Strumpfwaaren

[941] Strumpfwaaren, die auf dem Strumpfwirkerstuhle hergestellten gewirkten Waaren, z.B. Strümpfe, Handschuhe, Jacken, Beinkleider, Mützen etc. I. Nach Art ihrer Herstellung zerfallen sie in Kulir- u. Kettenwaaren. A) Die Kulirwaaren werden auf dem Kulirstuhle hergestellt aus einem einzigen Faden, welchen man mit sich selbst zu Maschen verschlingt. Da dieser eine Faden nicht wie bei gewebten Waaren nur nach einer Richtung, seiner Länge, hin liegt, sondern mehrfach gekrümmt u. umgelegt ist, so zeigt die Kulirwaare eine gewisse Elasticität u. kann sich eng an die Körpertheile anlegen. Die Gegenstände des Gebrauches sind entweder reguläre od. geschnittene Waaren (vgl. Strumpfwirkerstuhl S. 946), je nachdem sie ihre eigenthümliche Form schon während des Wirkens erhalten haben od. erst aus dem fertigen Stücke zugeschnitten sind. a) Die glatte Kulirwaare ist solche, bei welcher alle Maschen dieselbe Beschaffenheit haben, also das ganze Waarenstück überall gleiche Maschenbildung u. Fadenverbindung zeigt, u. zwar die unter Strumpfwirkerstuhl I. B) beschriebene, bei welcher eine Seite der Waare (die Vorder- od. rechte Seite) die Mitteltheile aller Maschen oben auf u. die Köpfe derselben nach unten zurückliegend, die Rück- od. linke Seite dagegen die Köpfe aller Maschen oben auf u. ihre Mitteltheile nach unten zurückliegend zeigt. Eine besondere Art der glatten Waare ist die sogen. eingekämmte od. Pelzwaare, welche einfach dadurch hergestellt wird, daß der Arbeiter, wenn das Werk des Stuhles auskrochirt ist, Wolle, wie sie von der Krempel kommt, mit der Hand in die Stuhlnadeln einschlägt, in welchen die Fasern in dünnen Lagen hängen bleiben; dieselben[941] werden beim Einkrochiren mit der alten Maschenreihe vereinigt u. beim Abschlagen durch die neuen Maschen mit der Waare verbunden, welche dann auf der Rückseite (d.i. die am Stuhle dem Arbeiter zugekehrte Seite) ein pelzartiges Aussehen erhält. b) Die Maschinenwaare (gemusterte Waare), zeigt an verschiedenen Stellen od. bisweilen auch auf ihrer ganzen Ausdehnung eine von der einfachen Masche abweichende Fadenverbindung u. wird auf dem gewöhnlichen Kulirstuhle mit Hinzunahme einer der sogenannten Maschinen (vgl. Strumpfwirkerstuhl I. C) hergestellt. aa) Die Preßwaare, wird mit der Preß- od. Blechmaschine gearbeitet. Die nicht gepreßten Nadeln erzeugen Doppelmaschen u. dadurch an betreffender Stelle größere Dichte der Waare. Letztere wird wegen ihrer mit kleinen Erhöhungen besetzten Oberfläche Perlwaare genannt. Bei Anwendung mehrer verschiedenfarbiger Fäden, welche abwechselnd über die Nadeln gelegt werden, kann man von einem solchen immer nur so viel auf die Oberseite der Waare kommen lassen, als ein Muster erfordert, da die nicht gepreßten Nadeln den überliegenden Faden durch die alte mit ihm vereinigte Masche verdecken, er also nur auf der dem Arbeiter zugekehrten Rückseite zu sehen ist, während er von den gepreßten Nadeln zur Masche gebildet u. folglich an die Oberseite gebracht wird. Mützen u. Handschuhe werden vielfach mit solchen Mustern in buntester Abwechselung hergestellt. bb) Petinetwaare, wird mit der Stech- od. Deckmaschine gearbeitet u. namentlich zu Strümpfen u. Handschuhen verwendet, welche theils glatte (z.B. am Obertheil des Längens, an der Ferse u. Fußsohle eines Strumpfes), theils durchbrochene Arbeit erhalten. cc) Durch Werfen od. Überwerfen, d.i. das Überhängen einer Masche auf zwei Nadeln zugleich, wodurch kleine Öffnungen entstehen, werden einfache Muster, Namen u. Zahlen in glatte Waare gewirkt. dd) Die Fangwaare u. Ränderwaare, wird mit der Fang- od. Rändermaschine gearbeitet. Hat diese Maschine ebensoviel Nadeln als der Stuhl, so daß alle Maschen von beiden Reihen gleich bearbeitet werden, so hat die entstehende Waare (sowohl Ränder- als auch Fangwaare, vgl. Strumpfwirkerstuhl I. C) auf beiden Seiten gleiches Aussehen; sind aber