Harms

[815] Harms, 1) Klaus, namhafter prot. Theolog, geb. 25. Mai 1778 zu Fahrstedt in Süderdithmarschen, gest. 1. Febr. 1855 in Kiel, unterstützte seinen Vater, einen Müller, bis 1797 in dessen Geschäft, besuchte alsdann zwei Jahre das Gymnasium zu Meldorf und widmete sich hierauf in Kiel dem Studium der Theologie. Nachdem er 1802–06 Hauslehrer gewesen, wurde er Diakonus zu Lunden und 1816 Archidiakonus an der Nikolaikirche in Kiel. Inzwischen war er von der Gefühlsreligion Schleiermachers zur streng kirchlichen Gläubigkeit vorgeschritten. Seine bei Gelegenheit der Reformationsjubelfeier u. d. T.: »Das sind die 95 Theses oder Streitsätze Luthers ... und mit andern 95 Thesen als mit einer Übersetzung aus 1517 in 1817 begleitet« (Kiel 1817) veröffentlichte Schrift gab das Signal zu einem immer energischern Vorgehen der Restaurationstheologie. Trotz vieler Angriffe wurde H. 1835 Hauptpastor und Propst zu Kiel, 1841 Oberkonsistorialrat; 1849 trat er wegen eines Augenübels zurück. Unter seinen zahlreichen, meist praktisch-erbaulichen Schriften sind als die bedeutendsten hervorzuheben: »Winterpostille« (Kiel 1808) und »Sommerpostille« (das. 1815; von beiden 6. Aufl., Leipz. 1846); »Neue Winterpostille« (Altona 1825) und »Neue Sommerpostille« (das. 1827); »Pastoraltheologie« (das. 1830–34, 3 Bde.; 3. Aufl. 1878; zuletzt Gotha 1891); aus seinem Nachlaß erschien eine Sammlung Predigten (»Des Christen Glauben und Leben«, Hamb. 1869). Vgl. »H.' Lebensbeschreibung, verfaßt von ihm selber« (2. Aufl., Kiel 1851; zuletzt Gotha 1888); Baumgarten, Denkmal für Klaus H. (Braunschw. 1855); Kaftan, Klaus H. (Vortrag, Basel 1875); Lüdemann, Erinnerung an Klaus H. und seine Zeit (Kiel 1878).

2) Ludwig, luther. Theolog, geb. 5. Mai 1808 zu Walsrode im Regbez. Lüneburg, gest. 14. Nov. 1865 in Hermannsburg, wurde 1844 Gehilfe seines Vaters und 1849 dessen Nachfolger im Amt eines Predigers von Hermannsburg in Hannover. Daselbst errichtete er 1849 eine im streng konfessionellen Geist geleitete Missionsanstalt. Ein eignes Missionsschiff (Candace) vermittelte seit 1853 den Verkehr zwischen der Anstalt und den Stationen in Südafrika. Unter seinen Predigtsammlungen sind die berühmtesten die »Predigten über die Evangelien« (13. Aufl., Hermannsb. 1896), die »über die Episteln« (5. Aufl., das. 1895) und die »Katechismuspredigten« (4. Aufl., das. 1903). Sein Leben beschrieben kurz sein Bruder und Amtsnachfolger Theodor H. (5. Aufl., Hermannsb. 1877) und H. Knaut (Götting. 1899), eine ausführliche Biographie gab Mehrtens (Bd. 1, Stade 1902). – Wegen seines Widerspruchs gegen die Zivilehe ward Theodor H. 1877 entsetzt und gründete 1878 die »Hannoversche Evangelisch-lutherische Freikirche« (s. d.), worauf das Konsistorium die Kollekte für die Hermannsburger Mission untersagte.

3) Friedrich, philosophischer Schriftsteller, geb. 24. Okt. 1819 in Kiel, gest. 5. April 1880, studierte Medizin und unter Ritter und Chalybäus, von denen der erstere nachhaltigen Einfluß auf ihn übte, Philosophie, habilitierte sich 1842 als Privatdozent zu Kiel, wurde 1848 zum außerordentlichen, 1858 zum ordentlichen Professor daselbst ernannt und 1867 als ordentlicher Professor der Philosophie nach Berlin berufen, wo er eine reiche akademische Tätigkeit entfaltete. Von seinen philosophischen Arbeiten, in denen er sich dem ältern Fichte nähert, seien hier hervorgehoben: »Der Anthropologismus in der Entwickelung der Philosophie seit Kant« (Leipz. 1845); »Prolegomena zur Philosophie« (Braunschw. 1852): »J. G. Fichte« (Kiel 1862) und »Die Philosophie Fichtes nach ihrer geschichtlichen Stellung und nach ihrer Bedeutung« (das. 1862), worin er den ethischen und nicht den subjektiven Idealismus als das einheitliche Wesen der Philosophie Fichtes darstellte; »Abhandlungen zur systematischen Philosophie« (Berl. 1868); »Über den Begriff der Psychologie« und »Zur Reform der Logik« (das. 1874); »Über die Lehre von F. H. Jacobi« (das. 1876); »Über den Begriff der Wahrheit« (das. 1877); »Die Philosophie seit Kant« (das. 1877); »Geschichte der Psychologie« (das. 1878); »Die Formen der Ethik« (das. 1878); »Geschichte der Logik« (das. 1880). Aus seinem Nachlaß gab Wiese heraus: »Metaphysik« (Bresl. 1885); »Methode des akademischen Studiums« (Leipz. 1885); »Logik« (das. 1886); »Ethik« (das. 1889); »Begriff, Formen und Grundlegung der Rechtsphilosophie« (das. 1889); »Naturphilosophie« (das. 1895); »Psychologie« (das. 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 815.
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