Bessel

[757] Bessel, 1) Johann Georg, Gelehrter, geb. 5. Sept. 1672 zu Buchhain im Mainzischen, gest. 22. Jan. 1749, trat 1693 unter dem Namen Gottfried in das Benediktinerkloster Göttweih, war dann als Lehrer im Kloster Seligenstadt tätig, wurde 1704 Generalvikar des Kurfürsten von Mainz, 1714 Rektor der Universität Wien sowie Abt von Göttweih. Er war bei dem Übertritt der Gemahlin Kaiser Karls VI. und ihres Vaters, des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, zum Katholizismus sowie bei andern Konversionen deutscher Fürsten tätig. Er gab mit Hahn das »Chronicon Gotwicense« (s. Göttweig) heraus (Tegernsee 1732).

2) Friedrich Wilhelm, Astronom, geb. 22. Juli 1784 in Minden, gest. 17. März 1846, widmete sich in Bremen dem Kaufmannsstand, beschäftigte sich aber auch mit Astronomie und kam durch eine Berechnung des Kometen von 1607 mit Olbers zusammen, auf dessen Vorschlag er 1806 die Inspektorstelle der Privatsternwarte von Schröter in Lilienthal erhielt, wo er zahlreiche Beobachtungen, namentlich von Kometen und von Saturn, lieferte; hier begann er die Reduktion von Bradleys Fixsternbeobachtungen, die ihn zur Bestimmung der Konstanten der Refraktion, Präzession, Nutation und Aberration führte (»Fundamenta astronomiae deducta ex observationibus J. Bradley«, Königsb. 1818). 1810 übernahm er die Leitung der in Königsberg errichteten Sternwarte, die[757] 1819 mit einem Reichenbachschen Meridiankreis und 1829 mit einem vorzüglichen Fraunhoferschen Heliometer, das bald weltberühmt ward, ausgerüstet wurde. Mit diesen Instrumenten stellte B. Beobachtungen von außerordentlicher Schärfe an und bahnte der astronomischen Beobachtungskunst ganz neue Wege. Er wurde der Schöpfer der Theorie der astronomischen Instrumente. Am Meridiankreis beobachtete er 1821 bis 1833 eine Reihe von 75,011 Fixsternen zwischen 15° südlicher und 45° nördlicher Deklination (»Astronomische Beobachtungen auf der Sternwarte in Königsberg«, Abt. 1–2l, Königsb. 1815–44). Über seine wichtigen Untersuchungen am Heliometer, die besonders die Parallaxenbestimmung des Sternes 61 im Schwan sowie verschiedene Doppelsterne betrafen, berichtete er in verschiedenen Abhandlungen. B. hat auch die mathematischen Theorien der Astronomie wesentlich gefördert, und viele seiner Arbeiten auf diesem Gebiete sind geradezu epochemachend gewesen. Kein Astronom der Gegenwart und der Vergangenheit war in gleichem Maße wie B. Beobachter und Theoretiker zugleich. Er schrieb: »Untersuchungen über die scheinbare und wahre Bahn des 1807 erschienenen Kometen« (Königsb. 1810); »Untersuchung der Größe und des Einflusses des Vorrückens der Nachtgleichen« (Berl. 1815); »Untersuchung des Teils der planetarischen Störungen, welcher aus der Bewegung der Sonne entsteht« (das. 1824); »Untersuchungen über die Länge des einfachen Sekundenpendels« (das. 1828, Leipz. 1889); »Tabulae Regiomontanae reductionum observationum astronomicarum ab anno 1750 usque ad annum 1850 computatae« (Königsb. 1830); »Beobachtungen über die physische Beschaffenheit der Halleyschen Kometen und dadurch veranlaßte Bemerkungen« (Altona 1836); »Gradmessungen in Ostpreußen und ihre Verbindung mit preußischen und russischen Dreiecksketten« (Berl. 1838, mit Baeyer herausgegeben); »Darstellung der Untersuchungen u. Maßregeln, welche 1835–38 durch die Einheit des preußischen Längenmaßes veranlaßt worden sind« (das. 1839); »Astronomische Untersuchungen« (Königsb. 1841–42, 2 Bde.); »Theorie des Saturnsystems« (Altona 1848, nach Bessels Tode veröffentlicht). In seinen »Untersuchungen über die Veränderlichkeit der eignen Bewegung der Fixsterne« (Altona 1844) wies er theoretisch nach, daß die Ungleichheiten der Bewegung von Sirius und Procyon durch die Annahme beträchtlicher Massen in unmittelbarer Nähe derselben erklärt werden, eine Annahme, die durch die spätern Rechnungen von Peters und Auwers sowie durch die Entdeckung der Begleiter von Sirius und Procyon glänzend bestätigt wurde. Bessels »Populäre Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände« wurden von H. C. Schumacher (Hamb. 1848) herausgegeben. Ein Verzeichnis seiner sämtlichen Veröffentlichungen hat Busch zusammengestellt (Königsb. 1849); seine gesammelten »Abhandlungen« (Leipz. 1876, 3 Bde.) und »Rezensionen« (das. 1878) hat R. Engelmann veröffentlicht. Seinen »Briefwechsel mit Olbers« gab A. Erman heraus (Leipz. 1852, 2 Bde.), denjenigen mit Gauß die Berliner Akademie (das. 1880), sein literarischer Nachlaß sowie viele ungedruckte Briefe werden von der Berliner Akademie aufbewahrt. Vgl. Durège, Bessels Leben und Wirken (Zürich 1861); »Bessel als Bremer Handlungslehrling« (Bremen 1890).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 757-758.
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