Baeyer

[260] Baeyer, 1) Joseph Jakob, Geodät, geb. 5. Nov. 1794 in Müggelsheim bei Köpenick, gest. 11. Sept. 1885 in Berlin, machte als freiwilliger Jäger die Feldzüge von 1813, 1814 und 1815 mit, wurde in Koblenz, dann in Erfurt mit topographischen Arbeiten beschäftigt und 1821 zum Generalstab kommandiert. 1831–36 nahm er als Kommissar des Generalstabs bei Bessels Gradmessungen in Ostpreußen zur Verbindung der preußischen und russischen Triangulierung teil. 1843 wurde B. zum Chef der trigonometrischen Abteilung des Generalstabs ernannt, 1852 zum Generalmajor. 1858 ward er als Generalleutnant zur Disposition gestellt und mit der Ausführung des preußischen Anteils einer europäischen Längengradmessung unter dem 52. Parallelkreis betraut. 1861 veröffentlichte er seinen »Entwurf zu einer mitteleuropäischen Gradmessung«, worauf sich 1862 alle mitteleuropäischen Staaten zu gemeinsamer Ausführung dieses Unternehmens vereinigten, das 1867 durch den Beitritt der übrigen europäischen Staaten (außer [260] England) zu einer europäischen Gradmessung sich erweiterte. Für deren Zwecke wurde 1865 in Berlin ein unter Baeyers Präsidium stehendes Zentralbureau errichtet, das 1869 in das Geodätische Institut umgewandelt wurde. Unter den zahlreichen Schriften Baeyers sind vornehmlich zu nennen: »Die Gradmessung in Ostpreußen« (mit Bessel, Berl. 1838); »Nivellement zwischen Swinemünde und Berlin« (das. 1840); »Die Küstenvermessung und ihre Verbindung mit der Berliner Grundlinie« (das. 1849); »Die Verdindungen der preußischen und russischen Dreiecksketten bei Thorn und Tarnowitz« (das. 1857); »Über Strahlenbrechung in der Atmosphäre« (Petersb. 1860); »Über die Größe und Figur der Erde« (das. 1861); »Das Messen auf der sphäroidischen Erdoberfläche« (das. 1862); »Wissenschaftliche Begründung der Rechnungsmethode des Zentralbureaus der europäischen Gradmessung« (das. 1869–71, 3 Hefte); »Vergleichung einiger Hauptdreiecksketten der königlichen Landestriangulation mit der Besselschen Methode« (das. 1879) und »Über die Nivellementsarbeiten im preußischen Staat und die Darstellung ihrer Resultate in richtigen Meereshöhen« (das. 1881).

2) Adolf von, Sohn des vorigen, Chemiker, geb. 31. Okt. 1835 in Berlin, studierte 1853–59 daselbst, in Heidelberg und Gent, habilitierte sich 1860 in Berlin als Privatdozent, wurde dort Lehrer an der Berliner Gewerbeakademie, 1869 an der Kriegsakademie und 1870 Mitglied der technischen Deputation für Gewerbe. 1872 ging er als Professor nach Straßburg und 1875 als Nachfolger Liebigs nach München, wo nach seinen Angaben ein neues Laboratorium gebaut wurde. Im Februar 1885 wurde ihm der erbliche Adel verliehen. Nach Untersuchungen über Kakodylverbindungen durchforschte B. die Harnstoff- und Harnsäuregruppe, die Mellithsäure, die Kondensationsprodukte des Acetons etc. und diejenigen, die durch Einwirkung von Aldehyden auf Kohlenwasserstoffe und Phenole und besonders von Phthalsäureanhydrid auf Phenole und Oxyphenole entstehen. Die Bildung dieser »Phthaleïne« führte zur Entdeckung des Eosins, des Galleins und des Cöruleins, die jetzt in großen Mengen für die Färberei dargestellt werden. Er entdeckte ferner das Nitrophenol, gab eine Methode an, Aldehyde und Ketone mit aromatischen Kohlenwasserstoffen zu kondensieren und entdeckte die Polyacetylenverbindungen. Seit 1866 beschäftigte sich B. mit der Indigogruppe, und es gelang ihm die Synthese des Indigoblaues in solcher Form, daß sie praktisch im großen ausgeführt werden kann. Im Laufe dieser Untersuchungen hat B. das Indol, Oxindol und Dioxindol dargestellt und den Zusammenhang dieser Körper sowie des Isatins mit dem Indigblau aufgeklärt. Er führte auch die Benutzung des Zinkstaubes als Reduktionsmittel ein, studierte die Hydrobenzolkarbonsäure und die Terpene, klärte die Natur der Caroschen Säure auf und zeigte, daß fast alle organischen Sauerstoffverbindungen mit gewissen Säuren kristallisierte Oxoniumsalze bilden. Er entdeckte ferner das Äthylhydroperoxyd, das Diäthylperoxyd und untersuchte das Triphenylmethan. Von seinen theoretischen Arbeiten sind hervorzuheben die Erklärung der Assimilation der Kohlensäure durch die Pflanzen, die Spannungstheorie, die cis-trans-Isomerie, die Pseudoisomerie und die Beiträge zur Theorie des Benzols. In seinem Laboratorium stellten Gräbe und Liebermann das Alizarin aus Anthrazen dar, und Otto Fischer entdeckte das Bittermandelölgrün.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 260-261.
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