Wjatka [2]

[707] Wjatka, russ. Gouvernement, von den Gouvernements Wologda im N., Perm im O., Ufa und Kasan im S., Nishnij Nowgorod und Kostroma im Westen umgeben, umfaßt 153,658,1 qkm (2790,6 QM.). Die Oberfläche ist von niedrigen Hügeln bedeckt, die von SW. nach NO. hin steigen und im Sunskij Peregon 420 m Höhe erreichen. An Mineralien trifft man braunes Sumpfeisen, Kalkstein, Mühlstein, Gips, im Slobodskoischen Kreis Magnetstein und im Jelabugaschen Schwefelquellen. Alle Flüsse, außer der Sysola, die zur Dwina fließt, gehören zur Kama und Wjatka (resp. Wolga). Vom Areal entfallen 30,7 Proz. auf Äcker, 54,9 auf Wald, 7 auf Wiese und Weide, 7,4 Proz. auf Unland. In den Wäldern überwiegt das Nadelholz (Kiefer, Tanne, Fichte); Laubwald ist wenig vorhanden. Dreiviertel aller Wälder gehören dem Fiskus. Das Klima ist sehr rauh und kalt; die mittlere Jahrestemperatur beträgt für die Hauptstadt-f -1,7°. Die Bevölkerung belief sich 1897 auf 3,030,831 Einw. (19 auf 1 qkm), darunter waren ca. 2,4 Mill. Russen, 0,4 Mill. Wotjaken, 0,1 Mill. Tscheremissen, 0,1 Mill. Tataren, ferner Permier, Teptjaren, Baschkiren etc. in geringerer Zahl. Der griechisch-orthodoxen Konfession gehören 95,3, dem Islam 4,2 Proz. der Bevölkerung an. Heiden gibt es 0,36 Proz. Die Hauptbeschäftigung der Einwohner ist der Ackerbau, dem 83 Proz. der Bevölkerung obliegen. Die Ernte ergab 1905 in Tonnen: Weizen 33,932, Roggen 781,296, Hafer 1,098,636, Gerste 187,111, Kartoffeln 217,628, außerdem Dinkel, Buchweizen, Erbsen. Auch Flachs wird ziemlich viel angebaut. Die Viehzucht liefert bei dem Mangel an Weiden kaum den für die Äcker nötigen Dünger; man zählte 1904: 750,000 Pferde, 1,100,000 Rinder, 1,355,000 Schafe, 208,000 Schweine und 20,000 Ziegen. Die Pferdezucht lieferte früher die geschätzten Pferderassen Wiatki und Obwinki, die aber jetzt nur noch selten zu finden sind. Bienenzucht wird in den Kreisen Sarapul und Glasow betrieben. Die Jagd in den umfangreichen Wäldern ist eine ergiebige Erwerbsquelle; man jagt hauptsächlich Birk-, Schnee- und Rebhühner, Hafen und Eichhörnchen. Außerdem kommen vor Wölfe, Bären, Füchse, Iltisse, Hermeline, Vielfraße, Fischotter, Elentiere und Luchse. Das Pelzwerk kommt auf den bedeutenden Alexejewskij-Jahrmarkt in Kotelnitsch. Von Wichtigkeit ist die Hüttenindustrie. Die Förderung von Eisenerzen wurde 1903 in 177 Gruben betrieben und lieferte 87,850 Ton. Es gab 5 Hochofenwerke, die 22,600 T. Roheisen erzeugten. An Fabriken und Gewerbebetrieben zählte man 1900: 711 mit einem Produktionswert von 31 Mill. Rubel. An erster Stelle steht die Eisenindustrie, die hauptsächlich durch die fiskalische Wotkinsche Eisenhütte (s. d.) und durch die fiskalische Gewehrfabrik in Ishewsk vertreten ist. Es folgen die Lederfabrikation, die chemische Industrie und die Branntweinbrennerei. Die Hausindustrie ist sehr verbreitet und weist in einigen Zweigen entwickelte Technik auf. Namentlich wird Leinweberei (jährlich 12–14 Mill. Meter Leinwand) und Verfertigung von Holzwaren (Möbeln, Wagen, hölzernen Tabakspfeifen) betrieben; außerdem die Anfertigung von Schafpelzen, Fischernetzen, [707] Sicheln, billigem Kupferzeug, Gurten, das Gerben, Drechseln etc. Im Handel wird ausgeführt: Getreide, Flachs, Leinsaat, Leinwand, Leder, Holz, Salz, Tierhäute. Die Flüsse sind die Hauptverkehrswege. W. besteht aus 11 Kreisen: Glasow, Jaransk, Jelabuga, Kotelnitsch, Malmysh, Nolinsk, Orlow, Sarapul, Slobodskoi, Urshum und W.-W. war ehemals von Wotjaken und Tscheremissen bewohnt, die seit dem 12. Jahrh. von Einwanderern aus der Gegend von Nowgorod verdrängt wurden. Diese erhielten sich lange unabhängig (Republik W., s. »Geschichtskarte« zum Artikel »Russisches Reich«, S. 310) und wurden erst 1489 dem Großfürstentum Moskau unterworfen. Vgl. »Historisch-statistisches Sammelwerk des Gouvernements W.« (russ., Wjatka 1880).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 707-708.
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