Gabelentz

[246] Gabelentz, 1) Hans Conon von der. hervorragender Sprachforscher, geb. 13. Okt. 1807 in Poschwitz bei Altenburg, gest. 3. Sept. 1874 in Lemnitz bei Triptis, studierte in Leipzig und Göttingen Kameral- und Rechtswissenschaften und orientalische Sprachen, trat 1830 in den altenburgischen Staatsdienst und wurde 1831 zum Kammer- und Regierungsrat befördert. Seit 1847 Landmarschall im Großherzogtum Weimar, wohnte er 1848 dem Vorparlament zu Frankfurt bei und trat dann für die sächsischen Herzogtümer in die Zahl der 17 Vertrauensmänner ein. Später war er interimistischer Bundestagsgesandter bis zur Auflösung des Bundestags im Juli 1848. Ende November d. J. wurde er zum Ministerpräsidenten in Altenburg ernannt, nahm aber im August 1849 seine Entlassung. 1850 war er Mitglied des Erfurter Parlaments; 1851 wählte ihn die Landschaft des Herzogtums Altenburg zum Präsidenten. Die Frucht eines mehrjährigen Studiums sind seine »Éléments de la grammaire mandchone« (Altenb. 1833). In der von ihm mitbegründeten »Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes« lieferte er Aufsätze über das Mongolische und publizierte dann in Verbindung mit I. Löbe eine neue kritische Ausgabe der gotischen Bibelübersetzung des Ulfilas nebst Grammatik, Wörterbuch und lateinischer Übersetzung (Leipz. 1843–46, 2 Bde.). Später wendete er sich den Sprachen des finnischen Sprachstammes zu, als der erste in Deutschland, der sie nach rationalen Grundsätzen bearbeitete. Er veröffentlichte in der erwähnten Zeitschrift (Bd. 2) eine mordwinische Grammatik und (Bd. 4) »Vergleichung der beiden tscheremissischen Dialekte«, bald darauf »Grundzüge der syrjänischen Grammatik« (Altenb. 1841). Auf einem für uns fast neuen Sprachgebiet bewegen sich seine »Kurze Grammatik der tscherokesischen Sprache« in Höfers »Zeitschrift für die Wissenschaft der Sprache« (Bd. 3), die »Beiträge zur Sprachenkunde«, von denen drei Hefte (Leipz. 1852) Grammatiken der Dajak-, Dakota- und Kiririsprache enthalten, sowie seine »Grammatik mit Wörterbuch der Kassiasprache« (das. 1857). Ferner erschienen in den »Abhandlungen der Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig« (1860): »Die melanesischen Sprachen nach ihrem grammatischen Bau etc.« (wovon 1873 der zweite Teil nachfolgte) und »über das Passivum« (Leipz. 1860); endlich gab er die Mandschu-Übersetzung der chinesischen Werke: »Se-schu«, »Schu-king« und »Schi-king« mit mandschu-deutschem Lexikon (das. 1864) heraus. Auch die »Mitteilungen der Geschichts- und Altertumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes«[246] enthalten von ihm zahlreiche und wertvolle Beiträge. Nach seinem Tod erschien noch: »Geschichte der großen Liao, aus dem Mandschu übersetzt« (Petersburg 1877). Die Zahl der Sprachen, die G. mehr oder weniger gründlich erforscht, und von denen er einen großen Teil zuerst wissenschaftlich bearbeitet hat, betrug über 80; seit 1846 war er ordentliches Mitglied der Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig.

2) Hans Georg Conon von der, ebenfalls Sprachforscher, Sohn des vorigen, geb. 16. März 1840 in Poschwitz bei Altenburg, gest. 11. Dez. 1893 in Berlin, studierte 1859–63 in Jena und Leipzig Kameral- und Rechtswissenschaften, trat 1864 in den sächsischen Staatsdienst, war 1871–72 kommissarisch als Dezernent an der Präfektur zu Straßburg und als Adlatus des Kreisdirektors zu Mülhausen im Elsaß angestellt und bekleidete seit 1873 eine Assessorstelle beim Bezirksgericht zu Dresden, bis er 1878 als außerordentlicher Professor der ostasiatischen Sprachen an die Universität Leipzig und 1889 als Mitglied der Akademie der Wissenschaften und ordentlicher Professor an die Universität Berlin berufen wurde. G. hatte schon als Knabe nacheinander Holländisch, Italienisch, Neuseeländisch, bald auch Chinesisch getrieben. Kaum 17 Jahre alt, wendete er sich der indochinesischen Sprachvergleichung zu, stellte Lautgesetze unter diesen monosyllabischen Sprachen auf und faßte das Ergebnis in einer 1859 im Archiv des Altenburger Gymnasiums deponierten Arbeit zusammen. Seitdem hat er sich namentlich mit Chinesisch, Japanisch, Mandschu und Taumpakewa-Alfurisch beschäftigt. Zahlreiche Arbeiten von ihm über Grammatik und Literatur der verschiedenen ostasiatischen Völker, sprachphilosophische Aufsätze u. a. finden sich in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«, in der »Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft«, in den Abhandlungen und den Sitzungsberichten der königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften und der königlich preußischen Akademie der Wissenschaften etc. Außerdem veröffentlichte er eine Ausgabe des chinesischen metaphysischen Werkes »Thai-Khi-Thu« (mit Übersetzung, Dresd. 1876) und, als sein Hauptwerk, die »Chinesische Grammatik mit Ausschluß des niedern Stils und der heutigen Umgangssprache« (Leipz. 1881), der die »Anfangsgründe der chinesischen Grammatik« (das. 1883) nachfolgten; ferner: »Beiträge zur Kenntnis der melanesischen, mikronesischen und papuanischen Sprachen«- (mit A. B. Meyer, das. 1882); »Die Sprache des Cuangtsi« (das. 1888); »Confucius u. seine Lehre« (das. 1888); »Die Sprachwissenschaft« (das. 1891, 2. Aufl. 1901); »Handbuch zur Aufnahme fremder Sprachen« (Berl. 1892). Nach seinem Tod erschien: »Die Verwandtschaft des Baskischen mit den Berbersprachen Nordafrikas« (Braunschw. 1894). Vgl. Conrady, Georg von der G. (in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Dez. 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 246-247.
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