manche Bleie der Maschine ohne Nadeln, so daß manche Maschen einer Reihe wie bei glatter Waare u. andere wie Maschinenwaare gebildet werden, so bilden letztere erhöhte Streifen u. Furchen, welche längs der Waare geradlinig fortlaufen, u. diese zeigt dann wenigstens an der Stelle ihrer glatten Arbeit eine Vorder- u. Rückseite. B) Die Kettenwaaren werden auf dem Kettenstuhl (s. Strumpfwirkerstuhl II.) durch Verschlingung vieler neben einander fortlaufender Kettenfäden unter sich zu Maschen hergestellt. Auch diese Waaren zeigen noch eine gewisse Elasticität. Die Gegenstände des Gebrauchs werden immer aus dem überall gleich breiten u. sehr langen Stücke zugeschnitten u. zusammengenäht. Die Art der Maschenbildung durch Legung der Kettenfäden erklärt zugleich, daß alle Maschen in der fertigen Waare nach der Seite hin geneigt sind, nach welcher ihre Legung erfolgte. a) Dichte Kettenwaaren. Bei ihrer Herstellung sind alle Lochnadeln der Maschine mit Fäden durchzogen; alle Fäden derselben Maschine erhalten auch gleiche Legung. aa) Die einfachste dieser Legungen: unter eine Nadel u. über eine Nadel (unter 1 über 1) u. bei der nächsten Reihe zurück, wird erhalten, wenn die Maschine um eine Nadel zur Seite gerückt, dann gehoben, dann noch um eine Nadel weiter zur Seite gerückt u. wieder gesenkt wird, worauf das Pressen u. Abschlagen die Reihe beendet. Solche Legungen sind in den verschiedensten Abwechselungen möglich, sowohl mit einer als mehren Maschinen zugleich, wobei im letzteren Falle eine Stuhlnadel auch mehrfache Fadenlegungen erhält. Weitere Waaren mit ihren Legungen sind z.B.: bb) einlegiger Atlas, mit einer Maschine aus baumwollener od. seidener Kette hergestellt; Legung unter 1 über 1 u. zwar bei mehren Reihen hinter einander nach derselben Richtung hin u. bei den folgenden ebensoweit wieder zurück. cc) Einfaches Tuch od. Buckskin, mit einer Maschine u. wollener Kette gearbeitet; Legung unter 2 u. über 1 u. bei der nächsten Reihe zurück. dd) Einfacher Tricot, mit zwei Maschinen u. seidener od. baumwollener Kette gearbeitet; Legung jeder Maschine unter 1 über 1, aber nach verschiedener Richtung beider Maschinen. ee) Pelz, mit zwei Maschinen u. wollener Kette gearbeitet; Legung der einen Maschine unter 1 über 1 u. zurück; Legung der anderen Maschine unter 3 über 1. Die zweite Maschine bringt lange Henkel auf die Rückseite der Waare. Spannt man das fertige Stück nach seiner Breitenrichtung an, so stauen diese Henkel auf u. können mit einem hobelartigen Instrumente, welches kleine Messerchen enthält, aufgeschnitten werden. Die Waare wird gewalkt u. hat auf der Rückseite pelzartiges Aussehen. ff) Sammet, mit drei Maschinen gearbeitet; zwei Maschinen mit baumwollener Kette erzeugen das Grundgewebe, einfachen Tricot (s. oben dd), die dritte Maschine mit seidener Kette hat die Legung unter 4 über 1; sie legt also, wie bei ee), lange Henkel, welche ebenso wie dort aufgeschnitten werden u. die Sammetdecke bilden etc. b) Durchbrochene Kettenwaaren. Bei ihrer Herstellung sind nicht alle Lochnadeln der Maschinen mit Kettenfäden durchzogen; es entstehen also weite Verbindungen u. größere Öffnungen. Die Art der Fadeneinziehung in die Lochnadeln sowohl, als die Art der Legung, sind hier für etwaige Muster maßgebend. Die Waaren werden mit einer od. mehren (bis 15 u. 20) Maschinen hergestellt. Besondere Namen für einzelne Verbindungen existiren nicht od. sind in verschiedenen Gegenden verschieden, z.B. Filet ist im Allgemeinen jede durchbrochene Kettenwaare, u. speciell eine solche mit regelmäßig sechseckigen Öffnungen für Handschuhe, Unterärmel etc.; Petinet, ist ähnlich dem Kulirpetinet (s. oben A) b) bb), mit kleinen in verschiedener Anhäufung u. Combination vorkommenden Öffnungen. Größere Stücke, wie Decken u. Gardinen, mit complicirten Mustern werden mit mehren Maschinen u. unter Anwendung einer Jaquardmaschine gefertigt.

