anhänger Marias, wurde 2. April 1571 gefangen genommen, der Mitschuld an der Ermordung Murrays angeklagt und 6. April gehenkt.

5) James V., dritter Graf von Arran, Sohn des vorigen, geb. 1530, gest. 1609, trat in Frankreich zum Protestantismus über, floh, als er verhaftet werden sollte, nach England und kehrte von dort nach Schottland zurück, verfiel aber 1561 oder 1562 in Geisteskrankheit. In den Kämpfen der folgenden Jahre wurden die Güter der Familie H. eingezogen, sie selbst geächtet. James' V. Bruder, John H., wurde 1585 begnadigt und 1599 zum ersten Marquis von H. ernannt; er starb 12. April 1604. Von einem andern Bruder, Claude H., der bis zum Tode Maria Stuarts ein Führer der katholischen Partei in Schottland war, gest. 1622, stammen die jetzigen Herzoge von Abercorn (s. d.) ab.

6) James, Herzog von H., Enkel des ersten Marquis von H., geb. 19. Juni 1606, gest. 9. März 1649, stand zu König Karl I. in den engsten Beziehungen. 1631 führte er dem Schwedenkönig Gustav Adolf fünf Regimenter, die er mit Unterstützung des Königs angeworben, zu, kehrte aber bald nach England zurück, nachdem seine Truppen fast ganz aufgerieben waren. 1638 bemühte er sich als Karls Kommissar in Schottland vergebens, zwischen dem König und den Covenanters zu vermitteln. Seit 1643 Herzog von H., ward er 1644 der Verräterei verdächtigt und längere Zeit gefangen gehalten, bis ihn 1646 Fairfax' Truppen befreiten. 1648 fiel er zugunsten Karls mit einem schottischen Heer in England ein, ward aber von Cromwell bei Preston geschlagen, bald darauf, 25. Aug., gefangen und kurze Zeit nach Karl hingerichtet.

7) William, Graf von Lanark, zweiter Herzog von, Bruder des vorigen, geb. 14. Dez. 1616, gest. 12. Sept. 1651, war Staatssekretär von Schottland unter Karl I., fiel mit seinem Bruder in Ungnade und schloß sich den Covenanters an, trat aber später wieder zur Partei des Königs über. Nach der Schlacht von Preston flüchtete er nach Holland, folgte dem jungen Karl II. auf dessen Zug nach England und wurde 1651 in der Schlacht von Worcester tödlich verwundet. Da er keine Söhne hinterließ, übertrug Karl II. den Herzogstitel 1660 auf William Douglas, Graf von Selkirk (gest. 18. April 1694), den Gemahl Annas, Tochter des ersten Herzogs. Von ihm stammen die jetzigen Herzoge von H. ab.

8) James, Graf von Arran, Herzog von, ältester Sohn von William Douglas, geb. 11. April 1658, gest. 15. Nov. 1712, wurde 1698, nachdem seine Mutter auf den Titel verzichtet hatte, Herzog von H., ward nach der Union Schottlands mit England schottischer Repräsentativpeer und erhielt 1711 den Titel eines Herzogs von Brandon in der englischen Peerie, ward aber dessen ungeachtet zum Virilstimmrecht im Oberhaus nicht zugelassen. – Sein Bruder Charles war 1688 zum Grafen von Selkirk ernannt worden und vererbte diesen Titel auf seinen Bruder John, gest. 1744, den Ahnherrn der spätern Grafen von Selkirk. Ein andrer Bruder, George Douglas, wurde 1696 Graf von Orkney, focht in der Schlacht am Boynefluß und im Spanischen Erbfolgekrieg, kommandierte 1712 als General der Infanterie in Flandern und starb 1737. Von ihm stammen in weiblicher Linie die jetzigen Grafen von Orkney (aus dem Hause Fitzmaurice) ab.

9) James George, Urenkel von H. 8), erbte 1761 nach dem Tode des Herzogs von Douglas die Titel eines Marquis von Douglas und Grafen von Angus. Da aber er und sein Bruder Douglas H., der 1782 endlich als Herzog von H. und Brandon im Oberhaus zugelassen war, ohne männliche Erben starben, so fielen Titel und Güter 1799 an ihren Oheim Archibald.

10) William Alexander Anthony Archibald, Herzog von H. und von Brandon, Enkel Archibalds, geb. 19. Febr. 1811, gest. 15. Juli 1863, vermählt 1843 mit der Prinzessin Marie Amalie Elisabeth Karoline, Tochter des Großherzogs Karl Ludwig Friedrich von Baden, erbte 1852 den Herzogstitel und hinterließ ihn William Alexander Lewis Stephen, geb. 12. März 1845, gest. 17. Mai 1895, dem 1864 der Titel eines Herzogs von Châtelherault (s. oben: Hamilton 4) durch Napoleon III. erneuert wurde. Ihm folgte als dreizehnter Herzog ein entfernter Verwandter, Alfred Douglas Douglas-H., Nachkomme des vierten Herzogs, geb. 1862.

11) George, Lord, brit. Staatsmann, geb. 17. Dez. 1845, dritter Sohn des ersten Herzogs von Abercorn, trat 1864 in die Armee und wurde 1868 Leutnant in der Garde. Bei den Wahlen von 1868 bewarb er sich als konservativer Kandidat um einen Parlamentssitz[694] in London und zog sich, als er wider Erwarten diesen Sitz der liberalen Partei entrissen hatte, aus der Armee zurück, um sich ganz der politischen Laufbahn zu widmen. 1874 wurde er Unterstaatssekretär im indischen Amt, von 1878 aber bis 1880 war er Vizepräsident des Geheimen Rates (Unterrichtsminister). In den beiden Ministerien Salisbury 1885 und 1886–92 war er Marineminister (erster Lord der Admiralität), in seinem dritten Kabinett wurde er 1895 Minister für Indien, behielt dies Amt auch unter Balfour, trat aber 15. Sept. 1903 wegen seiner Differenzen mit Chamberlain zurück (vgl. Großbritannien, S. 417).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 693-695.
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