Radowitz

[791] Radowitz, Jos. von R., von ungarischem Geschlecht, Enkel des Demetrius von Radotzi, welcher 1753 aus Ungarn nach Wien übersiedelte; R. geb. am 6. Febr. 1797 in Blankenburg, war 1813 westfälischer Artillerieoffizier, wurde bei Leipzig gefangen, trat in kurhessische Dienste u. machte als Artillerieoffizier die Kriege gegen Frankreich mit; nach dem Frieden wurde er 1815 Lehrer der Mathematik u. Kriegswissenschaften im Cadettencorps zu Kassel, 1817 Hauptmann im Generalstab u. Lehrer des Kurprinzen, trat 1823 in preußische Dienste als Hauptmann u. Lehrer des Prinzen Albrecht, wurde 1828 Mitglied der obersten Militärstudienbehörde, Lehrer an der Kriegsschule, Mitglied der Artillerieprüfungscommission u. Major, 1830 Chef des Generalstabes der Artillerie, 1836 preußischer Militärbevollmächtigter beim Bundestag, avancirte 1839 zum Oberstlieutenant u. 1840 zum Obersten; 1841 ging er nach Wien u. an die süddeutschen Höfe wegen Unterhandlungen über die Befestigung Ulms u. Rastatts u. wurde 1842 preußischer Gesandter in Karlsruhe. Er hatte sich bereits 1840 gegen Metternich über die Nothwendigkeit einer Umgestaltung des Deutschen Bundes ausgesprochen, u. die Anträge, welche Preußen nachher in dieser Beziehung stellte. waren meist von R. angeregt u. ausgegangen, bes. der Entwurf vom 13. Jan. 1843 u. die Denkschrift vom 20. Nov. 1847, worin die Entwickelung des Bundes rücksichtlich der Wehrhaftigkeit, des Rechtsschutzes u. der materiellen Interessen ausgeführt war. In diesem Sinne mit Österreich zu unterhandeln, ging R. im Nov. 1847 u. im März 1848 abermals nach Wien; aber theils die schweizerischen Wirren, theils die Revolution von 1848 traten dazwischen. In Folge der letztern nahm R. im April 1848 seinen Abschied aus den preußischen Diensten u. wurde im Mai als Abgeordneter für Arnsberg in Westfalen zum Parlamente nach Frankfurt gewählt, wo er auf der Rechten saß u. bes. für den Bundesstaat als Einheit gegenüber dem Auslande, aber für die Selbständigkeit der einzelnen Bundesstaaten unter einer Oberhoheit des Ganzen sprach. Nach der Auflösung des Reichstages wurde er im Nov. 1849 Mitglied der provisorischen Bundescommission preußischerseits, 1850 Präsident des Verwaltungsrathes der deutschen Union in Erfurt u. am 1. Juni Mitglied des provisorischen Fürstencollegiums, in welchem er dann den Vorsitz führte. Ende September wurde er an der Stelle des Freiherrn von Schleinitz Minister des Äußeren, gab aber in Folge der Nachgiebigkeit der Majorität des Ministeriums gegen die Beschlüsse der Warschauer Conferenz bereits am 3. Nov. seine Entlassung u. trat in die Reihe der activen Generale zurück. Er nahm bald darauf Urlaub u. ging nach London, von wo er im Jan. 1851 zurückkehrte u. seitdem in Erfurt, wissenschaftlich beschäftigt, lebte, bis er im Aug. 1852 zum Generalinspector des Militärerziehungs- u. Bildungswesens ernannt nach Berlin übersiedelte, wo er 25. Dec. 1853 starb. Er schr.: Handbuch für Anwendung der reinen Mathematik, Berl. 1827; Über die Wahrscheinlichkeit bei Versuchen, 1827; Der Kriegsschauplatz in der Türkei, 1829; Ikonographie der Heiligen, 1834; Die spanische Successionsfrage, Frankf. 1839; Gespräche aus der Gegenwart über Staat u. Kirche, Stuttg. 1846; Neue [791] Gespräche aus der Gegenwart etc., Erfurt 1851; Deutschland u. Friedrich Wilhelm IV., Hamb. 1848; Die Devisen u. Motto des späteren Mittelalters, Stuttg. 1850; Gesammelte Schriften, 1852 f., 5 Bde. Auch war er 1831 Mitbegründer des Berliner politischen Wochenblattes, u. soll Verfasser der Schrift: Wer erbt in Schleswig? Karlsr. 1847, sein. Vgl. Emilie Frensdorff, Joseph von R., Lpz. 1850.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 791-792.
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