Ulfĭlas

[879] Ulfĭlas (Ulfila, Wulfilas, »Wölfel«), der Apostel der Goten, geb. 311, stammte von christlichen Vorfahren ab, die durch die Goten aus Kappadokien in die Gefangenschaft geführt worden waren, gest. 382 in Konstantinopel, wurde 341 von Eusebios von Nikomedia (s. Eusebios 2) zum Bischof geweiht, wirkte dann sieben Jahre unter den Westgoten jenseit der Donau für das arianische Christentum, flüchtete aus Anlaß einer Christenverfolgung um 350 mit einem großen Teil der Goten über die Donau in das römische Reich und setzte dort als deren Bischof seine Tätigkeit fort. An der Synode zu Konstantinopel 360 nahm er teil, auch seine letzte Reise nach Konstantinopel galt dem Besuch eines von Kaiser Theodosius berufenen Konzils. Von seinen schriftstellerischen Arbeiten hat sich nur ein Teil seiner gotischen Bibelübersetzung erhalten, der für das Alte Testament die Septuaginta in der Rezension des Lukianos (s. d.), für das Neue eine noch nicht genau festgestellte Rezension des griechischen Textes, zugrunde liegt. Daß er für seine Übersetzung ein gotisches Alphabet erfunden habe, berichten mehrere Schriftsteller ausdrücklich, s. Gotische Sprache. Jedenfalls bleibt ihm der Ruhm, zuerst die Sprache seines Volkes in zusammenhängender schriftlicher Darstellung angewendet und ihr durch die Bibelübersetzung einen festen Halt gegeben zu haben. Aus Süditalien kam ein um 500 geschriebener Prachtkodex der Evangelien, mit silbernen Buchstaben auf purpurfarbenes Pergament geschrieben, nach dem Kloster Werden an der Ruhr, dann nach Prag und nach Eroberung dieser Stadt durch den schwedischen General Königsmark nach Schweden, wo er seit 1669 unter dem Namen des Codex argenteus (faksimiliert hrsg. von Uppström, Upsala 1854) in der Bibliothek der Universität Upsala aufbewahrt wird. Ein Teil der Übersetzung des Matthäus-Evangeliums und der Paulinischen Briefe befindet sich in der Ambrosianischen Bibliothek in Mailand, einige Stücke des Römerbriefs auch in der Wolfenbütteler Bibliothek (Codex Carolinus). Vom Alten Testament sind nur Stücke aus Nehemia erhalten. Nach U. und mit deutlicher Benutzung seiner Evangelienübersetzung verfaßte später ein Gote, vielleicht erst im 6. Jahrh., eine paraphrasierende Erklärung des Evangeliums Johannis, deren ebenfalls aus Bobbio stammende Bruchstücke zuerst von MaßmannSkeireins aivaggeljons thairh Johannen«, Münch. 1834), dann von Dietrich (»Die Bruchstücke der Skeireins«, Straßb. 1903) herausgegeben worden sind. Gesamtausgaben der gotischen Sprachdenkmäler lieferten v. d. Gabelentz und Löbe (Altenb. 1843–46, 2 Bde.), auch Maßmann (Stuttg. 1857), Stamm und Heyne (11. Aufl. von Wrede, Paderb. 1908) und Bernhardt (Halle 1875, Textausg. 1884). Vgl. Waitz, Über das Leben und die Lehre des U. (Hannov. 1840); Bessel, Über das Leben des U. (Götting. 1860); Ch. A. A. Scott, U., apostle of the Goths (Cambr. 1885); Kauffmann, Aus der Schule des Wulfila (Straßb. 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 879.
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