II. Die Appretur der S. ist für wollene Waaren, wenn sie für diese überhaupt erfolgen soll, dieselbe wie für wollene Webewaaren, nämlich Walken, Rauhen, Scheren u. Pressen im ganzen Stück, bisweilen aber nur ein Bleichen (für seine weißwollene Waaren). Dichte baumwollene Waaren werden, nachdem sie zu Gebrauchsgegenständen zusammengenäht sind, gebleicht, geformt u. gepreßt. Beim Formen werden die Waarenstücke feucht über dünne Holzbreter gezogen, welche die Durchschnittsgestalt des Körpertheiles haben, an[942] welchen das Waarenstück später gezogen wird, z.B. für Strümpfe den Längendurchschnitt des Beines. Die Breter mit den Waaren werden in dem heißen Formosen ziemlich vollständig getrocknet u. dann wie Webewaaren warm gepreßt. Damit erhält die Waare ein schönes Aussehen durch gleichmäßige Ausdehnung u. Lage der Maschen, gute Façon u. glatte glänzende Oberfläche. Auch ist das Aufstauen der Waare durch ihre allzugroße Elasticität beseitigt u. sie kann leicht verpackt werden. Durchbrochene baumwollene Waaren, namentlich Kettenwaaren, werden nur gestärkt u. gepreßt, die rein weißen vorher gebleicht. Waaren aus baumwollenem Zwirn (Flor) gefertigt, werden nur geformt, da durch das Pressen der runde Zwirnfaden breit gedrückt würde. S. aus Seide u. Leinen werden gepreßt od. letztere nach Befinden gebleicht.

Die bedeutendste Strumpfwirkerei wird in England u. auf dem Contingent dermalen in Sachsen betrieben. In Sachsen, u. zwar bes. im Erzgebirge, wurde sie durch David Esche zu Anfang des 18. Jahrh. in Limbach eingeführt; auch baute Esche nach dem Muster eines französischen Stuhls selbst einen Stuhl für seidene Strümpfe (baumwollene gab es damals noch nicht u. wollene wurden gestrickt). 1764 waren in Limbach 80 Stühle für seidene Strümpfe im Gange; 1780 gab es in u. um Chemnitz nur 1130 Strumpfwirkermeister; 1820 war die Gesammtzahl der Stühle auf 10,000 angewachsen. Durch einen in Bremen sich aufhaltenden Sachsen Petzold wurde um diese Zeit mit Erfolg der Absatz sächsischer S. nach Amerika angebahnt. Eine bessere Appreturmethode führte Fr. G. Wieck nach 1828 aus England ein. 1838 begann die Fabrikation auf breiten Stühlen, u. nun verdrängte allmälig die geschnittene Waare die reguläre. Die Einführung der Rundstühle in Sachsen, u. zwar in Frankenberg, Leipzig u. Chemnitz durch den Mechanikus Julius Borcherdt begann 1844. 1851 wurden in Sachsen gegen 2 Millionen Dutzend Strümpfe, Mützen u. Handschuhe gefertigt. 1860 betrug die Zahl der in Sachsen gangbaren Stühle etwa 44,000, darunter etwa 800 Rundstühle, der Umsatzwerth der in Sachsen gefertigten S. kann zu 7 Millionen Thalern angenommen werden. In England waren 1851 im Ganzen 42,763 Stühle, nämlich 3771 Stühle auf seidene, 24,823 Stühle auf baumwollene, 14,083 Stühle auf wollene u. 86 Stühle auf leinene S., im Gange, verarbeiteten für 1,045,456 Pfund Sterling Rohmaterial u. lieferten, bei 1,049,150 Pfd. Sterl. Arbeitslohn für das Wirken, 5,705,600 Dutzend S. mit einem Marktpreise von 2(Millionen Pfd. Sterling.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 941-943.
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